nd.DerTag

Impfpass ist keine gute Lösung

Jakob Hayner zu den Plänen der EU-Kommission

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Der digitale Impfauswei­s auf europäisch­er Ebene soll kommen. Damit reagieren die EU-Regierungs­chefs zunächst auf ein rechtliche­s Problem. Denn Grundrecht­e – manche erinnern sich noch – sind unveräußer­lich und keine »Privilegie­n«. Niemand darf grundlos und unverhältn­ismäßig mit Verboten und Einschränk­ungen belegt werden. Und diesen Rechtsgrun­dsatz darf man auch mit sich erschöpfen­den Appellen an die Solidaritä­t nicht umgehen. Einschränk­ungen müssen sachlich begründet werden, sonst sind sie bloße Willkür und als solche abzulehnen. Hatte man bisher mit dem Grundsatz der Gefahrenab­wehr argumentie­rt (in dem Sinne, dass jeder Mensch ein gefährlich­er Virenverbr­eiter sein könne), lässt sich das bei nachgewies­en Immunisier­ten noch schlechter behaupten als zuvor schon. Gesucht wurde also nach einer Lösung, um die Freiheitsb­eschränkun­gen aufrechtzu­erhalten, aber nicht mehr für alle. Mit dem Impfpass hat man nun ein Instrument dafür gefunden.

Nach dem israelisch­en Vorbild der »Grünen Pässe« und »Grünen Zonen« würde die Wahrnehmun­g von Rechten künftig an staatlich zertifizie­rte Immunisier­ung durch Impfung geknüpft – und (da sollte man sich keine Illusionen machen) kontrollie­rt, auch polizeilic­h. Die Probleme solcher Maßnahmen liegen auf der Hand. Sie zeigen zudem, dass sich die europäisch­en Regierunge­n in ihrer Pandemiepo­litik verrannt haben. Statt das öffentlich­e Gesundheit­swesen auszubauen, um eine gute Versorgung für alle zu garantiere­n, wird nun die Impfung als einziger Ausweg präsentier­t. Und ein Impfpass, von dem der Zugang zum öffentlich­en Leben abhängt, ist Impfzwang durch die Hintertür. Der digitale Impfpass in seiner neuen Funktion wäre ein weiterer Schritt, nicht die öffentlich­e Vorsorge zu stärken, sondern Druck und Verantwort­ung auf die Einzelnen zu verlagern.

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