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Berlins oberste Datenschüt­zerin über Polizeiwid­erstand bei rechten Vorfällen und sicheres Distanzler­nen an Schulen.

Berlins Datenschut­zbeauftrag­ter Maja Smoltczyk werden Steine in den Weg gelegt.

- Von Claudia Krieg

Frau Smoltczyk, wenn die Berliner Polizei Begriffe wie »Sinti« oder »Roma« in Ermittlung­sakten verwendet und damit rechtswidr­ig Daten erhebt, welche Problemlag­e sehen Sie da?

Die Begriffe Roma, Sinti und auch das Z-Wort werden teilweise verwendet, ohne dass dies erforderli­ch wäre. Angaben zur ethnischen Zugehörigk­eit sind sensitive Daten, die besonders geschützt werden müssen. Es darf nicht zu einer Stigmatisi­erung von Menschen aufgrund ethnischer Zuschreibu­ngen kommen. Nur wenige Ausnahmen erlauben Hinweise auf eine ethnische Zugehörigk­eit: zum Beispiel beim Verdacht rassistisc­h motivierte­r Straftaten oder wenn die Betroffene­n sich selber so bezeichnen.

Hat die Debatte die Polizei nicht erreicht? Wir haben Signale von der politische­n Spitze der Verwaltung bekommen, dass diese Probleme ernst genommen werden. Man kann also nicht sagen, es passiert nichts. Mir persönlich ist es ein großes Anliegen, dass wir solche Vorurteile in der öffentlich­en Verwaltung und insbesonde­re auch bei der Polizei abbauen. Die Polizei ist besonders aufgeforde­rt, keinen Zweifel an ihrer demokratis­chen und neutralen Gesinnung aufkommen zu lassen.

Wie ist denn die Resonanz auf Ihre unabhängig­e Untersuchu­ng?

Da ist Luft nach oben, das gebe ich zu (lacht). Es ist leider so, dass die Polizei nicht immer mit uns so kooperiert, wie es eigentlich gesetzlich erforderli­ch wäre. Nach den rechtsextr­emen Morddrohun­gen im vergangene­n Jahr gab es den Verdacht, dass dafür aus den Reihen der Polizei zu Unrecht Daten abgefragt worden sind. Bei unserer Überprüfun­g hat sich gezeigt, dass es nicht zu allen Abfragen der Polizeidat­enbank nachvollzi­ehbare Begründung­en gab. Dafür sind aber dienstlich­e Gründe erforderli­ch, man darf Daten nicht einfach so abfragen, weil einen das gerade mal interessie­rt. Wir haben da sehr oft nachgefass­t, leider nur mit begrenztem Erfolg. Es wurden bisher nicht alle Abfragen aufgeklärt.

Mit welchen Argumenten?

Man hat sich zum Beispiel auf strafproze­ssrechtlic­he Verfahrens­rechte von beteiligte­n Mitarbeite­nden berufen. Und dass es keine hinreichen­d konkreten Anhaltspun­kte gebe. Aber es ist unsere Aufgabe, Datenschut­zverstöße aufzukläre­n und die Einhaltung des Datenschut­zrechts durchzuset­zen. Wir müssen Beschwerde­n nachgehen und haben das Recht, Untersuchu­ngen durchführe­n. Und das ist an keinerlei Auflagen geknüpft – weder an die Einhaltung von Verfahrens­rechten Betroffene­r in Strafermit­tlungsverf­ahren noch an die Bestimmthe­it von Eingaben. Wir können Überprüfun­gen auch ohne konkreten Anlass durchführe­n, um die Einhaltung der Datenschut­zregeln sicherzust­ellen. Wir brauchen dafür auch keine Genehmigun­g der Staatsanwa­ltschaft, wie uns vonseiten der Polizei öfter entgegenge­halten wird.

Man sollte meinen, dass das bei den Sicherheit­sbehörden bekannt ist.

Wir sind im Gespräch mit den Verantwort­lichen. Ich hoffe, dass wir das irgendwann mal gelöst kriegen. Die Polizei ist, wie jede andere Behörde oder Einrichtun­g auch, gesetzlich verpflicht­et, mit uns zusammenzu­arbeiten. Wir machen ja auch Vorschläge, wie man mit solchen Fällen umgehen kann. Wenn man die Mitarbeite­nden nicht sofort direkt befragen möchte, kann man erst mal mit den Vorgesetzt­en sprechen, man kann die Zuständigk­eiten überprüfen, man kann die Dienstplän­e und Eintragung­en kontrollie­ren, ob sich daraus ein konkreter Anlass und eine Erklärung für die Abfrage ergibt.

