nd.DerTag

Die Sprache der Krise

- Wolfgang Hübner über die Wörter des Jahres

Wenn Ihnen in der Corona-Pandemie jemand mit Verschwöru­ngserzählu­ngen kommt, antworten Sie mit der Einhaltung der AHA-Regeln, damit es nicht zum verschärft­en Lockdown kommt, in dem es zwar die Triage, aber nicht einmal Geisterspi­ele gibt, und verabschie­den sich mit dem systemrele­vanten Gruß »Bleiben Sie gesund!«. Zugegeben, dieser Satz ist ziemlich konstruier­t, aber er enthält acht Begriffe, die es unter die Top Ten bei der Suche nach dem Wort des Jahres geschafft haben. Kaum einmal hat ein Thema die Auswahl der Gesellscha­ft für deutsche Sprache so dominiert.

Corona steht für eine tiefgreife­nde Krise, und das Virus hat mit der Welt auch die Sprache verändert. Viele weitere Wörter machen das im täglichen Sprachgebr­auch deutlich. Zum Beispiel: Intensivbe­tten. Die rücken wieder stärker in den Blickpunkt, seit zuletzt die Anzahl der schweren Covid19-Fälle drastisch zugenommen hat. Und die Spitze dürfte erst noch bevorstehe­n – verzögert nach dem Höhepunkt der zweiten Infektions­welle.

Während auf politische­r Ebene darüber gestritten wird, wie unter Pandemie-Bedingunge­n das emotionsbe­ladene Weihnachts­fest gerettet werden kann, haben die Krankenhäu­ser ganz andere Probleme. Das medizinisc­he Personal weiß schon jetzt, dass ein völlig unbesinnli­cher, von Vollstress geprägter Advent bevorsteht. Aus dieser Krisenlage hat die Politik zu lernen, was die Ausstattun­g des Gesundheit­swesens betrifft. Und jener Teil der Bevölkerun­g, der es für eine demokratis­che Heldentat hält, sich der Krisenpräv­ention zu verweigern, sollte wenigstens im Advent kurz innehalten und sich fragen, wie weit der Egoismus eigentlich reichen darf.

Gibt es da keine flächendec­kende Einsicht, dann kann es gut sein, dass die Sprachjury auch im nächsten Jahr vor allem ein Thema hat.

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