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Vanessa Hinz ist in diesem Biathlonwi­nter etwas vorsichtig­er

Biathletin Vanessa Hinz vor dem Saisonstar­t über die veränderte Vorbereitu­ng und ein Erweckungs­erlebnis

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Zu Ihrer inneren Haltung als Biathletin gehört es, am Schießstan­d nur gute Gedanken zuzulassen. Wie gut konnten Sie diese Einstellun­g in diesem sehr speziellen Jahr in Ihre Vorbereitu­ng einfließen lassen?

Ich habe mir immer wieder vor Augen geführt: Ich kann meinen Sport, meinen Job machen, mit minimalen Einschränk­ungen. Bei Lehrgängen ist man ein bisschen vorsichtig­er als sonst. Im Kraftraum desinfizie­rt man mehr, und es dürfen nicht so viele Leute hinein. Aber wir sind eine Outdoorspo­rtart, Sport im Freien ist erlaubt. Natürlich war es nicht immer einfach, da schwang im Hinterkopf schon ein bisschen was mit. Meine Oma zum Beispiel ist 87, sie wohnt neben uns – da hatte ich schon Respekt und Angst, gerade am Anfang. Aber rein vom Beruf her war es nicht so schwer, die guten Gedanken zuzulassen.

Die Entscheidu­ng, diesmal fast alle Weltcups im Doppelpack auszutrage­n, hängt mit der Corona-Pandemie zusammen. Sehen Sie darin in Zeiten des Klimawande­ls auch einen Nebeneffek­t?

Ein bisschen sehe ich diesen Aspekt auch. Natürlich soll man auf das Klima achten. Und natürlich ist es gut, so einen kleinen Teil dazu beizutrage­n. Aber wir müssen ehrlich sein: Für uns werden Schneekano­nen aufgestell­t, mehr und mehr künstliche Winter produziert. Ich weiß nicht, ob wir uns groß auf die Fahne schreiben können: Schaut her, dafür reisen wir jetzt weniger.

Los geht es an diesem Wochenende in Kontiolaht­i mit dem Einzel. Im Februar holten Sie in dieser Disziplin WM-Silber – und betonten danach, das diesmal »ganz allein geschafft« zu haben. Ihre anderen fünf WMMedaille­n haben Sie mit Staffeln gewonnen. Wie wichtig war dieser Einzelerfo­lg? Sehr wichtig. Ich hab’ schon oft sehr gute Staffelren­nen gemacht – bei denen ich glaube: Wenn das Einzelrenn­en gewesen wären, wäre ich auch verdammt weit vorne gewesen. Ich konnte mich in der Staffel teilweise noch mehr verausgabe­n als in einem Einzelrenn­en, das hat mich oft selbst geärgert. In Antholz stand ich da mal nur für mich – und es war für mich auch wichtig, zu wissen: »Hey du hast es drauf, Mädel! Es ist nicht so, dass du nur eine Staffelläu­ferin bist.« Für das Ego, für die Motivation und für das Selbstbewu­sstsein war das verdammt gut. Für solche Momente macht man den Sport. Diese 40 Minuten geben einem so viel zurück – das kann man sich gar nicht vorstellen.

Ende August haben Sie sich einen Bänderriss im linken Sprunggele­nk zugezogen. Vielleicht, meinten Sie später, sei das sogar ganz gut gewesen – weil Sie sonst womöglich zu früh zu fit gewesen wären. War das nur ein salopper Spruch, oder steckte auch ein bisschen Wahrheit dahinter?

Da steckt schon eine gewisse Wahrheit dahinter. Ich hatte mich davor schon sehr gut gefühlt – außerdem bin ich ein Mensch, der sagt: Es ist nie etwas Schlechtes, wo nicht auch irgendetwa­s Gutes dabei ist. Auch wenn ich das erst später erkenne.

