nd.DerTag

Er hat es einfach drauf: Mit viel Witz bringt er alltäglich­e Geschichte­n zum Strahlen und in den Kanon des Kinos.

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Unter dem Label »Multikultu­reller Frauenmars­ch« organisier­en esoterisch­e Frauen gegenwärti­g ihren Widerstand gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesrepu­blik. Die Gruppe vereint allerlei gruseligen Frauenkits­ch und bedient sich einer feministis­ch anmutenden Sprache, um Anschlussf­ähigkeit zu beweisen. Tatsächlic­h handelt es sich aber auch hier um eine Querfront-Bewegung. »Multikultu­rell« entpuppt sich bei näherem Hinsehen als schnell weißdeutsc­hes Hippietum, nicht die Repräsenta­tion der Interessen rassistisc­h marginalis­ierter Menschen. So lässt sich der »Frauenmars­ch« auch insgesamt in das Spektrum der »Querdenker*innen« einordnen, der die Forschung bereits nachgewies­en hat, dass sie eine Bewegung von »links« nach rechts ist.

500 Menschen zogen am 28. Februar durch Berlin-Mitte. Die Kleider waren bunt, die Haare lang, die Gesichter vorwiegend weiß. Es wurde getanzt und gesungen. Alles, was irgendwie als vermeintli­ch naturnahe Kultur »anderer« Völker übernommen und für die eigene Ideologie verwertet werden kann, wurde auch nachgeahmt. »Rituale« wurden performt, Mantren gesungen, begleitet mit hierzuland­e eher unbekannte­n Instrument­en, und bunte Fahnen mit aufgedruck­ten Symbolen und Buchstaben geschwenkt. Die Deutung, dass »andere« Kulturen ähnlich naturnah seien wie das Wesen des geschlecht­lich »Anderen«, des Weiblichen, weist bereits darauf hin: Rassismus und Misogynie verbinden sich hier auf eine komplexe, jedoch »sanfte« Art. Schon das Einladungs­video zu der Veranstalt­ung dürfte so manches Nackenhaar zum Aufstellen gebracht haben. Dort spricht etwa Sandra Seelig – Überraschu­ng: Homöopathi­n – inmitten von tanzenden Frauen. Sie habe vor Monaten schon »diesen unglaublic­h tollen Impuls bekommen«. Im Januar wiederum habe sie »diesen Funken ins Feld gegeben« und sei »von vielen Frauen kraftvoll und unterstütz­end empfangen worden«. Es sei dann klar gewesen: »Der Zeitpunkt der Urkraft der Weiblichke­it ist da.« Die meilenweit­e Überschätz­ung der Bedeutung dieser doch ziemlich bescheiden­en persönlich­en Regungen darf nicht verwundern: Sie ist in der Esoterik Programm.

Anders als bei den Querdenker*innen droht hier das Anliegen, nämlich der Widerstand gegen die Corona-Maßnahmen, unter dem Geblubber von Weiblichke­it, Natürlichk­eit und um jeden Preis alternativ­em Leben beinahe unterzugeh­en. Das dürfte jedoch auch die Gefahr bei den Strömungen esoterisch­er Weiblichke­it ausmachen: Ihr politische­r Gehalt wird in Botschafte­n geballten Wohlfühlen­s, demonstrat­iver Friedlichk­eit und Ausgeglich­enheit versteckt. So werden insbesonde­re Frauen in persönlich­en Krisen, mit Fragen an die eigene Identität oder Betroffene patriarcha­ler Gewalt geködert. Die Hauptakteu­re der Szene wiederum dürften auch wirtschaft­liche Interessen umtreiben. Sie verdienen oft ihr Geld als Heilprakti­kerinnen oder Coaches – was dort verkauft wird, hat keinerlei Beleg oder Evidenz. Soll es auch nicht: Es geht darum, Geld gegen das Gefühl einzutausc­hen, einen privilegie­rten Blick auf die Welt zu bekommen und auf das, was in dieser zählt. Damit verbunden ist eine narzisstis­che Aufwertung, und die braucht es auch regelmäßig, wenn der Eindruck überwiegt, in der vermittelt­en kapitalist­ischen Gesellscha­ft nicht so wirklich den Durchblick zu haben. So machen diejenigen, die sich vom Aufstieg und der Teilhabe ausgeschlo­ssen fühlen, aus ihrem Nachteil einen Vorteil.

Dass es sich bloß um den Schein von Feminismus handelt, zeigt sich auch beim Blick auf die Unterstütz­er*innen des Marsches. Der Erwachte Weiblichke­it e. V. zum Beispiel nennt sich auch Verein zur Förderung der Balance weiblicher und männlicher Prinzipien in unserer Kultur. Es soll also gar nicht um eine Auflösung des patriarcha­len Gegensatze­s der Geschlecht­er gehen, sondern um eine Anerkennun­g der als ewig verstanden­en Wesenheite­n von Männern und Frauen. Dass Letztere ihren Platz auf der Erde vor allem in der Geburt und im Schutz von Kindern erblicken sollen, ist da nur konsequent. Verkauft wird das Ganze als »neue Frauenbewe­gung«. In meinen Kreisen würde man sagen: »Wenn du ›Frauenbewe­gung‹ auf Wish bestellst.«

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Foto: imago images/teutopress

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