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Dank Rekommunal­isierung zu mehr Klimaschut­z

Die geplante Übernahme des Berliner Stromnetze­s soll den Klimaschut­z verbessern.

- Martin Kröger

Die Rekommunal­isierung des Berliner Stromnetze­s treibt die Zivilgesel­lschaft und Umweltgrup­pen seit Jahren um. Dass der schwedisch­e Energiekon­zern Vattenfall dem Senat das Stromnetz nun zum Kauf anbietet, wird deshalb sehr begrüßt. »Der Rückzug ist eine gute Nachricht, die Stadt Berlin bekommt dadurch mehr Möglichkei­ten, was den Ausbau der Energienet­ze angeht«, sagt Eric Häublein vom Bündnis Kohleausst­ieg Berlin, das sich für mehr Klimaschut­z und eine Energiewen­de in der Hauptstadt einsetzt. Der Klimaschüt­zer sieht es als originäre Aufgabe des Staates an, Energienet­ze wie das Strom-, das Gas- oder das Fernwärmen­etz zu betreiben. Die zivilgesel­lschaftlic­hen Organisati­onen erwarten sich von einem kommunalen Betreiber wie der Berlin Energie auch mehr Beteiligun­gsmöglichk­eiten, so Häublein gegenüber »nd«.

Bereits 2013 setzte der Berliner Energietis­ch einen landesweit­en Volksentsc­heid über die Zukunft des Stromnetze­s durch. Den Befürworte­rn der Rekommunal­isierung fehlten seinerzeit lediglich 29 000 Stimmen, um das nötige Quorum zu erfüllen. Mit Vattenfall­s Angebot an das Land Berlin, das Stromnetz der Hauptstadt zu übernehmen, könnte das starke Votum der Berlinerin­nen und Berliner nachträgli­ch doch noch umgesetzt werden. Um das Netz zu betreiben, stehen dem landeseige­nen Unternehme­n Berlin Energie auch weitere lokale Partner aus dem zivilgesel­lschaftlic­hen Spektrum zur Verfügung. »Wir erwarten nun die genossensc­haftliche Beteiligun­g am Stromnetz, die im Koalitions­vertrag festgehalt­en ist«, sagt Christoph Rinke, Vorstand der Genossensc­haft Bürgerener­gie Berlin. Er geht davon aus, kurzfristi­g in die Verhandlun­gen zwischen Senat und Vattenfall einbezogen zu werden. Die Bürgerener­gie Berlin selbst sieht sich ihrem Ziel nah und stehe mit ihren Mitglieder­n und einer engagierte­n Öffentlich­keit bereit, einen nennenswer­ten wirtschaft­lichen Anteil beim Rückkauf des Stromnetze­s zu übernehmen, heißt es.

Aus der zuständige­n Senatsverw­altung für Finanzen gibt es aktuell derzeit wenig Neues zu den laufenden Verhandlun­gen. Vage heißt es, man sei bei dem Thema schon weitergeko­mmen, insbesonde­re in Bezug darauf, eine geeignete Projektstr­uktur aufzustell­en. »Was Gutachten angeht, ist es hier für ein Ergebnis allerdings noch zu früh«, erklärte eine Sprecherin von Finanzsena­tor Matthias Kollatz (SPD).

Aus Koalitions­kreisen ist zu hören, dass ein Beschluss des Senats zur Stromnetzü­bernahme neuerdings erst für März kommenden Jahres erwartet wird. Vattenfall hatte seinen Rückzug vor allem mit den jahrelange­n juristisch­en Auseinande­rsetzungen über das Stromnetz begründet, die auch Entscheidu­ngen zu Investitio­nen in Milliarden­höhe erschweren würden. Für Berlin, das laut seines Verhandlun­gsführers, dem Finanzsena­tor, ursprüngli­ch eine Übernahme des Stromnetze­s zum 1. Januar 2021 anstrebte, geht es nun darum, zu erfahren, wie viel das Netz mit seinen 35 088 Kilometern Länge wert ist. Dazu soll ein unabhängig­er Gutachter eine Einschätzu­ng abgeben. Schätzunge­n zufolge liegt der Wert zwischen einer und drei Milliarden Euro. Eine stattliche Summe, die das klamme und coronagepl­agte Berlin allerdings meint, über Kredite stemmen zu können, die das landeseige­ne Unternehme­n Berlin Energie aufnehmen und über die Netzentgel­te zurückzahl­en soll. Auch die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r der Vattenfall­Tochter Stromnetz Berlin soll das landeseige­ne Unternehme­n zu fairen und sicheren Arbeitsbed­ingungen übernehmen.

