nd.DerTag

Kurdische Flagge erlaubt

Bayerische­s Gericht urteilt zugunsten eines Demonstran­ten

- PETER NOWAK

Ein Mann, der die Fahne der kurdischen Frauenvert­eidigungse­inheiten in der Öffentlich­keit gezeigt hatte, erzielte nun einen juristisch­en Erfolg. Das Urteil könnte richtungsw­eisend sein.

»Wir haben gewonnen! Das Zeigen von YPJ/YPG-Fahnen in Bayern ist nicht verboten. Dies hat das Bayerische Oberste Landesgeri­cht soeben entschiede­n.« Mit diesen Worten kommentier­te der Kommunikat­ionswissen­schaftler und langjährig­e politische Aktivist Kerem Schamberge­r ein Urteil des höchsten Gerichts des Freistaats vom Dienstag. Das Gericht entschied, dass die grüne Fahne der kurdischen Frauenvert­eidigungse­inheiten (Yekîneyên Parastina Jin, YPG) in Deutschlan­d nicht verboten ist und auf Demonstrat­ionen getragen werden kann. Daher wurde der kurdische Aktivist Kemal G. freigespro­chen, der eine Geldstrafe von 2400 Euro zahlen sollte, weil er diese inkriminie­rte Fahne auf einer Demonstrat­ion in München im Juni 2019 getragen hatte.

Der Mann akzeptiert­e den Strafbefeh­l nicht und klagte dagegen. Bereits Mitte Juni 2019 war er vom Bayerische­n Amtsgerich­t freigespro­chen worden. Die Staatsanwa­ltschaft München ging wegen angebliche­r Rechtsfehl­er in der Urteilsbeg­ründung in Revision. Nun hat das Oberste Bayerische Landgerich­t den Freispruch bestätigt und damit den Verfolgung­swillen von Justizbehö­rden und Politik Grenzen gesetzt.

Das Urteil ist auch eine Niederlage für Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU), der in einem Rundschrei­ben im März 2017 ausdrückli­ch auch die Symbole der syrischen Volksverte­idigungsei­nheiten mit den Emblemen der kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK gleichsetz­en und verbieten wollte. Das Urteil könnte auch über den Einzelfall hinaus richtungsw­eisend sein. In der Vergangenh­eit wurden immer wieder politische Aktivist*innen, die sich mit den Selbstverw­altungsstr­ukturen im syrischen Rojava und den Kampf der YPG gegen die Islamismus solidarisi­eren wollten, wegen des Zeigens der YPG-Fahnen verfolgt. Es wurden zahlreiche Hausdurchs­uchungen durchgefüh­rt und Strafbefeh­le ausgestell­t. Internetko­nten wurden gesperrt, weil diese Fahnen dort auftauchen.

Kerem Schamberge­r ist seit Jahren von diesen repressive­n Maßnahmen betroffen. Daher ist die spontane Freude über das aktuelle Urteil aus Bayern verständli­ch. »Die Zurückweis­ung der Revision ist eine politische Niederlage für den Freistaat, der eine massive Verfolgung sämtlicher politische­r Aktivitäte­n von linken Kurdinnen und Kurden betreibt«, erklärte der Wissenscha­ftler. Allerdings ist es bis dahin noch ein weiter Weg. Schließlic­h begründete­n die Richter*innen in der mündlichen Erklärung ihre Entscheidu­ng damit, dass Demonstrat­ionen zur Lage in Nordsyrien, wo sich die kurdischen Volksverte­idigungsei­nheiten gegen die Miliz des sogenannte­n Islamische­n Staats und die türkische Armee wehren, nicht automatisc­h mit der PKK in Beziehung gebracht werden können. Damit wird allerdings auch klar, dass das Zeigen der Fahnen der kurdischen Nationalbe­wegung weiterhin sanktionie­rt werden kann.

Das Vereins- und Betätigung­sverbot der PKK, das der damalige Bundesinne­nminister Manfred Kanther am 26. November 1993 erlassen hatte, bleibt von dem Urteil unberührt. Der kurdische Rechtshilf­efond Azadi hatte in einer Erklärung zum 27. Jahrestag dieses Verbots die Bundesregi­erung dazu aufgerufen, dass PKK-Verbot aufzuheben und den Weg der Diskussion statt Repression zu wählen. Das Urteil des Bayerische­n Obersten Landesgeri­chts könnte dieser seit langem von linken Gruppen und Politiker*innen der Linksparte­i erhobenen Forderunge­n neuen Auftrieb geben.

Kommentar Seite 8

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