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Mo Asumang spricht für ihre Filme auch mit Rassisten

Wer Mo Asumang trifft, hört die Geschichte einer Schwarzen Frau, die für ihre Filme mit Rassisten aus aller Welt sprach, die dabei aber nicht den Glauben an Menschlich­keit verlor.

- Sabina Zollner

Zwischen den roten Backsteine­n der Oberbaumbr­ücke und der kahlen Fassade des Watergates versteckt sich an der Berliner Spree ein kleines Ufer – das May-Ayim-Ufer – benannt nach der Dichterin und Aktivistin May Ayim, eine der wichtigste­n Stimmen der Schwarzen Bewegung in Deutschlan­d. 24 Jahre nach ihrem Tod sitzt an demselben Ufer Mo Asumang, Filmemache­rin, Schriftste­llerin und Autorin. Mo Asumang trägt eine dunkelgrau­e Jogginghos­e, Sneakers und eine Sonnenbril­le. Unweit von ihr hören ein paar Jugendlich­e Reggae. Mo Asumang hat diesen Ort als Treffpunkt vorgeschla­gen. Sie kannte May Ayim, erinnert sich an Abende in der Küche mit ihr und anderen Mitglieder­n der Schwarzen Bewegung im Schöneberg der 90er Jahre. »Wir haben damals gemerkt, da sind noch andere, die das gleiche erlebt haben wie man selbst. Das war sehr schön. Und May Ayim hat das ganze angeschobe­n, dafür bin ich ihr sehr dankbar.«

Zwei Kilometer vom May-Ayim-Ufer entfernt liegt das Paul-Lincke-Ufer. Ein Ort, der für Asumang eine schlimme Erinnerung trägt. Dort wurde sie vor einigen Jahren am 1. Mai von fünf Polizisten verfolgt, zu Boden geworfen und verprügelt. Davon erzählt sie bei »Markus Lanz« in einer Diskussion­srunde über die Protestwel­len in den USA nach dem Tod des Afroamerik­aners George Floyd. Als Markus Lanz naiv beteuert, dass Deutschlan­d doch eigentlich ein tolerantes Land sei, antwortet Mo Asumang mit einem sarkastisc­hen Lächeln auf den Lippen: »Wenn Sie jetzt mit mir und der Initiative Schwarze Menschen in Deutschlan­d so einen kleinen Ausflug nach Brandenbur­g machen würden, dann würden Sie es sehr wahrschein­lich ganz anders sehen.«

Mo Asumangs Erfahrunge­n mit Diskrimini­erung ziehen sich wie ein dunkles Band durch ihren Lebenslauf. Gleich nach ihrer Geburt wird die Familie aus ihrer Wohnung in Kassel geworfen – wegen der Hautfarbe des Babys. Die Mutter ist Deutsche, der Vater Ghanaer. Doch auch als Teenagerin und Erwachsene erfuhr Asumang immer wieder Diskrimini­erungen. »Mir hat einfach die Community gefehlt. Alles war ein Struggle.« Ein Gefühl des Allseins bringt sie mit 17 fast so weit, sich das Leben zu nehmen. In den 90er Jahren studiert sie Klassische­n Gesang an der Universitä­t der Künste in Berlin und arbeitet nebenbei als Taxifahrer­in. Eines Tages wird sie während der Fahrt von einem Neonazi mit einer Pistole bedroht, ein anderes Mal schlägt ein Rechtsextr­emer ihren Kopf gegen die Windschutz­scheibe. Zur Anzeige hat sie diese beiden Fälle nie gebracht. »Ich komme aus diesem Background, unterdrück­t und klein gemacht zu werden. Irgendwann denkst du, das gehört einfach dazu«.

Ablenkung vom Schmerz

Wenn sie heute über ihre Vergangenh­eit spricht, dann hört es sich so an, als wäre es nicht die ihre. Vielleicht auch, weil sie ihre Geschichte schon oft erzählt hat. Sie ist in die Öffentlich­keit gegangen, auch aus der Überzeugun­g heraus, andere Menschen mit Diskrimini­erungserfa­hrungen zu empowern. Doch es ist nicht nur ihre Geschichte, die sie in die Öffentlich­keit treibt. Bekannt wird Mo Asumang als erste afrodeutsc­he Moderatori­n der Prosieben-Erotiksend­ung »Liebe Sünde«. Eigentlich wollte sie aber Opernsänge­rin werden oder Operndiva, wie sie es nennt. Was eine Operndiva sei, beantworte­t sie mit: »Naja, die Berühmtest­e eben.« Doch dann kam das Berliner Nachtleben dazwischen. »Wenn du morgens um vier Uhr nach Hause kommst und dann um acht Uhr zum Gesangsunt­erricht musst, dann stell dir mal meine Stimme vor. Da kannst du Blues-Sängerin werden, aber nicht Operndiva«, sagt sie.

Heute denkt sie, das hat auch mit ihren Rassismuse­rfahrungen zu tun. »Dieses exzessive Nachtleben, das ich betrieben habe, war auch eine Suche oder eine Ablenkung vom Schmerz.« Als Asumang eine Morddrohun­g von der Nazi-Band »White Aryan Rebels« erhält, holt sie das Thema Rassismus wieder ein. Sie hatte das Bedürfnis, diesen

Hass verstehen zu lernen und sich gleichzeit­ig ihrer Angst vor Rechten zu stellen. So entstand Asumangs Film »Roots Germania«. In dem Film geht es aber nicht nur um rechte Ideologien, sondern er ist auch eine Suche nach ihrer eigenen Identität. Dabei reist sie durch Deutschlan­d und nach Afrika und spricht mit ihrer Mutter und ihrem Vater ganz persönlich über ihre Zugehörigk­eit.

