Muckefuck
Redakteurin Mascha Malburg stellt den neuen nd-Newsletter vor.
Wie viel Zeit haben junge, engagierte Berliner*innen am Morgen, um sich darüber zu informieren, was heute in ihrer Stadt los ist? Oft nicht mehr als eine Kaffeelänge. Diese fünf Minuten reichen nicht, um den dreiseitigen Hauptstadtteil des »nd« zu lesen – aber für unseren neuen Newsletter schon.
Weil nd-Leser*innen traditionell keinen teuren Latte macchiato mit Karamellsirup trinken, heißt unser Newsletter für Berlin am Morgen »Muckefuck« – so wie das Kaffeeersatzgetränk der Arbeiterklasse. Ältere Leser*innen erinnern sich vielleicht noch: ganz schön bitter und nur mit ordentlich Zucker zu ertragen. Ganz so wie die Neuigkeiten in der Hauptstadt: Von Miethaien, Nazis in Behörden und überfüllten Intensivstationen musste »Muckefuck« schon in den ersten zwei Wochen berichten – wir versuchen aber immer, die notwendige Süße mit Humor, einer Prise Ironie oder einer persönlichen Geschichte beizusteuern.
Wir, das sind vor allem die beiden Berlin-Ressortleiter Martin Kröger und Marie Frank und ich, Mascha Malburg, die die Idee eines morgendlichen Hauptstadt-Newsletters in den letzten Monaten redaktionell entwickelt haben. Gemeinsam mit unser Marketingabteilung und den externen Mediengestaltern von »Keksbox« haben wir dem »Muckefuck« erst seinen Namen und dann Farbe und Form gegeben. Seit vier Wochen flattert nun jeden Morgen eine sehr schicke EMail mit Text, Bild und Grafikelementen in die Postfächer unser Abonnent*innen. Diejenigen, die es eher dezent mögen, erreicht er auch als Chatnachricht im Telegram-Kanal.
Nach einem längeren Aufmachertext liest man dort die wichtigsten Nachrichten in aller Kürze, außerdem ein kurzes Meinungsstück und eine Veranstaltungsempfehlung für den Abend. Zwischendurch versüßen ein Bild des Tages, Fotos unserer Autor*innen und ein »Aufgemuckt«-Zitat die Lektüre. Berliner*innen, die unseren Newsletter lesen, sollen nicht mit nackten Agenturmeldungen in den Tag starten: Sie sollen ein Gefühl dafür bekommen, was heute die Menschen in ihrer Stadt umtreibt, was auf den Straßen, in den Plenen und später am WG-Küchentisch diskutiert wird, worüber getratscht und gelacht wird und wie man den Feierabend ausklingen lassen kann.
In klassischer nd-Manier schauen wir dabei nicht nur auf die Politik von oben, sondern vor allem darauf, was sie für die Leute bedeutet, und auf diejenigen, die öffentlich und im Privaten dafür oder dagegen kämpfen. Unsere Berlin-Redakteur*innen berichten im »Muckefuck« auch mal, wie die Stimmung in der Pressekonferenz war, warum sie diesen oder jene getroffen haben, und ordnen ein, was sie bei ihren Recherchen erlebt haben. »Auf der Demo war echt ’ne Scheißstimmung, hinten sprang sogar der olle AfDKalbitz herum« – so ein Satz steht meist nicht in der Zeitung, aber im »Muckefuck«. Zusammengeschrieben wird der »Muckefuck« meist von mir, dafür bin ich vor zwei Monaten von der Online-Redaktion ins Berlin-Ressort gewechselt. Das ist insofern passend, als dass ich als gebürtige Berlinerin zwar eng mit meiner Stadt verbunden bin, aber bisher nur wenig mit Lokalnachrichten zu tun hatte. Wenn die erfahrenen Berlin-Redakteur*innen ganz selbstverständlich von Ausschüssen, Vorkaufsrecht oder Bezirkspolitiker*innen reden, muss ich nachfragen: »Hä, wer ist das noch mal? Und wie funktioniert das?« Ich habe den Blick einer Leserin, die sich nicht jeden Tag mit den Details der Senatsdebatten auseinandersetzt – und trotzdem wissen will, was sie denn nun konkret bedeuten.
Bevor ich den »Muckefuck« am Abend schreibe, erzähle ich oft meiner Mitbewohnerin, was ich aus der Lektüre der fertigen Berlin-Seiten für den nächsten Tag mitgenommen habe – und frage sie, was sie davon am meisten interessiert. So wähle ich häufig aus, welches Thema für junge, engagierte Berliner*innen jetzt relevant ist. Wenn nach Redaktionsschluss dann noch etwas Neues passiert, ergänze ich das im Text – so ist der »Muckefuck« morgens manchmal aktueller als die Tageszeitung.
Am Wochenende schreibt den Newsletter übrigens unsere Berlin-Podcasterin Marie Hecht. Samstags erzählt sie, was in der neuesten Folge ihres wöchentlichen Podcasts »Rote Brause« besprochen wird – und die Leser*innen können über einen Link gleich zu Hörer*innen werden.
»Muckefuck« war zu Anfang ein ziemliches Stück Arbeit, die sich aber wirklich zu lohnen scheint: Mehr als 650 Menschen haben den Newsletter schon in den ersten beiden Wochen abonniert, darunter echte Berliner Prominenz wie Kultursenator Klaus Lederer. Über die Statistiken können wir sehen, dass wirklich viele Leute ihn bis zum Ende lesen, auf die Links klicken, interessiert sind. Auch Leser*innenbriefe habe ich schon bekommen, die sind noch wichtiger als all die Zahlen.
Unser Newsletter ist kostenlos, am Ende jedes »Muckefucks« fragen wir aber nach einer kleinen finanziellen Unterstützung – denn auch wir Redakteur*innen müssen morgens Geld für einen Kaffee haben. Wir hoffen, dass dieses solidarische Bezahlmodell funktioniert, schließlich soll jede*r informiert in den Tag starten dürfen. Auch Leser*innen, bei denen die Kohle nicht mal für den Pulverkaffee reicht.
Aktuell entsteht mit Videoredakteur Jan Brock ein Videoformat auf dem Instagram-Kanal des »nd«, bei dem ich den »Muckefuck« jeden Morgen vorlese; außerdem wird es im nächsten Jahr eine Werbekampagne an öffentlichen Orten der Stadt geben. Vielleicht heißt es dann schon bald: »Janz Berlin liest ›Muckefuck‹, und das ›nd‹ ist mittendrin.«
Von Mascha Malburg