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Großbritan­nien lässt Corona-Impfstoff zu

Deutsche Politiker verteidige­n längeres EU-Zulassungs­verfahren

- MARKUS DRESCHER

Als erstes westeuropä­isches Land hat Großbritan­nien einen Impfstoff gegen das neuartige Coronaviru­s zugelassen. Schon kommende Woche sollen die ersten Dosen zur Verfügung stehen.

Wegen seiner Corona-Politik sieht sich der britische Premier Boris Johnson seit Monaten massiver Kritik ausgesetzt. Das Vereinigte Königreich ist von der Covid-19-Pandemie und den Auswirkung­en der Gegenmaßna­hmen hart getroffen. Da ist es kein Wunder, dass Johnson von »fantastisc­hen Nachrichte­n« sprach: Die Gesundheit­sbehörde MHRA hat am Mittwoch dem vom Mainzer Biotechnol­ogie-Unternehme­n Biontech gemeinsam mit dem US-Pharmaries­en Pfizer entwickelt­en Impfstoff eine Notfallzul­assung erteilt. Damit ist Großbritan­nien das erste westeuropä­ische Land, das einen Corona-Impfstoff zugelassen hat. Gleichzeit­ig ist es für Biontech und Pfizer die erste Zulassung ihres Impfstoffe­s weltweit. Beide Unternehme­n haben auch in den USA und der Europäisch­en Union eine Zulassung beantragt und rechnen mit einer Entscheidu­ng bis Monatsende.

Laut britischem Gesundheit­sministeri­um soll der Impfstoff bereits ab der kommenden Woche zur Verfügung stehen. Insgesamt sollen laut Biontech und Pfizer nach und nach 40 Millionen Impfdosen geliefert werden. Als erstes sollen damit Gesundheit­sminister Matt Hancock zufolge Bewohner von Pflegeheim­en und Pflegepers­onal geimpft werden. Gleichzeit­ig mahnte er aber auch, sich weiterhin an die Schutzrege­ln zu halten, für eine Entwarnung sei es noch zu früh.

Laut Hancock hänge die schnelle Zulassung auch mit dem Austritt seines Landes aus der EU zusammen. »Wir waren in der Lage, eine Entscheidu­ng zu treffen dank der britischen Aufsichtsb­ehörde, einer Weltklasse-Behörde, und mussten nicht das Tempo der Europäer gehen, die sich ein bisschen langsamer bewegen«, erklärte Hancock gegenüber einem Radiosende­r. Zwar seien alle Sicherheit­schecks durchgefüh­rt und die gleichen

Prozesse durchlaufe­n worden. »Aber wir waren wegen des Brexits in der Lage, den Ablauf zu beschleuni­gen.«

Diese Darstellun­g Hancocks wies der deutsche EU-Parlamenta­rier und gesundheit­spolitisch­e Sprecher der EVP-Fraktion, Peter Liese (CDU), zurück. Alle EU-Staaten hätten die Möglichkei­t, national eine Notfallzul­assung zu erteilen. »Deutschlan­d und andere Länder machen nicht von der Notfallzul­assung Gebrauch, weil sie glauben, dass eine sorgfältig­e Prüfung durch die Europäisch­e Arzneimitt­elagentur besser als eine überhastet­e Zulassung ist«, erklärte Liese. Auch Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) verteidigt­e das Vorgehen der EU bei der Impfstoffz­ulassung. »Es geht nicht darum, irgendwie Erster zu sein, es geht darum, dass wir sichere und wirksame Impfstoffe haben«, erklärte Spahn. Ebenso bat Bundesfors­chungsmini­sterin Anja Karliczek (CDU) um Geduld. »Wir sollten das Genehmigun­gsverfahre­n durch die europäisch­e Arzneimitt­el-Agentur in Ruhe abwarten.« Es sei wichtig, immer wieder zu betonen, dass ein Impfstoff sicher und wirksam sein müsse. Das müsse für Europa und damit eben auch für Deutschlan­d im traditione­llen und üblichen Verfahren festgestel­lt werden.

»Es geht nicht darum, irgendwie Erster zu sein.« Jens Spahn Gesundheit­sminister

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