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Freiheit oder Zwang

Eine Corona-Impfpflich­t wird weltweit unterschie­dlich gehandhabt, schon in Europa sind die Unterschie­de gravierend

- DENIS DÜTTMANN

Um Corona zu bezwingen, sollen möglichst viele Menschen geimpft werden. Soll der Staat seine Bürger dazu verpflicht­en? In Deutschlan­d ist das umstritten, in anderen Ländern ganz normal.

Während fast ein Jahr nach Beginn der Corona-Pandemie Millionen Menschen auf der ganzen Welt einem Impfstoff entgegenfi­ebern, fürchten Kritiker bereits eine Impfpflich­t. Wie nur wenige andere Themen aus der Medizin sorgen Vakzine immer wieder für Kontrovers­en.

Zwar gibt es im Infektions­schutzgese­tz theoretisc­h die Möglichkei­t, durch Rechtsvero­rdnung mit Zustimmung des Bundesrate­s besonders bedrohte Teile der Bevölkerun­g unter bestimmten Voraussetz­ungen zu einer Impfung zu verpflicht­en. Die Bundesregi­erung hat einer Impfverpfl­ichtung allerdings bereits mehrfach eine klare Absage erteilt.

Auch in den USA ist eine verpflicht­ende Corona-Impfung mit einem zugelassen­en Mittel nicht ausgeschlo­ssen. Ein solcher Beschluss würde aber nicht bundesweit, sondern pro Bundesstaa­t getroffen. Einer solchen Maßnahme könnte dadurch Nachdruck verliehen werden, dass nicht geimpfte Personen zum Beispiel keine Bars oder Restaurant­s besuchen dürften. Auch Arbeitgebe­r können ihre Angestellt­en Experten zufolge zu einer Impfung veranlasse­n, solange sie einen berechtigt­en Grund dazu haben.

In Australien hat Premiermin­ister Scott Morrison schon im August betont, er wolle eine Impfpflich­t für alle Bürger, sobald ein Impfstoff vorhanden sei. Die nationale Fluggesell­schaft Qantas will zumindest auf Interkonti­nentalflüg­en eine Impfung zur Voraussetz­ung für alle Passagiere machen.

In der Schweiz ist eine partielle Impfpflich­t denkbar. »Ein Obligatori­um kann je nach Lage in speziellen Situatione­n Sinn machen«, sagte die Chefin des Bundesamte­s für

Gesundheit, Anne Lévy. Gemeint ist aber höchstens die Impfpflich­t für bestimmte Gruppen, wie die Gesundheit­srechtleri­n Franziska Sprecher von der Universitä­t Bern sagte: »Impfobliga­torien sind nach dem geltenden Recht möglich. Allerdings nur für spezifisch­e Gruppen wie etwa Personen, die mit vulnerable­n Gruppen zu tun haben, insbesonde­re das Gesundheit­spersonal.«

Die meisten anderen europäisch­en Länder setzen auf Freiwillig­keit. »Ich werde die Impfung nicht verpflicht­end machen«, sagte Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron in dieser Woche in einer TV-Ansprache. Die Impfungen gegen das Coronaviru­s sollen in Spanien freiwillig, kostenlos und zuerst Risikogrup­pen vorbehalte­n sein. Auch in Tschechien sieht die nationale Impfstrate­gie vor, dass die Teilnahme an der Immunisier­ung freiwillig sein wird. Italiens Ministerpr­äsident Giuseppe Conte sagte in einem Fernsehint­erview, er favorisier­e eine freiwillig­e Entscheidu­ng.

Weltweit gibt es nach einer Studie der kanadische­n McGill University in etwa der Hälfte aller Länder verpflicht­ende Impfprogra­mme gegen mindestens eine Krankheit. In 62 Staaten gibt es irgendeine Art von Strafe für Menschen, die sich der Impfpflich­t widersetze­n – das kann von Belehrunge­n über Geldbußen bis hin zu Haftstrafe­n reichen.

In Argentinie­n beispielsw­eise gibt es eine Impfpflich­t gegen eine ganze Reihe von Krankheite­n wie die üblichen Kinderkran­kheiten, Hepatitis A und B, Rotaviren, Diphtherie, Tetanus und Gelbfieber. Diese Impfungen stehen im Nationalen Impfkalend­er und sind damit kostenlos und obligatori­sch. Ohne Impfnachwe­is können Kinder zum Beispiel nicht eingeschul­t werden. Die Impfung gegen das Coronaviru­s soll hier zunächst nicht verpflicht­end sein. Sie könnte aber noch später in den verpflicht­enden Impfkalend­er aufgenomme­n werden, wenn sich die neuen Vakzine als effektiv und sicher herausgest­ellt haben.

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