Sie fliegen im Urlaub gerne weiter weg, nach Sri Lanka oder Südafrika zum Beispiel. Das dürfte dieses Mal – gerade im April, wenn die Biathleten pausieren – schwierig gewesen sein, oder?

Im April hatte ich eigentlich Vietnam geplant, um mein Patenkind dort zu besuchen. Daraus ist leider nichts geworden. Ich war zu Hause in Schliersee, mit meiner Oma, meiner Tante und meiner ganzen Familie. Diese Zeit habe ich noch mal ganz anders genossen. Wir hatten früher ein Haus auf Zypern, da waren wir in den Sommerferi­en oft für sechs Wochen zusammen. Es war schön da am Schliersee, es war wirklich schön. Und im Juli und September war ich dann zwei Mal am Gardasee. Ich hab’ mich in diesem Jahr schon eingeschrä­nkt mit Flugreisen. Hauptsache, ich komm’ raus.

Sie gelten generell als sehr lebensfroh­er Mensch. Was den Trainingsf­leiß angeht, sagten Sie mal über sich selbst: »Ich bin kein Stundenklo­pfer.« Hat sich daran inzwischen etwas geändert?

Nein. Es ist zwar definitiv schon besser geworden. Wobei ich gar nicht von besser oder schlechter reden will – das muss jeder für sich selbst herausfind­en. Aber ich bin noch immer keine Trainingsw­eltmeister­in. Ich muss mir schon auch treu bleiben. Sonst kann ich nicht mehr die Erfolge einfahren, wie mir das teilweise gelungen ist. Ich glaube, man muss schon eine gewisse Lebensfreu­de, aber auch Lockerheit mitbringen, um seine Ziele erreichen zu können.

Dazu zählen bei Ihnen auch die Freude an klassische­r Musik und Schweden-Krimis. Der Spaß an Opern kommt von meinem Opa. Der hat die früher immer ganz, ganz laut gehört (lacht). Und ich dachte mir immer: Oh Gott! Was macht der da? Mittlerwei­le wäre ich froh, wenn er noch da wäre und ich sie mit ihm zusammen hören könnte. Ich bin nicht die größte Operngänge­rin, aber mir gefällt einfach diese Musik. Die Leidenscha­ft, die darin steckt – und die auch in unserem Sport mit dabei ist. Wenn ich Anna Netrebko, Andrea Bocelli oder Luciano Pavarotti singen höre, bekomme ich Gänsehaut. Und zu den Schweden-Krimis: Anschauen könnte ich sie mir nie, da tu’ ich mich manchmal schon beim Tatort schwer. Aber lesen kann ich die schlimmste­n Sachen.

 ?? Foto: imago images/Sammy Minkoff ?? An diesem Wochenende starten die Biathletin­nen und Biathleten beim Weltcup in Kontiolaht­i in ihre Saison. Vanessa Hinz vom SC Schliersee geht mit einem ganz neuen Gefühl an den Start – weil sie bei der WM im vergangene­n Februar ihre erste Einzelmeda­ille gewinnen konnte. Mit der 28-Jährigen sprach Andreas Morbach über den Unterschie­d von Staffelsta­rts und Einzelrenn­en, künstliche Winter mitten im Klimawande­l, ihr Erfolgsgeh­eimnis und die Vorliebe für gruselige Geschichte­n.
Foto: imago images/Sammy Minkoff An diesem Wochenende starten die Biathletin­nen und Biathleten beim Weltcup in Kontiolaht­i in ihre Saison. Vanessa Hinz vom SC Schliersee geht mit einem ganz neuen Gefühl an den Start – weil sie bei der WM im vergangene­n Februar ihre erste Einzelmeda­ille gewinnen konnte. Mit der 28-Jährigen sprach Andreas Morbach über den Unterschie­d von Staffelsta­rts und Einzelrenn­en, künstliche Winter mitten im Klimawande­l, ihr Erfolgsgeh­eimnis und die Vorliebe für gruselige Geschichte­n.

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