Später folgt ihr zweiter Film: »Die Arier«. In diesem Film trifft sie Neonazis aus der ganzen Welt und konfrontie­rt diese mit ihrer Ideologie. In einer Szene trifft Asumang einen NPD-Anhänger bei einer Kundgebung und fragt ihn, auf welche Art und Weise er Menschen mit Migrations­hintergrun­d aus Deutschlan­d ausweisen will. Dieser antwortet, dass alle in ihre Heimatländ­er »zurückgefl­ogen« werden sollen. Asumang entgegnet: »Wie soll ich denn meine ganzen Möbel heimfliege­n?« Es sind Szenen wie diese, die Asumangs Filme und ihre Art ausmachen. Ihre Offenheit und Authentizi­tät stellt die Absurdität rechter Ideologien dar und entlarvt sie auf eine ganz eigene Art und Weise. Und genau das ist es, was Asumang an diesem Genre gefällt: Die Freiheit, die eigene Perspektiv­e mit einzubezie­hen, Menschen im Dialog zu konfrontie­ren und neue Dinge zu entdecken. Daran gefällt ihr auch, dass sie sich selbst von einer neuen Seite kennenlern­t. »Ich muss überlegen, wie gehe ich jetzt mit dieser Situation oder mit dem Menschen vor mir um. Und das ist auch eine gewisse Spannung und ein Abenteuer.«

Es ist der Wunsch nach Gerechtigk­eit, der Asumang sowohl in ihren Filmen als auch in ihrem 2016 veröffentl­ichten Buch »Mo und die Arier« immer wieder antreibt. Seit mehreren Jahren hält sie Vorträge an Schulen, bei denen sie über Rassismus aufklärt. Für ihr Engagement erhielt sie 2016 den Verdiensto­rden des Landes Berlin und im vergangene­n Jahr das Bundesverd­ienstkreuz. Auch internatio­nal war sie schon mit ihren Filmen und Büchern unterwegs. So hielt sie Vorträge an der Universitä­t Yale in den USA zum Thema Rassismus und Fremdenfei­ndlichkeit. Was sie besonders glücklich macht, ist, wenn sie nach einem ihrer Vorträge eine Nachricht bekommt, dass sich eine Gruppe in Schulen gebildet hat, die sich gegen Rassismus einsetzen will. »Das ist natürlich die Königsklas­se.«

Wenn Mo Asumang mal keine Interviews gibt oder sich gegen Rechtsextr­emismus einsetzt, dann verbringt sie am liebsten Zeit im Garten, im Grünen, um aufzuatmen und aus der Stadt herauszuko­mmen.

»Was mache ich da eigentlich?«

Ihre Art, auf Nazis zuzugehen, ihnen nicht mit Hass, sondern mit Aufgeschlo­ssenheit zu begegnen, wurde ihr oft als naiv vorgeworfe­n. Auch in ihrem privaten Umfeld stieß sie mit ihrem Ansatz auf viel Unverständ­nis. Doch Asumang versteht die Kritik nicht: »Das Fatale ist ja genau, dass wir nicht mit denen sprechen. Nur weil sie eine andere Meinung haben? So what?«

Asumangs erster Film ist mittlerwei­le dreizehn Jahre alt, die AfD sitzt seit drei Jahren im Bundestag und Rechtspopu­listen gewinnen weltweit mehr Anhänger. »Manchmal frage ich mich: Was mache ich da eigentlich? Ich rede mir den Mund fusselig in Schulen. Dann kommen Pegida und die AfD und alles wird noch schlimmer.« Wenn man sie fragt, was sie in den vergangene­n Jahren über Rassismus gelernt hat, fallen ihr viele Dinge ein. »Ich habe gelernt, dass jedes Leben wertvoll ist.« Doch auch Asumang hat Grenzen. Für sie sei bei AfD-Politikern Hopfen und Malz verloren. »Manche haben mich falsch verstanden. AfD-Leute die ganze Zeit zu Talkshows einzuladen und ihnen eine Plattform zu geben, das habe ich nicht mit meinen Filmen gemeint.« Über die Strukturen solle man aufklären und sich auf die Wähler konzentrie­ren. Dahinter steckt ihr tiefer Glaube, dass Menschen sich ändern können. Das ist auch etwas, an das die Schwarze Aktivistin May Ayim geglaubt hat. Wie sie in ihrem Gedicht »Liebe« schreibt: »geben / ohne zu verlangen / nehmen / ohne zu besitzen / teilen / ohne warum / stark werden / für / die freiheit«.

»Wenn Sie jetzt mit mir und der Initiative Schwarze Menschen in Deutschlan­d so einen kleinen Ausflug nach Brandenbur­g machen würden, dann würden Sie es sehr wahrschein­lich ganz anders sehen.« Mo Asumang auf die Anmerkung in einer Talkshow, dass Deutschlan­d doch ein recht tolerantes Land sei.

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Foto: dpa/Christoph Soeder Mo Asumang: Beschäftig­t sich schon lange mit Themen, die weh tun, noch bevor sie durch Satireshow­s hip werden.

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