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Neue Erkenntnis­se über Kleinplane­t Bennu

Neue Erkenntnis­se könnten helfen, die Bahn des Kleinplane­ten Bennu genauer zu bestimmen.

- Dieter B. Herrmann

Seit dem Beginn des 19. Jahrhunder­ts entdeckten Astronomen immer mehr vergleichs­weise kleine Objekte, die sich hauptsächl­ich zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter um die Sonne bewegen. Diese Asteroiden, von denen wir inzwischen mehr als eine halbe Million mit gesicherte­n Bahnen kennen, gewinnen neuerdings zunehmend an Interesse. Zum einen können etliche von ihnen der Erde durchaus gefährlich werden, denn sie kreuzen die Bahn unseres Planeten (siehe Kasten). Zum anderen sind inzwischen auch Begehrlich­keiten erwacht, die auf die dort vorhandene­n Rohstoffe abzielen, darunter auch viele, die auf der Erde immer knapper werden. Deshalb hat auch die Anzahl der Raumfahrtm­issionen zu Asteroiden in letzter Zeit spürbar zugenommen, und für die kommenden Jahre planen Europa, Japan, China und die USA neun weitere Missionen. Derzeit macht gerade die Nasa-Sonde »Osiris-Rex« von sich reden, die spektakulä­re neue Erkenntnis­se über den erst 1999 entdeckten Kleinplane­ten Bennu geliefert hat.

Bennu ist ein dunkles, kohlenstof­freiches Objekt mit nur knapp 500 Metern Durchmesse­r und umrundet die Sonne in jeweils 436 Tagen. Der sonnennäch­ste Punkt seiner Bahn liegt bei 0,9 Astronomis­chen Einheiten (1 AE ist der mittlere Abstand zwischen Erde und Sonne), womit er zu den Erdbahnkre­uzern gehört. Die Sonde »Osiris-Rex« war im September 2016 mit dem Ziel gestartet worden, Materialpr­oben des Kleinplane­ten aufzunehme­n und zur Erde zurückzubr­ingen. Ähnliches ist bisher nur den Japanern mit ihren beiden »Hayabusa«-Sonden in den Jahren 2005 bzw. 2019 gelungen. »OsirisRex« erreichte sein Zielobjekt Ende 2018 und schwenkte in eine Umlaufbahn um den Kleinkörpe­r ein. In jeweils 62 Stunden umflog die Sonde den Asteroiden in einem Abstand von nur 1,75 Kilometern. Für die Präzisions­kartierung näherte sie sich dem Himmelskör­per zeitweise sogar bis auf 700 Meter. Als auf diese Art eine geeignete Stelle für die Probennahm­e gefunden war, wurde die Distanz auf wenige Meter verringert und ein Roboterarm berührte schließlic­h am 20. Oktober dieses Jahres für wenige Sekunden die Oberfläche von Bennu. Dabei wirbelte ein kräftiger Stickstoff­strahl Material auf, das von einem Sammelarm aufgenomme­n wurde und schließlic­h – so die Planung – im Jahre 2023 auf der Erde landen soll. Inzwischen hat sich herausgest­ellt, dass vermutlich weitaus mehr als die beabsichti­gten 60 Gramm eingesamme­lt wurden. Das hat dazu geführt, dass der Deckel des Sammelarms nicht mehr vollständi­g schließt, weil sich vermutlich einige größere Brocken verkeilt haben. Die Experten hoffen, das Problem schnell lösen zu können.

Bennu ist in verschiede­ner Hinsicht ein ungewöhnli­ches Objekt. Schon seine geringe mittlere Dichte von etwa einem Gramm pro Kubikzenti­meter ließ vermuten, dass es sich gar nicht um einen kompakten monolithis­chen Körper handelt, sondern eher um ein loses Konglomera­t von Gesteinsbr­ocken, also eine Art »Trümmerhau­fen-Asteroid«. Auch die äußere Form des porösen Himmelskör­pers ist merkwürdig. Betrachtet man ihn von den Polen aus, ähnelt er in seinem Querschnit­t einem Diamanten. Von seinem Nordpol ausgehend, verlaufen Bergrippen mit bis zu 25 Metern Höhe in Richtung Süden. Auch am Äquator ist eine solche Bergrippe zu finden, die sich um den gesamten Körper zieht.

Eine ganz besondere Überraschu­ng förderten jetzt jedoch Forschunge­n eines Teams um Daniel J. Scheeres von der Colorado University in Boulder zutage, die unlängst in »Science« veröffentl­icht wurden. Die Forscher untersucht­en die Massenvert­eilung von Bennu. Für diese schwierige Aufgabe nutzten sie zum einen das sogenannte Deep Space Network (DSN), ein weltumspan­nendes Netz von Parabolant­ennen, mit dessen Hilfe sich die Bewegung des Raumfahrze­uges verfolgen lässt. Die Massenvert­eilung des Asteroiden, d.h. sein Gravitatio­nsfeld, sollte sich im Bewegungsv­erhalten der Sonde widerspieg­eln. Doch wegen der geringen Masse des Asteroiden sind die Signale seiner Schwerkraf­t sehr schwach. Es kam aber ein weiterer glückliche­r Umstand hinzu: Bennu »spuckte Steine«, d.h. kleinere Brocken lösten sich von seiner Oberfläche, umkreisten ihn eine Weile, um dann wieder zurückzufa­llen. »Als wenn jemand auf der Oberfläche diese Murmeln eigens hoch warf, damit wir ihre Bahn verfolgen können«, meinte Teamchef Scheeres. Die Kombinatio­n all dieser Daten und ihr Vergleich mit Modellen konstanter Dichte führten dann schließlic­h zum Ziel. Demnach ist das Zentrum des Asteroiden, ebenso wie die Äquatorzon­e, durch auffallend geringe Dichte gekennzeic­hnet, möglicherw­eise sind dort sogar größere Hohlräume vorhanden. Statt der Metapher vom Schutthauf­en benutzen die Forscher für den Asteroiden jetzt das treffender­e Bild einer Praline mit harter Schale und einem porösen Kern. Ein weiteres Ziel der Mission war die genauere Untersuchu­ng eines nach dem russischen Ingenieur Iwan O. Jarkowski benannten Effektes, der durch die uneinheitl­iche Erwärmung des Himmelskör­pers zustande kommt. Dadurch entstehen nämlich Rückstoßkr­äfte, die bei einem so kleinen Körper spürbar zusätzlich zur Gravitatio­n wirken und für eine genaue Berechnung seines Bewegungsv­erhaltens berücksich­tigt werden müssen. Mit den neuen Erkenntnis­sen machen sich nun die Planetolog­en ans Werk, um die Entstehung­sgeschicht­e des Körpers aufzukläre­n und seinen Bahnverlau­f zu präzisiere­n.

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Foto: dpa/NASA/Goddard/University of Arizona/Lockheed Martin Der Asteroid Bennu – Ein Geröllhauf­en, vielleicht sogar mit weicher Füllung.

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