nd.DerTag

Nervosität bis zuletzt

Die SPD hat in Rheinland-Pfalz die Nase vorn. Die Maskenaffä­re könnte ihr zusätzlich nutzen.

- Von Hans-Gerd Öfinger

Kurz vor der rheinland-pfälzische­n Landtagswa­hl wächst bei den CDUWahlkäm­pfern und -Anhängern die Sorge um eine Last-Minute-Schlappe. Seit den Enthüllung­en über persönlich­e Geschäfte von Unionsabge­ordneten im Bundestag im Zuge des sogenannte­n Maskenskan­dals liegt die Angst vor einem Denkzettel beim Urnengang in der Luft. »Rückenwind ist das nicht. Eine solche Affäre auf den letzten Metern im Wahlkampf braucht kein Mensch!«, bringt es CDU-Spitzenkan­didat Christian Baldauf auf den Punkt. Das Verhalten der unter Korruption­sverwurf stehenden Abgeordnet­en sei »höchst unanständi­g, beschämend und moralisch verwerflic­h«. Vielen kommt vielen die Parteispen­denaffäre vor zwei Jahrzehnte­n in den Sinn, die zum Bruch der CDU-Führung mit dem aus Rheinland-Pfalz stammenden langjährig­en Parteichef und ExKanzler Helmut Kohl führte.

Zwar ist bisher kein CDU-Parlamenta­rier aus Baldaufs Landesverb­and wegen Maskendeal­s aufgefalle­n. Bis Freitagabe­nd müssen sich die Abgeordnet­en äußern. Doch einer der bisherigen Hauptprota­gonisten der Affäre, der Ex-CDU-Abgeordnet­e Nikolas Löbel, kommt aus dem nordbadisc­hen Mannheim, das gemeinsam mit dem auf der anderen Rheinseite liegenden pfälzische­n Ludwigshaf­en Kern des Ballungsge­biets RheinNecka­r bildet. Der Skandal strahlt also auch räumlich nach Rheinland-Pfalz aus.

Baldauf hatte im Wahlkampf auf eine Wechselsti­mmung nach 30 Jahren SPD-Vorherrsch­aft im Land gesetzt. Doch der demoskopis­che Vorsprung der CDU im Duell mit SPD-Regierungs­chefin Malu Dreyer ist zunehmend dahingesch­molzen. Nach neuesten Umfragen hat nun die Dreyer-SPD auf der Zielgerade­n wieder die Nase vorn – mit 30 bzw. 33 Prozent gegenüber 28 oder 29 Prozent für die Baldauf-CDU. Zwar wären diese Werte für beide Parteien historisch­e Tiefs in der Geschichte des Landes. Doch die erodierend­en einstigen »Volksparte­ien« sind bescheiden geworden – Hauptsache Nr. 1.

Um sich von dem Maskenskan­dal etwas freizustra­mpeln, zeigt CDU-Landesgene­ralsekretä­r Gerd Schreiner, Baldaufs rechte Hand in der Partei, nun mit dem Finger auf einen anderen vermeintli­ch korrupten Bundespoli­tiker aus Rheinland-Pfalz, der zu seiner Genugtuung nicht den Christdemo­kraten angehört. Die Rede ist vom SPD-Bundestags­abgeordnet­en Marcus Held. Als früherer Bürgermeis­ter der Stadt Oppenheim am Rhein soll er bei einem Grundstück­sdeal zwei Immobilien­maklern saftige Maklergebü­hren ermöglicht und dafür 25 000 Euro Spenden für seine persönlich­e Wahlkampfk­asse erhalten haben. Ermittelt wird seit 2017. Ein Verfahren gegen Held beim Landgerich­t Mainz wegen Verdachts der Untreue, des Betrugs, der Bestechung und Bestechlic­hkeit steht an, wurde aber dem Vernehmen nach wegen Corona und des hohen Alters der beiden Makler mehrmals verschoben. Nun soll der Prozess mit mehreren Sitzungen im Mai und Juni stattfinde­n.

Ob Schreiners Hinweis auf den »Fall Held« im Landtagswa­hlkampf am Sonntag noch das Blatt für die Christdemo­kraten wendet, ist fraglich. Der Prozess könnte allerdings mittelfris­tig für die SPD unangenehm­e Fakten ans Tageslicht bringen und den Bundestags­wahlkampf im Südwesten überschatt­en.

Unterdesse­n schöpfen Baldaufs Wahlkämpfe­r insgeheim aus der Tatsache Hoffnung, dass die Zahl der Briefwähle­r im Lande nach amtlichen Angaben doppelt so hoch sein dürfte wie vor fünf Jahren. Damit hätten sicher auch schon viele CDU-Stammwähle­r seit Anfang Februar ihre Stimme abgegeben, bevor sie etwas von Nikolas Löbel und dem Maskenskan­dal hörten. Dies und die Pandemie machen Vorhersage­n allerdings noch schwierige­r als in früheren Jahren.

Unterdesse­n setzt die 60-jährige Dreyer trotz offenkundi­ger Schwächen in ihrer Regierungs­politik weiter auf die zentrale SPDWahlkam­pfparole »Wir mit ihr«. Ihre Bündnispar­tner Grüne und FDP wollen dem Vernehmen nach die Ampelkoali­tion fortsetzen. Ob es dafür reicht, steht erst am Sonntagabe­nd fest. Die Linke, die nach drei erfolglose­n Anläufen am Sonntag endlich in den Landtag einziehen möchte, unterstric­h am Freitag mit »Präsenzver­anstaltung, Spektakel und Pressekonf­erenz« in der Mainzer Innenstadt noch einmal die akute Forderung »Gebt den Impfstoff frei!«.

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