nd.DerTag

Eine seltsame Vorstellun­g von Datenschut­z

Die Polizei hat offenbar ungeschwär­zt Daten von Antifaschi­sten an Coronaleug­ner weitergege­ben

- RAINER RUTZ

Ein Anwalt der »Querdenker« behauptet, in Akten der Berliner Polizei personenbe­zogene Daten von Gegnern der Bewegung eingesehen zu haben. Die Anmelder der Gegendemon­strationen sind entsetzt.

Die Berliner Polizei hat offenbar personenbe­zogene Daten von Gegnern der sogenannte­n Querdenker über das Berliner Verwaltung­sgericht an einen Rechtsanwa­lt der Coronaleug­ner weitergege­ben – und dies gänzlich ungeschwär­zt. Das geht aus einer Antwort der Senatsinne­nverwaltun­g auf eine Schriftlic­he Anfrage der Berliner Linke-Abgeordnet­en Anne Helm und Niklas Schrader hervor.

Konkret handelt es sich bei den weitergege­benen Daten um die Namen und Vorstrafen der Anmelderin­nen und Anmelder der Proteste gegen den »Tag der Freiheit« genannten Aufmarsch von Coronaleug­nern am 1. August in Berlin. Ende Oktober hatte sich »Querdenken«-Anwalt Ralf Ludwig öffentlich damit gebrüstet, unter anderem »Einblick in deren polizeilic­he Führungsze­ugnisse« erhalten zu haben. Ob »Gewalttate­n, Raub, Betäubungs­mitteldeli­kte«: Das hätte er »alles schön einsehen« können, so Ralf Ludwig.

Dass der Anwalt dabei ausgerechn­et das Bündnis »Omas gegen Rechts« nannte, sorgt bei der hiermit direkt angesproch­enen Anmelderin für Empörung. »Als stünde in meiner Vita irgendetwa­s Strafbeweh­rtes!«, sagt die Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Ebenso entsetzt ist sie aber über den Umgang mit sensiblen Daten seitens der Polizei. »Das Unglaublic­he ist ja, dass die Polizei mich kurz zuvor noch gewarnt hatte, ich möge wegen möglicher Feindeslis­ten vorsichtig sein mit der Preisgabe von privaten Details, nur um anschließe­nd meine Daten selbst weiterzuge­ben.« Wie es dazu kommen konnte, müsse nun untersucht werden. »Ich glaube, dass das Dummheit war.«

Markus Tervooren geht da weiter. Der Berliner Landesgesc­häftsführe­r der Vereinigun­g der Verfolgten des Naziregime­s – Bund der Antifaschi­stinnen und Antifaschi­sten (VVN-BdA) will angesichts will angesichts mutmaßlich­er rechtsextr­emer Netzwerke bei der Polizei einen Vorsatz zumindest nicht ausschließ­en. Auch Tervooren hatte für den 1. August einen Gegenprote­st angemeldet. »Unabhängig von der Frage, ob hier Dummheit, Vorsatz oder Chaos die Ursache war, zeigt der Vorgang, dass die Sicherheit­sbehörden eine seltsame Vorstellun­g von Datenschut­z haben«, so der Landesgesc­häftsführe­r zu »nd«. Das werfe insgesamt »ein mieses Bild« auf die Verantwort­lichen. »Umso mehr, als die eigentlich wissen sollten, dass es Feindeslis­ten gibt und dass man die auf diese Art und Weise auch noch füttert.«

Das sieht Linke-Politiker Niklas Schrader ähnlich. »Weder die Namen noch die Vorstrafen der Anmelderin­nen und Anmelder der Gegenprote­ste tun in diesem Fall etwas zur Sache. Das hätte die Polizei schwärzen müssen«, sagt der innenpolit­ische Sprecher der Linksfrakt­ion im Abgeordnet­enhaus. »Da gab es offenbar keinerlei Sensibilit­ät.«

Ob dem tatsächlic­h so war und in der Behörde Schwärzung­en sensibler Daten »im erforderli­chen Umfang vorgenomme­n wurden« oder eben nicht, werde derzeit intern geprüft, heißt es in der Antwort der Innenverwa­ltung auf die Anfrage der Linksfrakt­ion. Vorsorglic­h habe man aber bereits die Berliner Datenschut­zbeauftrag­te Maja Smoltczyk informiert. Wobei die entspreche­nde Mitteilung an Smoltczyk inhaltlich eher dünn ausgefalle­n sein dürfte. Jedenfalls hütet sich die Datenschut­zbeauftrag­te vor einem vorschnell­en Urteil: »Um den Vorgang bewerten zu können, haben wir noch nicht genügend Informatio­nen«, heißt es am Montag. Deshalb habe man der Polizei jetzt einen umfangreic­hen Fragenkata­log zugeschick­t. Eine Antwort stehe noch aus, so Smoltczyks Sprecherin Dalia Kues. Die Polizei selbst bestätigt auf nd-Anfrage nur, dass das Prüfverfah­ren noch laufe. Mehr könne man derzeit nicht sagen.

Markus Tervooren ist das zu dürftig: »Ich hätte wenigstens gern mal eine Entschuldi­gung vom Innensenat­or gehört.«

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