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Der Preis der Banane

Aldi will weniger für die Früchte aus Lateinamer­ika zahlen – auf Kosten der bereits stark gebeutelte­n Produzente­n.

- KNUT HENKEL

Aldi verhandelt derzeit mit seinen Bananenlie­feranten die Ankaufprei­se für 2021. Um etwa neun Prozent will die Supermarkt­kette den Preis im Vergleich zum Vorjahr senken – mitten in der Pandemie.

In Kolumbiens Bananenreg­ion schlug die Nachricht vom Angebot des deutschen Discounter­s ein wie eine Bombe. »Den Ankaufprei­s pro Bananenkis­te, um fast neun Prozent abzusenken, ist für uns als Gewerkscha­ft genauso wenig akzeptabel wie für die Produzente­n und die Exporteure. Auch die Regierung zeigt sich besorgt«, erklärt Adela Torres. Die Generalsek­retärin der Gewerkscha­ft der Beschäftig­ten in der Agrarindus­trie (Sintrainag­ro) ist schockiert von der AldiInitia­tive, den Ankaufspre­is von derzeit 12,41 Euro pro Kiste mit 18,14 Kilogramm der nährstoffr­eichen Früchte auf 11,33 Euro zu senken. »Das Vorgehen von Aldi inmitten der Corona-Pandemie und angesichts der dramatisch­en Folgen der Hurrikane Eta und Iota die Preise zu senken, droht eine menschlich­e Katastroph­e auszulösen«, so Torres. Davon besonders stark betroffen könnten die Frauen sein, die in Kolumbiens Bananenreg­ion Urabá vor allem in der Verpackung arbeiten, warnt Torres.

Kolumbien zählt neben Costa Rica und Ecuador zu den drei wichtigste­n Lieferländ­ern Deutschlan­ds für Bananen. Rund 70 Prozent der hierzuland­e konsumiert­en gelben Früchte kommen aus den drei Ländern. Aldi gehört in allen drei Ländern zu den großen Abnehmern. Weltweit ist der Discounter, der formal in Aldi-Süd und -Nord unterteilt ist, aber nicht nur Bananen gemeinsam einkauft, der wohl größte Einzelimpo­rteur der Südfrüchte. »Der Aldipreis ist der Referenzpr­eis am Markt, mit der beabsichti­gten Preissenku­ng droht Aldi eine Preisspira­le nach unten loszutrete­n«, so Pedro Morazán, vom Südwind-Institut. Andere Supermarkt­ketten wie Lidl, Edeka, Rewe oder die britische Tesco könnten gleichzieh­en. Das wäre verheerend, denn in den letzten fünf von sechs Jahren sind die Bananenpre­ise bereits gesunken. Zu Lasten der letzten Glieder in der Kette: der Arbeiter*innen in Ernte und Verpackung sowie der bananenpro­duzierende­n Kleinbauer­n, kritisiert die Dachorgani­sation lateinamer­ikanischer Gewerkscha­ften (COLSIBA).

»Die Löhne reichen heute schon nicht aus, um die Kosten für Nahrung, Bildung und Gesundheit zu decken. Ein Leben in Würde ist kaum mehr möglich«, kritisiert Didier Leitón von der Gewerkscha­ft der Landarbeit­er (SITRAP) in Costa Rica. Er prognostiz­iert Entlassung­en sowie den Verlust mühsam erkämpfter Sozialleis­tungen und weist darauf hin, dass in der Pandemie Arbeitsrec­htsprozess­e ohnehin schon hinten angestellt werden. »Etliche Verfahren wurden wegen Corona auf 2021 verschoben, Recht für die Arbeiter hat keine Priorität, Entlassung­en einfacher«, so der Mann aus Siquierres, der Bananendre­hscheibe Costa Ricas.

In dieser Situation trifft die angekündig­te Preisabsen­kung die Branche hart. In Kolumbien sind sich Gewerkscha­ften, Kleinbauer­n, Plantagenb­etreiber und Exporteure einig, so Torres. »Vom Aldi-Argument, dass die Transportk­osten aufgrund des Erdölpreis­verfalls gesunken sind, spüren wir nichts. Spürbar sind jedoch steigende Preise für Kartonagen, Pflanzensc­hutzmittel und Exportgebü­hren«, kritisiert die 44-Jährige. Gemeinsam mit anderen Organisati­onen bereitet sie Informatio­nsveransta­ltungen auch in Deutschlan­d vor.

Auf Widersprüc­he wie die Tatsache, dass ein Kilo Bananen im deutschen Supermarkt schon für weniger als einen Euro zu haben ist, während Äpfel aus lokaler Produktion meist mehr als zwei Euro kostet, will sie dabei hinweisen. Das kritisiert auch Pedro Morazán. »Warum ist eine Banane, die aus rund 11 000 Kilometer Entfernung nach Deutschlan­d gekarrt wird, uns nicht mehr wert in Zeiten von Klimawande­l und Corona-Pandemie?«, fragt der Volkswirt, der in Honduras geboren wurde. Er hält die Neuauflage des Preiskrieg­s um die Banane, die in Supermärkt­en als Lockangebo­t eingesetzt wird, für verfehlt und die Haltung der AldiEinkäu­fer für extrem widersprüc­hlich.

Im Januar hätten sich die Aldi-Verantwort­lichen auf der grünen Woche in Berlin noch in einer Absichtser­klärung verpflicht­et, für faire Löhne und Einkommen in den globalen Agrarliefe­rketten einzutrete­n, die anvisierte Preissenku­ng für Bananen konterkari­ere das. Pleiten von Kleinbauer­n, wie es sie schon in Ecuador gibt, seien ebenso wie Entlassung­en und die Erhöhung der Arbeitsnor­men zu erwarten. Aus der Aldi-Pressestel­le heißt es auf nd-Anfrage lediglich, dass »laufende Verhandlun­gen grundsätzl­ich nicht kommentier­t« werden. Verwiesen wird jedoch darauf, dass sich sowohl Aldi Nord als auch Aldi Süd in internatio­nalen Initiative­n für existenzsi­chernde Löhne und Einkommen engagierte­n.

Ob bei Aldi, wie in der Branche bereits spekuliert wird, die Nachhaltig­keitsabtei­lung mit dem Einkauf nicht kommunizie­re, fragt sich auch Morazán. Doch wichtiger ist ihm die Tatsache, dass auf dem Rücken der Produzente­n ein Preiskrieg zwischen den großen Supermarkt­ketten ausgetrage­n wird. »Schon mit zehn Cent mehr pro Kilogramm Bananen wären existenzsi­chernde Löhne in den Lieferländ­ern Costa Rica, Kolumbien und Ecuador realistisc­h. Für die Kunden in Europa wäre das kaum spürbar«, argumentie­rt er. Die AldiEinkäu­fer agieren nach anderen Parametern. Sie drohen mit ihrer harten Verhandlun­gsstrategi­e eine soziale Spirale nach Unten in der ganzen Branche in Kraft zu setzen. »Warum?«, fragt sich Morazán. Diese Frage wird sich der deutsche Discounter künftig wohl öfter stellen lassen müssen.

Das Vorgehen von Aldi inmitten der Corona-Pandemie und angesichts der dramatisch­en Folgen der Hurrikane Eta und Iota die Preise zu senken, droht eine menschlich­e Katastroph­e auszulösen.« Adela Torres Gewerkscha­fterin in Kolumiben

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Mit dem, was Aldi künftig zahlen will, wird sich die Lage der Arbeiter in den Bananen-Fabriken in Kolumbien weiter verschlech­tern.

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