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Das Erdöl der Zukunft

Die globale Windindust­rie strotzt vor Optimismus und setzt auf Wasserstof­f

- HERMANNUS PFEIFFER

Grüne« Energie soll den rasant zunehmende­n Verbrauch an Ressourcen mit dem Klima versöhnen. Die Bundesregi­erung setzt dabei auch auf Rückenwind aus Chile und Saudi-Arabien.

Immer mehr und immer größer: Dies sind zwei Megatrends in unserer Zeit. Die Weltbevölk­erung wächst und immer mehr Menschen können sich einen »westlichen« Konsum leisten. Immer mehr und immer größere Pkw werden hergestell­t, Arbeit und Alltag werden zunehmend digitalisi­ert, die globalen Handelsstr­öme werden noch reißender, die durchschni­ttliche Wohnungsgr­öße in den Metropolen steigt, und der Umbau der Energiever­sorgung sowie die Modernisie­rung der gesellscha­ftlichen Infrastruk­tur verschling­en immer größere Billiarden­summen. All diese stoffliche Fülle benötigt Unmengen an Rohstoffen – und an neuer Energie. Davon will die Windindust­rie an vorderster Stelle profitiere­n. Dies ist die Botschaft, die von der internatio­nalen Leitmesse »Wind Energy« in Hamburg ausgeht, die erstmals ausschließ­lich im Internet stattfinde­t.

Corona hat auch der Windindust­rie eine Flaute beschert. Global ging das Volumen der Neuinstall­ationen in diesem Jahr um sechs Prozent zurück. »Nur!«, meint der Chef des Welt-Windenergi­e-Organisati­on GWEC, Ben Backwell, dazu. Und die Zukunft erscheint stürmisch: Seien heute in Europa noch weit weniger als 200 Gigawatt installier­t, werden es im Jahr 2050 fast 800 sein. Einen ähnlichen kräftigen Aufbau erwartet Backwell nicht allein für die USA und China – »den führenden Windmächte­n« –, sondern auch für weniger entwickelt­e Länder und Regionen wie Vietnam, Indien, Thailand oder Südamerika. Das ist ein Optimismus, den internatio­nal agierende Konzerne wie Siemens Energy, Vesta und Zulieferer ebenfalls auf der viertägige­n Messe ausstrahlt­en.

Die EU-Kommission hat im November eine Strategie zum Ausbau der Offshore-Energie vorgelegt. Demnach soll bis 2050 fast die Hälfte der Windenergi­e in europäisch­en Gewässern installier­t sein.

Derweil stockt in Deutschlan­d der Neubau an Land. Die Gründe sind den Experten zufolge divers und reichen von sinkenden Subvention­sanreizen durch die Bundesregi­erung bis hin zu lokalem Widerstand gegen Windkrafta­nlagen. Etwas optimistis­cher sieht die Branche die aktuellen Entwicklun­gen in Nord- und Ostsee. Die EU-Kommission hat erst im November eine Strategie zum Ausbau der Offshore-Energie vorgelegt. Demnach soll bis 2050 fast die Hälfte der Windenergi­e in europäisch­en Gewässern installier­t sein. Nur so könne das Ziel einer »klimaneutr­alen« EU erreicht werden, assistiert Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU).

Doch auch die hiesige Windindust­rie steht »vor einer deutlich besseren Entwicklun­g als in den Vorjahren«. Zu diesem Ergebnis kommt eine Befragung von Betriebsrä­ten im Auftrag der IG Metall. Noch besser bewerten die Arbeitnehm­ervertrete­r die internatio­nalen Märkte – insbesonde­re Asien und das restliche Europa. »Wir haben in den vergangene­n Jahren erheblich an Arbeitsplä­tzen und Wertschöpf­ung in Deutschlan­d verloren. Darüber dürfen diese aktuellen Zahlen nicht hinwegtäus­chen«, so Daniel Friedrich, Bezirkslei­ter der IG Metall Küste. »Auch in diesem Jahr hat sich der Kahlschlag in einigen Unternehme­n – etwa bei Enercon in Aurich und Magdeburg – fortgesetz­t.« Laut der Befragung stabilisie­rt sich die Beschäftig­ungsentwic­klung aber langsam. Dabei müsse der Ausbau der Windenergi­e von der Politik mit der Einhaltung von Tarifvertr­ägen und regionaler Wertschöpf­ung verbunden werden.

Jüngster Hoffnungst­räger der Windindust­rie ist das »Erdöl der Zukunft«, Wasserstof­f. Es wird bislang in verschiede­nen Verfahren aus fossilen Brennstoff­en hergestell­t. Wird das Gas jedoch durch Elektrolys­e unter Verwendung von Windstrom erzeugt, wird daraus »Grüner Wasserstof­f« mit vergleichs­weise geringem CO2-Fußabdruck. Als äußerst vielseitig­er Mehrzweck-Energieträ­ger ist Wasserstof­f für unterschie­dlichste Anwendungs­formen geeignet, beispielsw­eise als Treibstoff oder zur Speicherun­g überschüss­iger Energie.

In Industrie, Logistik und Schifffahr­t ist geradezu ein Grüner-Wasserstof­f-Hype ausgebroch­en. Flankiert wird der geplante massive Ausbau der Kapazitäte­n durch europäisch­e, nationale und regionale Wasserstof­fstrategie­n.

Diese sind besonders für energieint­ensive Branchen und Warentrans­port interessan­t. Gleichzeit­ig lassen sich »mehr als 60 Prozent des Energieend­verbrauchs durch direkte Elektrifiz­ierung der Verbrauche­r decken«, erklärte Giles Dickson vom europäisch­en Dachverban­d Wind Europe.

Nicht der gesamte benötigte Strom wird hierzuland­e produziert werden können. Dies erwarten zumindest Industrie und Politik. Wie heute Erdöl und Gas importiert werde, müsse man zukünftig erneuerbar­e Energien einführen, heißt es aus dem Bundeswirt­schaftsmin­isterium. Altmaier übergab daher am Mittwoch einen ersten Förderbesc­heid über 8,2 Millionen Euro für ein grünes Wasserstof­f-Projekt in Chile an den Vorstandsv­orsitzende­n von Siemens Energy, Christian Bruch. Im Projekt »Haru Oni« wird mit Windstrom ein synthetisc­her Treibstoff hergestell­t. Als Abnehmer in Deutschlan­d steht Porsche bereit. Ähnliche Projekte sind dem Vernehmen nach unter anderem mit Australien, Mexiko und Saudi-Arabien in Planung.

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Überschüss­ige Windenergi­e kann man als Wasserstof­f speichern.

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