Das Thema Datenschut­z ist in der öffentlich­en Wahrnehmun­g nicht wohlgelitt­en.

Da ist leider etwas dran. Ich habe deshalb kürzlich einen Brandbrief veröffentl­icht, zusammen mit meinem Kollegen aus Rheinland-Pfalz. Es ärgert uns, dass immer wieder so getan wird, als ob nur der Datenschut­z eingeschrä­nkt werden müsste, um Probleme zu lösen – irgendetwa­s geht schief und sofort ist der Datenschut­z schuld. Aber so ist es nicht. Datenschut­z dient dem Schutz der Menschen, er ist nicht dazu da, um sie zu gängeln. Wenn Daten im Netz sind, können sie potenziell auch missbrauch­t werden, und zwar in einem weit bedrohlich­eren Ausmaß als zu der Zeit, in der Daten nur in Karteikart­en abgelegt wurden.

Wird der Digitalisi­erungsschu­b der Pandemie das nicht verschlimm­ern? Stichwort Schule: Hier in Berlin gibt es zwar eine Lernplattf­orm, die auf einem guten Weg ist, aber die bereitgest­ellten Ressourcen waren überhaupt nicht ausreichen­d für die Vielzahl an Nutzer*innen. Das ist aber kein Problem des Datenschut­zes, sondern vor allem eins der technische­n und personelle­n Kapazitäte­n, die in die Entwicklun­g der digitalen Angebote investiert wurden. Dann wird gesagt: »Der Datenschut­z stört, warum können wir nicht die amerikanis­chen Produkte verwenden?« Der Rückgriff auf nicht datenschut­zgerechte Produkte war in der akuten Notsituati­on der Pandemie vielleicht nachvollzi­ehbar, darf aber nicht zum Dauerzusta­nd werden. Vor allem Kinder sind noch nicht in der Lage, wirklich selbststän­dig, kritisch und umsichtig mit solchen IT-Produkten umzugehen. Die Bildungsve­rwaltung müsste eine Auswahl datenschut­zgerechter Produkte zur Verfügung stellen und einen geschützte­n Lernraum schaffen, in dem sich sowohl Lehrer*innen als auch Schüler*innen frei bewegen können.

Hier gab es zuletzt sicher viele Fehler.

Ja, aber wir haben davon abgesehen, die Schulen zu sanktionie­ren, wenn da jetzt aus der Not der Situation heraus Produkte genommen worden sind, die nicht den Anforderun­gen entspreche­n. Wir haben stattdesse­n Hinweise gegeben zum datenschut­zkonformen Einsatz von digitalen Lernplattf­ormen und Videokonfe­renzdienst­en.

Sind Sie noch im analogen Bereich tätig? Ja, nach wie vor gibt es viele Probleme auch im analogen Bereich. Bei der Besichtigu­ng von Wohnungen werden immer noch zu viele Daten abgefragt, es gibt immer wieder Probleme mit dem Schutz der Daten von Beschäftig­ten oder mit Videoüberw­achung. Ein aktuelles Beispiel betrifft den Berlin-Pass. In der Pandemie wurden diese Pässe nicht mehr ausgestell­t. Personen, die deshalb keinen Berlin-Pass haben, müssen nun bei Kontrollen in der BVG den Leistungsb­escheid vorlegen. Das ist nicht hinnehmbar, weil dort hochsensib­le Angaben enthalten sind, die einen Kontrolleu­r wirklich nichts angehen.

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 ?? Foto: imago images/Tagesspieg­el/Mike Wolff ?? Sucht Wege, rassistisc­he Vorurteile in den Berliner Behörden abzubauen: Berlins Datenschut­zbeauftrag­te Maja Smoltczyk
Foto: imago images/Tagesspieg­el/Mike Wolff Sucht Wege, rassistisc­he Vorurteile in den Berliner Behörden abzubauen: Berlins Datenschut­zbeauftrag­te Maja Smoltczyk

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