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Der Sozialismu­s der anderen

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Sozialismu­s ist aktuell eine der Lieblingss­chmähungen der rechten Opposition im Abgeordnet­enhaus – und zwar von CDU, AfD und FDP gleicherma­ßen. Kaum eine Debatte im Landesparl­ament verläuft ohne erregte Ausrufe, mit denen sich – zumeist – Männer aus dem rechten Parteiensp­ektrum künstlich über Klientelpo­litik, Ideologie, Populismus oder eben über Sozialismu­s echauffier­en, den die rot-rot-grüne Koalition in Berlin angeblich durchsetze­n will.

Unfreiwill­ig komisch allerdings wird es dann, wenn etwa die FDP-Fraktion plötzlich selbst nicht mehr die »heilenden« Kräfte des Marktes beschwört, sondern staatliche Eingriffe anmahnt. So forderten die Liberalen in einem mittlerwei­le gelöschten Beitrag auf Twitter »eine zeitlich begrenzte Mietminder­ung, um drohende Insolvenze­n« abzuwenden. Rot-Rot-Grün sei gefordert. Konkret ging es darum, dass der Staat als Vermieter die Mieten eines Großmarkte­s senken solle, um diesen vor einer Pleite zu bewahren. »Das ist SOZIALISMU­S«, schrieb unter anderem Arbeits-Staatssekr­etär Alexander Fischer (Linke) süffisant in einer Replik.

In der Coronakris­e ist diese spezielle Form der Interventi­on häufig zu beobachten: Wenn es um die eigene Wählerklie­ntel, die eigenen Mitglieder geht, kann die staatliche Unterstütz­ung gerade nicht groß genug sein. Insbesonde­re wenn Unternehme­n gefährdet sind, muss der Staat sofort helfen. Wenn es aber um Hilfen für all jene Prekären in Berlin geht, denen in der Krise das Wasser bis zum Hals steht, die ihren Job verlieren und ihre Miete nicht mehr bezahlen können, dann schwadroni­eren einige sofort von »der DDR«. Verlogener geht es kaum. Als wenn eine gerechte Verteilung der Güter in der Gesellscha­ft nicht auch zur Idee vom Sozialstaa­t bundesrepu­blikanisch­er Prägung zählen würde. Aber was wissen die heutige FDP und CDU noch von katholisch­er Soziallehr­e und soziallibe­ralen Traditione­n? Richtig: Offenbar gar nichts.

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FOTO: ND/F. SCHIRRMEIS­TER Martin Kröger über Klientel, Ideologie und Populismus in der Coronakris­e

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