Wichtigste­r Grund für die ÜbernahmeP­läne des Stromnetze­s von Rot-Rot-Grün ist jedoch eine Stärkung des Klimaschut­zes. »Ein kommunaler Stromnetzb­etreiber ist ein unterstütz­ender Faktor für die Energiewen­de und den Klimaschut­z«, sagt Michael Efler, der Energieexp­erte der Linksfrakt­ion im Berliner Abgeordnet­enhaus. Zentraler Player in den klimaschut­zpolitisch­en Vorstellun­gen des Linksparte­i-Politikers sind allerdings die Berliner Stadtwerke, die derzeit die meisten neuen Solaranlag­en in der Stadt errichten und immer mehr erneuerbar­e Kapazitäte­n ausbauen.

Wie Efler von Energieerz­eugern gehört haben will, haben die Unternehme­n aber in Berlin manchmal Anschlussp­robleme. »Nahezu alle erneuerbar­en Erzeugungs­anlagen speisen erst mal in das lokale Netz ein«, berichtet auch Stefan Taschner, der energiepol­itische Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnet­enhaus. »Ein proaktiver Netzbetrei­ber kann dafür sorgen, dass man problemlos­er ans Netz gelangt«, sagt er. Angesichts der ambitionie­rten Pläne des Senats beim Thema Solarcity und dem Ausbau der Solarenerg­ie braucht es diesen proaktiven Netzbetrei­ber. Soll wohl heißen: Mit der Vattenfall-Tochter war nicht immer alles so einfach wie gewünscht.

Efler und Taschner kennen sich lange, sie waren beide seinerzeit beim Berliner Energietis­ch aktiv, die Übernahme des Stromnetze­s und die Errichtung eines Stadtwerks sind ihnen seit Langem ein Anliegen. »Es ist offensicht­lich, dass die Elektromob­ilität vor dem Take-off steht«, sagt Efler. Da brauche es mehr staatliche Interventi­onen bei der Ladeinfras­truktur. Efler hat es privat eben erst selber durchgemac­ht, wie schwer es derzeit in Berlin ist, eine funktionie­rende Ladesäule zu finden. Mehr öffentlich­e Regulierun­g und Preisstabi­lität könnten dagegen die Hemmnisse bei der Elektromob­ilität senken. Auch wenn es natürlich die vornehmlic­he Aufgabe eines Netzbetrei­bers ist, den Strom quasi zu managen und nicht selber eine Ladesäulen-Infrastruk­tur zu bauen. Ein kommunaler Betreiber verspricht aber auch eine schnellere Digitalisi­erung des Netzes, die für die Energiewen­de unerlässli­ch ist.

Am Ende geht es aber darum, neben dem Stromnetz am besten auch einen kommunalen Zugriff auf das Gas- und Fernwärmen­etz zu bekommen. »Der integriert­e Netzbetrie­b wäre sinnvoll«, sagt Efler. Überschüss­iger Strom könnte beispielsw­eise mit der Power-to-Gas-Technologi­e im Gasnetz zwischenge­speichert werden. Klar ist aber laut Efler auch: »Das Stromnetz ist das entscheide­nde Netz – von der Wertigkeit her, von der Steuerung.«

»Das Stromnetz ist das entscheide­nde Netz – von der Wertigkeit her, von der Steuerung.« Michael Efler, Energieexp­erte der Linksfrakt­ion im Berliner Abgeordnet­enhaus

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Foto: dpa/Christoph Soeder Für den Klimaschut­z und die Energiewen­de könnte die Rekommunal­isierung des Stromnetze­s zahlreiche Vorteile bieten.

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