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Kein Wort der Klage

Große Vorfreude trotz Corona: Die deutschen Handballer­innen starten in die EM

- MICHAEL WILKENING, KOLDING

Mit vielen Widrigkeit­en hatten die deutschen Handballer­innen zuletzt zu kämpfen. Wenn an diesem Donnerstag aber die EM in Dänemark beginnt, ist alles vergessen. Und vielleicht ist dann sogar der Bundestrai­ner wieder mit dabei.

Es war Zeit für ein klares Statement von oberster Stelle. Zumindest muss sich das für Andreas Michelmann so angefühlt haben, weshalb der Präsident des Deutschen Handballbu­ndes (DHB) zu Beginn der Woche verkündete, dass sein Verband selbstvers­tändlich gedenke, an der Weltmeiste­rschaft der Männer im kommenden Januar in Ägypten teilzunehm­en. Nachdem einige Klubs und Nationalsp­ieler Zweifel angemeldet und für eine Verschiebu­ng der WM oder einen Teilnahmev­erzicht plädiert hatten, sprach der Präsident ein Machtwort.

Das medienwirk­same Vorpresche­n von Michelmann ist deshalb bemerkensw­ert, weil diese Notwendigk­eit bei den Frauen offensicht­lich nicht besteht. Im Gegenteil: Wenn an diesem Donnerstag die Europameis­terschaft in Dänemark beginnt, trotzt das DHB-Team allerlei Widrigkeit­en – und bislang kam dabei kein Wort der Klage über die Lippen der besten Handballer­innen des Landes. »Wir freuen uns total, ich war sehr happy, als ich zur Mannschaft durfte«, sagte Dinah Eckerle. Die Torhüterin stieß erst am vergangene­n Freitag und damit sechs Tage vor dem ersten EMSpiel zum Kader, weil sie nach der letzten Partie mit ihrem französisc­hen Klub Metz HB zunächst in Quarantäne musste.

Die Vorbereitu­ng des deutschen Teams glich einer dauerhafte­n Reaktion auf unerwartet­e Einflüsse von außen. Es gab keine Testspiele und der Bundestrai­ner war nicht da.

Überhaupt glich die Vorbereitu­ng des deutschen Teams einer dauerhafte­n Reaktion auf unerwartet­e Einflüsse von außen. Es gab keine Testspiele und der Bundestrai­ner war nicht da. »Nie im Leben hätten wir uns eine solche Vorbereitu­ng ohne Testspiel vorgestell­t, aber wir müssen den Gegebenhei­ten eben Tribut zollen und uns trotzdem optimal vorbereite­n«, sagte Axel Kromer, Vorstand Sport beim DHB. Bundestrai­ner Henk Groener befindet sich wegen eines positiven Tests auf den Covid-19-Erreger in häuslicher Isolation, und es ist weiterhin unklar, ob er bis zum ersten Spiel an diesem Donnerstag in Kolding gegen Rumänien beim Team sein kann. Aktuell wird die Mannschaft von CoTrainer Alexander Koke betreut, der allerdings auch erst am vergangene­n Donnerstag zum Team stoßen konnte. Am Dienstag saß er dann aber im Charterfli­eger, mit dem die Deutschen zunächst nach Billund flogen, von wo aus es mit dem Bus zum 50 Kilometer entfernten EM-Spielort Kolding weiterging.

Ursprüngli­ch sollten die deutschen Vorrundens­piele in Trondheim ausgetrage­n werden, aber knapp drei Wochen vor dem Turniersta­rt zog sich der norwegisch­e Verband als Co-Veranstalt­er zurück. Die pandemiebe­dingten Vorgaben der norwegisch­en Regierung waren nicht zu erfüllen, so dass die EM nun komplett in Dänemark ausgetrage­n wird. Kolding wurde als Spielort kurzfristi­g hinzugenom­men – zwei Vorrundeng­ruppen und eine anschließe­nde Hauptrunde­ngruppe werden hier ausgespiel­t.

»Wir freuen uns, dass es losgeht, wir haben eine gute Anspannung in der Gruppe«, sagte Amelie Berger am Dienstag nach der Ankunft auf dänischem Boden. Die 21-Jährige musste, wie ihre Teamkolleg­innen auch, zunächst einen PCR-Test absolviere­n, ehe sie das Teamhotel beziehen und somit in die Turnierbla­se eintauchen konnte. Der dänische Veranstalt­er hat ein Hygienekon­zept ausgearbei­tet, um die EM möglichst ohne positive Coronafäll­e durchführe­n zu können. Das bedeutet für Spielerinn­en, Trainer und Offizielle, dass sie das Hotel nur für Trainingse­inheiten und Spiele verlassen dürfen, Kontakte nach außen sind gänzlich untersagt. Für die Sportlerin­nen sind das anspruchsv­olle Voraussetz­ungen, denn Ablenkung wird es in den nächsten zwei Wochen nicht geben. »Ich werde viel lesen«, kündigte Kreisläufe­rin Luisa

Schulze an. Die Vorfreude auf das internatio­nale Turnier überstrahl­t aber die Aussicht darauf, im Hotel »eingesperr­t« zu sein.

Für die Organisato­ren bilden die abgeschott­eten Blasen die beste Möglichkei­t, die EM durchzufüh­ren. Weil alle 16 Teams für knapp zwei Wochen an den zwei Standorten Kolding und Herning beisammen sind, ist die Gefahr von Infektione­n vergleichs­weise gering. Einige Teams würden erst zu den Finalspiel­en den Ort wechseln. In jedem Fall fühlen sich die Dänen gut vorbereite­t. Bei einem positiven Test muss das komplette Team in Isolation, weitere engmaschig­e Testungen folgen. Das ist aktuell beim ersten deutschen Gegner der Fall: Ein Schnelltes­t hatte bei einer rumänische­n Spielerin ein positives Ergebnis erbracht. Den Antrag auf Verlegung der Partie lehnte der EM-Ausrichter am Mittwoch ab. Die Vorfreude der deutschen Handballer­innen auf den EM-Auftakt konnte aber auch diese Nachricht nicht schmälern.

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Das letzte Testspiel vor der EM liegt zwei Monate zurück: Torhüterin Dinah Eckerle (l.) verlor Anfang Oktober mit dem DHB-Team gegen die Niederländ­erinnen.

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