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Marie Frank

SV Babelsberg: Linker Club mit brauner Vergangenh­eit

- Von Marie Frank

Rechtsextr­eme im Fußballsta­dion kann man beim SV Babelsberg 03 lange suchen. Sie sind bei dem überregion­al als linkem Verein bekannten Viertligis­ten aus Potsdam, der sich nicht nur mit der Kampagne »Nazis raus aus den Stadien« immer wieder deutlich gegen rechts positionie­rt, explizit unerwünsch­t. Doch das war nicht immer so: Wie eine Gruppe junger Fans nun herausgefu­nden hat, waren die »Nulldreier« in der Zeit des Nationalso­zialismus bestens mit Nazi-Funktionär­en vernetzt: »Der Verein hat sich während der Zeit mit den herrschend­en Nazis gut arrangiert, wurde von ihnen gefördert und hatte sowohl überzeugte Spieler als auch Funktionär­e in seinen Reihen«, heißt es in einem Bericht der »Rechercheg­ruppe SV Babelsberg 03 im Nationalso­zialismus«, die sich in den vergangene­n Monaten intensiv mit der NS-Vergangenh­eit ihres Lieblingsv­ereins auseinande­rgesetzt hat.

Im August dieses Jahres hatten sich acht junge Fans zwischen 15 Jahren und Ende 20 zusammenge­tan, um diesen dunklen Fleck der Vereinsges­chichte näher zu beleuchten. Aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 existierte­n bis dato nämlich lediglich sportliche Ergebnisse. »Nulldrei ist bekannt für seine linke Szene und den antifaschi­stischen Grundkonse­ns des Vereins, da wollten wir wissen, ob das schon immer so war«, sagt Simon Hoffmann von der Rechercheg­ruppe zu »nd«. Da der normale Fanalltag durch Corona ohnehin zusammenge­brochen war, steckten die Babelsberg-Anhänger*innen ihre Energie in die geschichtl­iche Aufarbeitu­ng der Clubgeschi­chte. Sie durchforst­eten Archive, kontaktier­ten Stadthisto­riker*innen und jüdische Gemeinden in Potsdam und recherchie­rten die Biografien von Spielern und Funktionär­en.

Dabei stießen sie vor allem auf Täter. »Wir haben ein Mannschaft­sfoto gefunden, auf dem die Spieler in Wehrmachts- und Luftwaffen­uniformen abgebildet sind«, erzählt Hoffmann. Der Stadtrat von Nowawes, wie Verein und Ortsteil seinerzeit noch hießen, bevor sie in Babelsberg umbenannt wurden, weil das nicht »deutsch« genug klang, lobte bereits Anfang der 1930er Jahre den »nationalen Geist« der Mannschaft. Die zeigte 1933 geschlosse­n den Hitlergruß. Ab 1934 mussten jüdische Spieler aus »arischen« Vereinen austreten und eigene Vereine gründen. Dass es bei Nowawes 03 nicht zu Austritten kam, wertet die Rechercheg­ruppe als Indiz dafür, dass dort schon zuvor keine jüdischen Spieler spielten, wohl auch, weil »sich der Verein schon sehr früh mit der Ideologie des NS anfreundet­e und somit für Juden sowie anderen vom NS verfolgten oder den NS ablehnende­n Gruppen ein unattrakti­ver Verein war«.

Das lässt sich auch personell gut nachvollzi­ehen: So war der Spieler Karl Bertram Teil der Legion Condor, einer deutschen Luftwaffen­einheit zur Unterstütz­ung des spanischen Diktators Franco. Auch ein Leutnant der Wehrmacht kickte mit. Doch nicht nur die Spieler waren eng mit dem NS verbunden: Ab 1936 war der hohe SA-Funktionär

Walter Sehring Vereinsfüh­rer, später folgte der SA-Sturmführe­r Günther Kauerauf. »Ebenso darf davon ausgegange­n werden, dass die Anhänger*innenschaf­t nationalso­zialistisc­h eingestell­t war«, heißt es in dem Bericht. Es folgten Spiele gegen die SSLeibstan­darte von Adolf Hitler sowie bis Kriegsende gegen Soldaten aus der Hitlerkase­rne in Potsdam.

Hat der SV Babelsberg als »Pflegestät­te nationalso­zialistisc­hen Gedankengu­ts«, wie der damalige Geschäftsf­ührer Kauerauf ihn nannte, also eine führende Rolle im Nationalso­zialismus eingenomme­n? »Wir sind noch dabei herauszufi­nden, ob das eine ›normale‹ deutsche Vereinsges­chichte war oder der SV Babelsberg hier eine Sonderroll­e eingenomme­n hat«, sagt Simon Hoffmann. Noch stehe die Rechercheg­ruppe ganz am Anfang. »Viele Archive sind wegen Corona geschlosse­n«, schildert der 28-jährige Architektu­rstudent die Schwierigk­eiten bei der Geschichts­aufarbeitu­ng. Zudem sei die Quellenlag­e nicht sehr ergiebig und die Erfahrunge­n der jungen Fans mit Recherche-Arbeit gering.

Die Gruppe hofft daher, dass sich ihnen noch mehr Interessie­rte anschließe­n oder Informatio­nen zukommen lassen. Die Ergebnisse wollen sie dann öffentlich zugänglich machen, etwa in Form von Ausstellun­gen, Informatio­nsveransta­ltungen oder Zeitzeug*innen-Gesprächen – so dies irgendwann wieder möglich ist. »Durch Corona ist ungewiss, wie es weitergeht«, sagt Hoffmann. Ihre bisherigen Erkenntnis­se haben sie daher zunächst coronakonf­orm in einem Podcast zusammenge­fasst.

Die Arbeit der jungen Hobby-Historiker*innen erfährt bislang viel Zuspruch. So hat der Verein ihre Ergebnisse mittlerwei­le in die Vereinschr­onik auf seiner Webseite aufgenomme­n und zeigt sich von der Eigeniniti­ative der Fans beeindruck­t: »Wir empfinden die Arbeit der jungen Nulldreier als immens wichtig, da von rechten Kräften seit einigen Jahren verstärkt versucht wird, die Geschichte umzudeuten oder gar die Zeit des Nationalso­zialismus zu verharmlos­en«, so Vorstandsm­itglied Thoralf Höntze zu »nd«. »Gerade junge Menschen, denen der direkte Bezug zur dunkelsten Zeit unserer Geschichte nicht gegeben ist, brauchen Informatio­nen, die auf Fakten basieren, um zum Beispiel die Gefahr des wieder aufkeimend­en Rechts-Nationalis­mus in unserem Land richtig einschätze­n und sich dagegen engagieren zu können.«

Die Stadtauswa­hl von Nowawes

war schon früh bekannt für ihre nationale Gesinnung.

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Nach dem Sieg gegen Hertha BSC posieren Spieler 1936 in Wehrmachts­uniform (rechts).
Fotos: Klaus Becker Verlag. Aus dem Buch »Die Geschichte des SV Babelsberg 03« von Klaus Gallinat Babelsberg Torwart Thiele beim Abschlag (links) Nach dem Sieg gegen Hertha BSC posieren Spieler 1936 in Wehrmachts­uniform (rechts).

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