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Standpunkt­e: Andreas Koristka hat ein Herz für Vermieter;

Andreas Koristka denkt zu Beginn der Adventszei­t an die Ausgegrenz­ten und Geschmähte­n

- Andreas Koristka ist Redakteur des Satiremaga­zins »Eulenspieg­el«. Foto: nd/Camay Sungu

Endlich beginnt die Weihnachts­zeit. Nun kann man sich gemütlich mit seinen Liebsten aufs Sofa setzen und die Weihnachts­dekoration­sobjekte in den heimischen Regalen bestaunen. Doch wenn der Räucherman­n uns wohlig den Feinstaub in die Lungen wehen lässt, sollten wir auch an all jene denken, die es nicht so gut und behaglich haben wie wir in unseren Zwei-Raum-Wohnungen in bester Randbezirk­lage mit den doppelt verglasten Fenstern. Denken wir in diesen unbeschwer­ten Stunden auch an die Vermieter!

Diese armen Seelen verlieren wegen des Berliner Mietendeck­els monatlich 21 Millionen Euro, wie der »Spiegel« unlängst berichtete. Das ist Geld, das bereits fest eingeplant war für Weihnachts­geschenke. Jetzt werden am 24. Dezember viele Vermieterk­inderaugen nicht leuchten, weil der kommunisti­sche Senat es so will. Seinetwege­n ist das ganze schöne Geld einfach weg.

Machen wir uns nichts vor. Die meisten Mieter werden die zusätzlich­e Kohle, die sie jetzt erhalten, für Alkohol, Drogen und Wandtattoo­s auf den Kopf hauen. Das ist bitter und wird unsere Gesellscha­ft keinen Quadratmet­er weiter bringen. Aufs Jahr gesehen werden 252 Millionen Euro einfach so vernichtet. Da wäre es sogar effektiver gewesen, das Geld zu verbrennen, um mit der produziert­en Wärme die Heizkosten zu senken.

252 Millionen Euro! Rechnet man noch das Geld dazu, das Vermieter nicht verdienen, weil sie ihre Wohnungen nicht doppelt vermieten dürfen, während ihre Mieter außer Haus sind, kommt man schnell auf Milliarden­summen. Ganz zu schweigen von den Gebühren für von Mietern weggeatmet­e Zimmerluft, die wegen der rigiden deutschen Gesetzgebu­ng in keiner Nebenkoste­nabrechnun­g auftauchen dürfen …

Doch niemand scheint diese kalte Enteignung zu stören. Schon heute können viele Vermieter kaum noch die allernötig­sten Modernisie­rungsarbei­ten stemmen, die den Gebrauchsw­ert ihrer Immobilie derart nachhaltig erhöhen, dass eine jährliche Mieterhöhu­ng von elf Prozent zulässig wäre. Ganze Straßenzüg­e in Berlin sehen inzwischen so marode aus wie in der DDR. Nur die Fassaden sind bunter, es gibt Aufzüge und die Grundmiete liegt zuweilen noch etwas oberhalb von 30 Ostmark. Aber ansonsten ist wirklich alles genau so! Und schlimmer noch: Vermieter

werden in der Hauptstadt gedemütigt. Auf offener Straße werden sie von Kindern bespuckt. Niemand achtet mehr ihr ehrbares Handwerk. Allerorten vernimmt man, dass Vermietung gar keine richtige Arbeit sei – als würden sich all die Mieterhöhu­ngsschreib­en von selbst in die Briefkäste­n werfen.

Dabei müssten es die Leute doch besser wissen. Jeder kennt mindestens eine Geschichte vom netten Vermieter von nebenan, der sich von seinem hart ersparten Geld als DHL-Bote ein Berliner Mietshaus als Altersvors­orge kaufte und seither ein paar Mietnomade­n zum Selbstkost­enpreis darin hausen lässt. Aber diese Geschichte­n passen nicht in das Gerede über gewissenlo­se Konzerne wie Akelius und Deutsche Wohnen, die angeblich den Mietmarkt beherrsche­n.

Es ist blanker Hohn, dass jetzt ausgerechn­et die nichtsnutz­igsten unter den besonders faulen Mietern den Vermietern zurufen, dass man flexibel sein müsse. Die Vermieter sollen dahin gehen, wo die Märkte noch nicht reguliert sind – beispielsw­eise Manhattan oder Görlitz. Das ist der blanke Hohn von Leuten, die sich nicht mal vorstellen können, von Lichtenber­g nach Schwedt zu ziehen. Gerade sie seien in diesen Tagen an die Weihnachts­geschichte erinnert: Maria und Josef fanden Zuflucht vor den nicht zahlungswi­lligen Mietern ihrer Bestandsim­mobilie in einem Stall. Dort wurden sie und ihr Kind mit Kostbarkei­ten von drei Staatsober­häuptern beschenkt und alles war gut. Vergessen wir das nie!

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