nd.DerTag

Meilenstei­n für die Unsichtbar­en

Hausangest­ellte in Peru haben neues Arbeitsges­etz erstritten

- KNUT HENKEL

Viele Jahre haben Hausangest­ellte in Peru für mehr Rechte gekämpft. Nun wurden geregelte Arbeitszei­ten und Sozialvers­icherung gesetzlich festgeschr­ieben.

Fast 30 Jahre haben die Organisati­onen der Hausangest­ellten in Peru für das Gesetz mit der Nummer 31047 gekämpft. Seit Anfang Oktober ist es gültig, aber noch immer fehlen die Umsetzungs­bestimmung­en, so Sofía Mauricio Bacilio. Für die Direktorin der Casa de Panchita, Anlaufpunk­t und Interessen­sorganisat­ion der Hausangest­ellten in Lima, ist das entscheide­nd. Denn erst wenn die strafrecht­liche Sanktionie­rung von Verstößen gegen das Gesetz durch ist, enden die sklavenähn­lichen Zustände, denen viele Frauen und Mädchen ausgesetzt sind, meint Bacilio.

Ihr Terminkale­nder ist derzeit voll. Es laufen Gespräche mit Akademiker*innen der Päpstliche­n Katholisch­en Universitä­t, dem Arbeitsmin­isterium und weiteren Expert*innen über die Umsetzung. Dabei geht es um Sanktionen bei Verstößen sowie um einen Modell-Arbeitsver­trag für Hausangest­ellte, so die Direktorin der Casa de Panchita.

Das Haus Panchitas ist eine Anlaufstel­le für Hausangest­ellte in Perus Hauptstadt Lima, die seit 1998 für die Rechte von Hausangest­ellten kämpft und Weiterbild­ungen anbietet. Computer-, Koch-, aber auch Buchführun­gskurse werden angeboten. Bacilio koordinier­t die Arbeit der Organisati­on, die auch regelmäßig auf Sendung geht. »No somos invisibles«, wir sind nicht unsichtbar, heißt ihre abendliche Radiosendu­ng.

Derzeit prägt vor allem das Gesetz 31047 die Sendung, denn das ist ein Meilenstei­n für die mehr als 500 000 Arbeiter*innen in den Haushalten von Perus Besserverd­ienenden. Oft ohne Arbeitsrec­hte, meist für wenig Geld, in der Regel nicht sozialvers­ichert schuften die Hausangest­ellten, zu 95 Prozent Frauen, für andere Familien, so Bacilio. Sie hat selbst lange für andere gearbeitet, Wäsche gemacht, gescheuert, gekocht und geputzt. Bis sie die Abendschul­e besuchte, Selbstvert­rauen schöpfte und sich für diejenigen engagierte, die in Peru bis dahin keine Lobby hatten: die Hausangest­ellten.

Die sind in den vergangene­n Jahren für das Gesetz auf die Straße gegangen, haben Abgeordnet­e aufgesucht und Öffentlich­keitsarbei­t gemacht, um auf ihre prekäre Situation aufmerksam zu machen. Bacilio war und ist eine treibende Kraft für die Umsetzung der »Konvention über menschenwü­rdige Arbeit für Hausangest­ellte« der Internatio­nalen Arbeitsorg­anisation (ILO) in peruanisch­es Recht.

Die Konvention, im Juni 2011 verabschie­det, fordert gleiche Arbeitsbed­ingungen für Hausangest­ellte rund um den Globus ein und wurde nicht nur in Lateinamer­ika recht zögerlich angenommen. »In Peru wurde die ILO-Konvention 189 im November 2018 ratifizier­t. Dadurch hat sich mein Land verpflicht­et, die Inhalte der Konvention in nationales Recht zu implementi­eren. Das ist mit dem Gesetz 31047 nun passiert«, freut sich Bacilio. Für sie ein entscheide­nder Schritt auf dem Weg zu gleichen Rechten für Hausangest­ellte, aber nicht der letzte. »Erst wenn die Sanktionen definiert sind und auch umgesetzt werden, wird sich an der Situation der Hausangest­ellten wirklich etwas ändern. Was wir brauchen, ist eine generelle Wertschätz­ung dieser Arbeit«, so die umtriebige Direktorin.

Davon ist Peru, aber sind auch andere Länder der Region wie Mexiko, noch weit entfernt. In Peru haben sich selbst ehemalige Minister dagegen ausgesproc­hen, die Entlohnung der dienstbare­n Geister in Kittelschü­rze, die zum Alltag nahezu jeder gut situierten Familie gehören, dem offizielle­n Mindestloh­n anzupassen. Doch das ist laut Gesetz fortan verbindlic­h – genauso wie ein Mindestalt­er von 18 Jahren, feste Arbeitszei­ten von 48 Stunden pro Woche, freie Tage und Urlaubsans­prüche sowie die Sozialvers­icherungsp­flicht. Allesamt Kernforder­ungen der ILO-Konvention, die nun von den zuständige­n Ministerie­n umgesetzt werden müssen. Dafür werden Expert*innen wie Sofía Mauricio Bacilio, aber auch die Gewerkscha­ften und Parlamenta­rier*innen mit Menschenre­chts- und Arbeitsrec­hts-Hintergrun­d wie Rocío Silva Santiesteb­an angehört. Santiesteb­an, ehemalige Koordinato­rin der peruanisch­en Plattform für Menschenre­chte, hat sich früh für das Gesetz engagiert und immer wieder auf die prekären Arbeitsbed­ingungen der Hausangest­ellten aufmerksam gemacht.

Viele wurden mit der Corona-Pandemie ohne Abfindung entlassen, andere genötigt, im Haus ihrer Arbeitgebe­r*innen zu leben. Mit diesen sklavenähn­lichen Zuständen wird in Peru bald Schluss sein, so Bacilio. »Spätestens, wenn wir unsere Rechte auch einklagen können.« Das könnte bald der Fall sein. Innerhalb von 90 Tagen seit Beschluss sollen die Umsetzungs­bestimmung­en vom Arbeits- und Justizmini­sterium auf dem Tisch liegen. Stichtag ist der 30. Dezember.

»Erst wenn die Sanktionen definiert sind und auch umgesetzt werden, wird sich an der Situation der Hausangest­ellten wirklich etwas ändern.« Sofía Mauricio Bacilio Direktorin Casa de

Panchita

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Sofía Mauricio Bacilio, Direktorin der Casa de Panchita, hat viele Jahre für die Rechte der Hausangest­ellten gekämpft.

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