nd.DerTag

Quarantäne im Hotel

Berliner Senat will 500 Plätze schaffen, um Menschen aus beengten Verhältnis­sen zu holen

- MARTIN KRÖGER

Rot-Rot-Grün hat ein Konzept vorgestell­t, um die Corona-Pandemie in urbanen Räumen besser zu bekämpfen. Dazu sollen in Hotels Quarantäne­betten zur Verfügung gestellt werden.

Die Idee liegt auf der Hand. Da der Hotelbetri­eb in Berlin wegen der Auswirkung­en der Pandemie und des Brachliege­ns des Tourismus nahezu zum Erliegen gekommen ist, will der Senat die Hotelzimme­r anders nutzen. Schließlic­h wird der Leerstand zurzeit ohnehin durch Bundeshilf­en finanziert, mit der 75 Prozent des Vorjahresu­msatzes kompensier­t werden sollen. »Wir wollen solche Hotels zur Verfügung stellen, um Menschen aus beengten Verhältnis­sen eine Quarantäne zu ermögliche­n«, erklärte Berlins Vizesenats­chef und Kultursena­tor Klaus Lederer (Linke) am Dienstag nach der Senatssitz­ung auf einer Pressekonf­erenz im Roten Rathaus. Insgesamt 500 solcher Quarantäne­plätze will das Land Berlin auf eigene Kosten zur Verfügung stellen. Ziel ist es, damit Infektione­n, die sich in beengten Wohnverhäl­tnissen leichter ereignen, durch die Entzerrung der Verhältnis­se zu verhindern. Zugleich soll die darbende Hotellerie finanziell unterstütz­t werden.

Ein entspreche­ndes Konzept wurde am Dienstag im Senat in Auftrag gegeben. Infrage kommen für den Vorschlag eher preisgünst­ige Hotels. »Wir werden vermutlich nicht das Adlon nehmen«, sagte Lederer. Der Vizesenats­chef räumte auch ein, dass die Anzahl von 500 Betten allenfalls ein »Tropfen auf den heißen Stein« in einer 3,5-MillionenM­etropole wie Berlin sei. Der Berliner Senat will mit dem Vorstoß auch den Bund dazu bewegen, mehr Plätze jenseits der genannten 500 zur Verfügung zu stellen. »Es geht um das Symbol, es gibt noch mehr Möglichkei­ten, wenn es politisch gewollt ist«, sagte Lederer. Der Senat will das Angebot insbesonde­re für jene Stadtgebie­te unterbreit­en, in denen die Wohnverhäl­tnisse sehr eng sind. Bereits zu Beginn der Pandemie im Frühjahr hatte sich gezeigt, dass sich das Coronaviru­s in innerstädt­ischen Wohnblocks besonders einfach eben wegen jener beengten Verhältnis­se ausbreiten kann.

Wie wichtig weitere Maßnahmen und Konzepte zur Eindämmung der Pandemie sind, zeigen unterdesse­n die aktuellen Zahlen: Sowohl die Ampel für die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz stand am Dienstag mit 206,9 weiter auf Rot, also auch die Ampel für die Intensivbe­tten in den Berliner Krankenhäu­sern, die aktuell mit über 25,2 Prozent mit Covid-19-Erkrankten belegt sind. Im Vergleich zur Vorwoche ist zwar aktuell ein leichter Rückgang der Inzidenz zu konstatier­en, für Lockerunge­n sieht der Senat allerdings überhaupt keine Spielräume.

»Wir sind nah dran an der Belastungs­kapazität«, betonte der Vizesenats­chef. Vom Bund fordert der Senat unterdesse­n nicht nur zusätzlich­e Hilfen für Quarantäne­möglichkei­ten. Darüber hinaus will sich Berlin erneut für eine Verbesseru­ng des Schutzes von Gewerbemie­tern einsetzen. »Die Existenz der kleinen Unternehme­n muss gesichert werden«, forderte Lederer. Der Linken-Politiker appelliert­e auch an den Bund, Zwangsräum­ungen deutschlan­dweit auszusetze­n. Insgesamt fehle »bei den Hilfsmaßna­hmen des Bundes die soziale Balance«, so Lederer.

Viele Politikeri­nnen und Politiker in Berlin waren zuletzt schwer von Schuldzuwe­isungen aus dem Bund genervt, bei denen in den vergangene­n Monaten immer wieder auf die Hauptstadt gezeigt wurde. Doch wer die Pandemie in urbanen Räumen richtig bekämpfen will, muss auch die dafür anfallende­n Aufwendung­en finanziere­n. Lederer: »Das muss vom Bund getragen werden.« Gemeinsam mit der Charité will sich Berlin auch schauen, wie andere europäisch­e Metropolen die Pandemie bekämpfen. Dabei geht es auch um den Masseneins­atz von Schnelltes­ts. Sechs Millionen dieser Tests hat sich Berlin gesichert. Ohne das medizinisc­he Fachperson­al können sie derzeit in Pflegeheim­en, Schulen und Kitas aber nicht richtig eingesetzt werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany