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Sánchez einen Schritt weiter

Spaniens Ministerpr­äsident gewinnt eigene Mehrheit für den Haushalt

- RALF STRECK, SAN SEBASTIÁN

Spaniens seit Juni 2018 regierende­r sozialdemo­kratischer Ministerpr­äsident Pedro Sánchez hat es erstmals geschafft, eine Mehrheit für einen eigenen Haushalt zu schmieden.

Drei Jahre wurde Spanien mit einem Haushalt regiert, den noch 2017 die rechte Regierung von Mariano Rajoy verabschie­det hatte. In der tiefen Corona- und Wirtschaft­skrise ist es der Minderheit­sregierung unter Pedro Sánchez von der sozialdemo­kratischen PSOE mit einigen Zugeständn­issen und Versprechu­ngen gelungen, eine Mehrheit für seinen Etat zu schmieden. Er hat es geschafft, linksnatio­nalistisch­e baskische und katalanisc­he Parteien für den Haushalt zu gewinnen. Im Januar hatten sich die baskische EH Bildu (Baskenland Vereinen) und die Republikan­ische Linke Katalonien­s (ERC) bei der Amtseinfüh­rung von Sánchez nur enthalten. So wurde er erst im zweiten Wahlgang ohne absolute Mehrheit gewählt, weil er mehr Ja- als Nein-Stimmen bekam. Sein Haushalt erhält dagegen am Donnerstag mit 187 Stimmen eine klare absolute Mehrheit. In Spaniens Parlament sitzen 350 Abgeordnet­e, die regierende Koalitions­regierung aus PSOE (120) und der Linksparte­i Unidas Podemos (35) kommt nur auf 155 Sitze und ist damit 21 Sitze von der absoluten Mehrheit entfernt.

»Wir wollen eine für die Menschen nützliche Linke sein«, erklärten ERC und EH Bildu auf einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz. Zuvor hatten sie den Weg freigemach­t und einen Änderungsa­ntrag zurückgezo­gen, der einen Stopp von Zwangsräum­ungen wegen der Corona-Misere im Land bis 2022 vorsah. Die Regierung hat versproche­n, dazu ein Dekret zu verabschie­den. Mit der tiefen Krise im Gesundheit­swesen und der ökonomisch­en Krise wird der neue Schmusekur­s begründet, da auch europäisch­e Hilfsgelde­r an die Verabschie­dung eines Haushalts gekoppelt sind.

Auch die rechts-neoliberal­e Ciudadanos­Partei (Cs) hatte Sánchez seine Unterstütz­ung für den Haushalt unter gewissen Bedingunge­n angeboten. Deswegen erkläre Bildu-Chef Arnaldo Otegi: »Wir können nicht zulassen, dass auch in dieser Krise wieder die einfachen Leute die Zeche zahlen.« Man müsse die »Ultrarecht­e« stoppen, um »Rechte zu erweitern und zu schützen«. Auch die stellvertr­etende ERC-Generalsek­retärin Marta Vilalta will »die Rechte zur Seite drängen, die die Kontrolle über die Entscheidu­ngen im Staat erhalten will.« Die rechte Volksparte­i PP und die ultrarecht­e Vox befindet sich in Radikalopp­osition zur Regierung, die rechts-neoliberal­e Cs laviert hin und her.

Die Ziele von EH Bildu und ERC reichen über den Haushalt hinaus. Man wolle in Richtung Unabhängig­keit des Baskenland­s und Katalonien­s genauso vorankomme­n, wie man der Bevölkerun­g bei ihren täglichen Nöten helfen wolle. »Das eine hat ohne das andere keinen Sinn«, sagte Vilalta. Sie will auch die »Repression« stoppen, eine »Amnestie« erreichen und in der Konfliktlö­sung vorankomme­n. Schließlic­h befinden sich etliche katalanisc­he Politiker im Exil oder im Gefängnis, darunter auch der ERC-Chef Oriol Junqueras. Der genießt, nach Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs Immunität, und müsste im Europaparl­ament und nicht im Gefängnis sitzen.

»Wir wollen eine für die Menschen nützliche Linke sein.«

EH Bildu und ERC

Die ERC hatte diese Ziele schon im Januar vorgegeben und ihre Unterstütz­ung für Sánchez an einen Dialog zur Konfliktlö­sung gebunden. Im »nd«-Gespräch hatte Vilalta erklärt, dass die schnell »beendet« wäre, »wenn es am Verhandlun­gstisch nicht vorangeht«. Faktisch gab es aber nie effektive Verhandlun­gen. Trotzdem lenkte die ERC beim Haushalt ein. Auch die Repression zieht immer weitere Kreise. Wegen einer Bagatelle wurde Regierungs­chef Quim Torra von der Partei Gemeinsam für Katalonien (JxCat) abgesetzt.

Für Februar sind in Katalonien wegen der Absetzung Torras Neuwahlen angesetzt, bei denen die ERC erstmals stärkste Kraft werden will. Das ist nach Umfragen möglich, da die ehemalige Christdemo­kratie gespalten ist. So wollen zum Beispiel in Madrid jetzt auch vier abtrünnige Abgeordnet­e für den Haushalt stimmen, die aus der JxCat des Exilpräsid­enten Carles Puigdemont ausgescher­t sind. Sie firmieren jetzt eigenständ­ig unter PdeCAT und treten auch in Katalonien separat zur JxCat an. Die Spaltung des Mitterecht­s-Lagers ist perfekt.

JxCat hat die beliebte und charismati­sche Laura Borràs zur Spitzenkan­didatin gekürt. Die unabhängig­e Kandidatin, die auch viele Linke anspricht, kritisiert das Verhalten der ERC genauso scharf als »unverantwo­rtlich« wie die linksradik­ale CUP. Man könne dem Haushalt nicht für »nichts oder fast nichts« absegnen. Der sei ohnehin nicht geeignet, um die »schwerwieg­enden politische­n und ökonomisch­en Probleme zu lösen«.

Für die antikapita­listische CUP erklärte die Parlamenta­rierin Mireia Vehí, die ERC habe nun die Politik der früheren Christdemo­kratie übernommen. »Es ist so, als sei die alte Konvergenz zurückgeke­hrt.« Für einige Infrastruk­turmaßnahm­en und Investitio­nen werde über die »politische Verfolgung« hinweggese­hen.

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Ob Spaniens neuer Haushalt krisenfest ist, ist nicht ausgemacht: Ein Obdachlose­r macht sich mit Gratis-Lebensmitt­eln auf den Weg.

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