nd.DerTag

Klage gegen Amazon

Laut »Eldiario« soll der Onlineries­e in Barcelona seine Mitarbeite­r überwachen lassen haben

- RALF STRECK

Letzte Woche wurde bekannt, dass Amazon die US-Detektei Pinkerton anheuerte, um die Belegschaf­t und Gewerkscha­fter auszuspion­ieren. Der Skandal weitet sich aus, wie spanische Berichte zeigen.

Die spanische Gewerkscha­ft Arbeiterko­mmissionen (CCOO) klagt am Sozialgeri­cht in Barcelona gegen Amazon. Der Grund: Der Onlinevers­andhändler soll Beschäftig­te bespitzelt haben. »Das sind Praktiken aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunder­ts, die Grundrecht­e verletzen«, erklärte der katalanisc­he CCOO-Sprecher Manolo Fages. Man prüfe auch strafrecht­liche Schritte. Für die CCOO, die die Mehrheit im Betriebsra­t des Amazon-Lagers in Barcelona stellt, ist klar, dass durch die Überwachun­g eines Streiks durch eine Sicherheit­sfirma das Streikrech­t, die Vereinigun­gsfreiheit und die Rechte auf Schutz der Privatsphä­re und Datenschut­z der Beschäftig­ten und der Betriebsra­tsmitglied­er verletzt wurden.

»Motherboar­d«, ein Ableger des US-Magazins »Vice«, hatte vergangene Woche berichtet, dass Amazon offenbar die Aktivitäte­n von Beschäftig­ten europaweit über die Detektei Pinkerton überwachen lässt und dazu auch Spione »einschleus­t«. Anfang der Woche hatte die spanische Onlinezeit­ung »Eldiario« berichtet, dass Pinkerton auch in Spanien aktiv war und dafür die Dienste der Sicherheit­sfirma Castor & Polux genutzt habe. Überwacht wurde zum Beispiel ein Streik im Amazon-Lager in Barcelona im vergangene­n Herbst. Der Bericht, den Castor & Polux für Amazon darüber angefertig­t hat, liegt »Eldiario« vor.

Akribisch werden auf 51 Seiten die Aktivitäte­n der Belegschaf­t dokumentie­rt und die Vorgänge mit Bildmateri­al untermauer­t. Schon in der Nacht vor dem Streiktag lagen die Spione demnach verdeckt auf der Lauer. Sie berichtete­n, dass sich eine »Personengr­uppe versammelt« habe, die sich über Kleidungss­tücke als Gewerkscha­ftsmitglie­der zeigen. »Die Gesichter werden für mögliche Identifika­tionen aufgezeich­net«, schreiben die Spione. Auch Autokennze­ichen von Journalist­en, die über den Streik berichtet haben, wurden notiert und Bilder von deren Fahrzeugen gemacht.

Wie »Eldiario« weiter berichtete, wurde anscheinen­d auch eine Aktion an einem PopUp-Store in der spanischen Hauptstadt Madrid am Black Friday 2019 überwacht. Es handelte sich um eine Aktion im Rahmen der monatelang­en Tarifausei­nandersetz­ungen mit Amazon, die es ähnlich wie in Deutschlan­d auch in Spanien gibt. In dem internen Amazon-Dokument in englischer Sprache, das »Eldiario« ebenfalls vorliegt, wird auch die Arbeit von Journalist­en analysiert. Konkret wird ein Artikel von Jesús Martínez in der Zeitung »La Informació­n« genannt. Der Journalist wird als »sehr kritisch und gewerkscha­ftsnah« bezeichnet, der »in einem negativen Ton berichtet und die Message der Gewerkscha­ften verbreitet«.

Pinkerton hat seit Jahrzehnte­n den Ruf, systematis­ch Gewerkscha­ftsaktivit­äten zu bekämpfen. Die von der Detektei beauftragt­en Akteure in Spanien sind wiederum bereits in andere Skandale verwickelt. Castor & Polux gehört dem Ex-Polizisten Julián Peribañez. Dieser ist für »Eldiario« ein alter Bekannter der »politische­n Brigade«: Er habe schon in der »Operation Katalonien« eine Rolle gespielt, bei der falsche Anschuldig­ungen gegen Katalanen fabriziert wurden.

Das Verbindung­sglied von Castor & Polux zur Polizei bei der Streiküber­wachung war demnach Antonio Giménez Raso. Der Ex-Polizist ist mit dem inhaftiert­en Ex-Kommissar José Manuel Villarejo wegen Bildung einer kriminelle­n Organisati­on angeklagt. Die Truppe soll unter anderem der Regierung der rechten Volksparte­i (PP) geholfen haben, Beweise über ihre schwarzen Kassen, Schmiergel­der und illegale Parteienfi­nanzierung verschwind­en zu lassen, was wiederum über Staatsgeld­er aus den Spezialfon­ds finanziert worden sei. Angeklagt ist deswegen auch der ehemalige Innenminis­ter Jorge Fernández Díaz, der von seinem früheren Staatssekr­etär schwer belastet wird.

Der Ex-Polizist Julián Peribañez will aus Gründen der »Kundenvert­raulichkei­t« keine Angaben zu den Vorgängen machen. Amazon hat gegenüber »Eldiario« bestritten, dass man Pinkerton oder deren Partner damit beauftragt habe, den Streik in Barcelona zu überwachen. Dass man mit Pinkerton zusammenar­beitet, hatte Amazon dagegen schon gegenüber »Vice« eingeräumt.

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Einfache Amazon-Angestellt­e haben nichts zu lachen.

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