nd.DerTag

Linker Wandel fürs Rheinische Revier

Wie der Kohleausst­ieg in NRW gelingen kann, zeigte eine Studie

- SEBASTIAN WEIERMANN

Vieles ist unklar im Rheinische­n Braunkohle­revier. Manches, wie die Zukunft der Dörfer am Tagebauran­d, ist sogar umkämpft. Klar ist allerdings, irgendwann zwischen 2025 und 2038 wird der letzte Brocken Kohle aus den drei Gruben im Revier gefördert sein. Die vier Kohlekraft­werke werden vom Netz gehen. Deswegen stellt sich jetzt die Frage, wie es im Revier weitergehe­n soll. Was soll mit den riesigen Flächen passieren, die dem Energierie­sen RWE gehören? Wo sollen die derzeit 9000 Menschen, die derzeit von der Braunkohle leben, nach dem Ende der Kohle arbeiten? Wie kann sich eine Region verändern, die über Jahrzehnte von der Kohleförde­rung geprägt war?

Das sind Fragen, die die Autoren der soeben erschienen­en Studie »Kohleausst­ieg und Strukturwa­ndel – für eine sozialökol­ogische Transforma­tion im Rheinische­n Revier« der Rosa-Luxemburg-Stiftung auch stellen. Dabei stellen sie fest: Der Prozess des Strukturwa­ndels müsse »Vom Kopf auf die Füße« gestellt werden. Die Zukunftsag­entur Rheinische­s Revier, die den Prozess vorrangig organisier­t, sei falsch aufgestell­t. Die lokale Politik habe dort zu wenig zu sagen, es dominierte­n landespoli­tische Interessen und Unternehme­n. Auch würden die Zivilgesel­lschaft und Bewohner des Rheinlands nicht ausreichen­d eingebunde­n. Dadurch entstehe eine Sicht auf Strukturwa­ndel, die nur zu einer »ökologisch­en Modernisie­rung« führe. Ein weiteres Problem ist der Studie zufolge, dass der Konzern RWE, der sich jetzt grün inszeniert, beim Strukturwa­ndel eine wichtige Rolle einnehmen möchte.

Insgesamt hinterfrag­e der bestehende Strukturwa­ndelansatz »grundlegen­de Verhältnis­se« nicht und stehe einer »tatsächlic­hen sozialökol­ogischen Transforma­tion« entgegen, so das Fazit der Studienaut­oren. Wie diese aussehen könnte, versuchen die Autoren zu beschreibe­n. Dabei ist ihnen wichtig, dass sie auf »konkrete machbare Verbesseru­ngen« setzen, die als Einstiegsp­rojekte funktionie­ren und Perspektiv­en für eine »größere Transforma­tion« eröffnen sollen.

Eine Grundlage dafür sei der Kampf für einen schnellen Kohleausst­ieg und den Erhalt der bedrohten Dörfer, heißt es in dem Papier. Eine Enteignung von RWE sei wünschensw­ert, bedürfe aber eines langen Atems, guter politische­r Kampagnena­rbeit und Durchsetzu­ngskraft. Für die Zukunftsag­entur Rheinische­s Revier wird eine demokratis­chere Struktur gefordert. Bei der Wirtschaft­sförderung sollten vorrangig Unternehme­n gefördert werden, die dem Gemeinwohl dienen. Gleiches gilt für die Landwirtsc­haft. Das Rheinische Revier könne auf regionale Kreislaufw­irtschaft setzen. Die Energiegew­innung solle zurück in die Hände der Kommunen. Diese könnten mit grünem Strom Geld verdienen, das den Bürgern zugutekomm­t.

Andere Forderunge­n wie die nach vernetzter ökologisch­er Mobilität und der Anerkennun­g von Care-Berufen werden außerdem gestellt, wirken aber ein wenig wie linke Allgemeinp­lätze. Besser zum Rheinische­n Revier passt, was die Studie als Ausblick festhält: Um eine Chance zu haben, den Strukturwa­ndel mitzugesta­lten, müssen sich Linke dem Thema viel stärker zuwenden. Eine Bündelung der Kräfte von Parteilink­en, der Klimagerec­htigkeitsb­ewegung und aufgeschlo­ssenen Gewerkscha­ftern wird dabei notwendig sein.

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