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Proteste zeigen Wirkung

Im Zuge des Prozesses wegen der Tötung von George Floyd ist wieder mit Black-Lives-Matter-Demonstrat­ionen zu rechnen.

- Von Johanna poll

Am 25. Mai 2020 stirbt der 46-jährige Afroamerik­aner George Floyd in Minneapoli­s, Minnesota. Er stirbt bäuchlings auf der Straße liegend, in Handschell­en, neben einem geparkten Polizeiaut­o, drei Polizisten knien auf seinem Körper und drücken ihn zu Boden. Einer der Polizisten ist Derek Chauvin. Er kniet auf Floyds Hals – 8 Minuten und 46 Sekunden lang. In dieser Zeit sagt George Floyd mehrmals, »I can’t breathe« (ich kann nicht atmen) und ruft nach seiner verstorben­en Mutter. In den letzten zwei Minuten ist Floyd regungslos und hat keinen Puls mehr.

Nach dem Tod von George Floyd gingen überall in den USA – und auch in anderen Ländern – Menschen gegen rassistisc­he Polizeigew­alt auf die Straße. Ein knappes Jahr später begann diese Woche nun der Strafproze­ss wegen Totschlags gegen Derek Chauvin in Minneapoli­s. Der Prozess gegen einen Polizisten hat eine hohe politische Brisanz, die Bewegung Black Lives Matter (BLM) und progressiv­e Amerikaner*innen fordern eine langjährig­e Haftstrafe für Chauvin.

Am Donnerstag entschied ein Gericht in Minnesota, einen Anklagepun­kt wieder zuzulassen: »heimtückis­cher« Mord »dritter Ordnung«. Chauvin ist außerdem wegen »unabsichtl­ichem« Mord zweiter Ordnung und Totschlag zweiter Ordnung durch sträfliche Pflichtver­nachlässig­ung angeklagt – die drei Anklagepun­kte sind mit Gefängniss­trafen von 40, 25 und 10 Jahren bewehrt. Die Jury entscheide­t, ob und wofür er verurteilt wird.

Im Zuge des Prozesses ist mit Black-LivesMatte­r-Demonstrat­ionen zu rechnen. Die derzeit größte Bürgerrech­tsbewegung der USA, existiert bereits seit 2013. Damals erschoss

George Zimmerman, Freiwillig­er bei einer Nachbarsch­aftswache, in Florida den 17-jährigen Schwarzen Trayvon Martin, als dieser mit Süßigkeite­n aus einem Supermarkt nach Hause ging. Zimmerman wurde von einer Geschworen­enjury freigespro­chen, weil er angeblich in Selbstvert­eidigung gehandelt habe.

Nach dem Freispruch Zimmermans riefen drei schwarze Aktivistin­nen – Alicia Garza, Patrisse Cullors und Opal Tometi – eine Protestbew­egung ins Leben, die sie »Black Lives Matter« nannten, um Gewalt und strukturel­len Rassismus zu bekämpfen. Der Ausdruck »Black Lives Matter« wurde erstmals in einem Facebook-Post von Garza verwendet, daraus erstellte Cullors dann den Hashtag #BlackLives­Matter.

Offenbar zeigen die landesweit­en Proteste Wirkung: Laut einer im Februar veröffentl­ichten Studie der University of Massachuse­tts Amherst besteht eine Korrelatio­n zwischen BLM-Demonstrat­ionen und der Abnahme von Polizeigew­alt. Es wurde festgestel­lt, dass die Tötungen durch Polizisten in Gegenden mit entspreche­nden Demonstrat­ionen im Durchschni­tt um 16,8 Prozent zurückging­en, im Vergleich zu Gegenden ohne BLM-Demonstrat­ionen.

Inzwischen ist BLM mehr als eine Protestbew­egung, sie wirkt auch über die USA hinaus: Nach dem Tod George Floyds im letzten Sommer fanden in mehr als 60 Ländern Black-Lives-Matter-Demonstrat­ionen gegen Rassismus und Polizeigew­alt statt. Aus der Initiative ist mittlerwei­le auch eine Stiftung entstanden, die »Black Lives Matter Global Network Foundation«. Diese gibt an, im vergangene­n Jahr etwas mehr als 90 Millionen Dollar Spenden erhalten zu haben. Nach dem

Tod von George Floyd erhielt die Stiftung besonders viel Geld. Sie will die finanziell­en Mittel für mehr zu nutzen, als für Demonstrat­ionen gegen Rassismus und Polizeigew­alt. Ein Schwerpunk­t für 2021 soll »wirtschaft­liche Gerechtigk­eit« sein, insbesonde­re in Bezug auf die anhaltende­n sozioökono­mischen Auswirkung­en von Covid-19 auf besonders betroffene schwarze Communitys.

Obwohl die Stiftung sich weigert, prominente Spender zu nennen, geben Tech-Konzerne wie Amazon, Facebook, Google und Twitter gern an, hohe Beträge an verschiede­ne Organisati­onen zu spenden, die sich gegen Rassismus einsetzen. Linke in den USA kritisiere­n dies: Mittels Spenden und ein wenig symbolisch­em Aktionismu­s, etwa durch ein Bekenntnis zu Black Lives Matter, wollten die Konzerne einen Haken hinter das Thema Rassismus machen. Jedoch: Nach Angaben der Konzerne stimmten ihre Aktionäre gegen Beschlüsse, die zur Verbesseru­ng des Lebens von Afroamerik­anern beigetrage­n hätten.

Aber die Untätigkei­t der Wirtschaft ist nicht das einzige Problem: Von der früheren Regierung unter Trump sowie aus der rechten Ecke wurde die Black-Lives-Matter-Bewegung wiederholt diffamiert und als »Terroriste­n«, »Marxisten« oder »Linksradik­ale« bezeichnet. Tatsächlic­h verliefen von den über 7750 Black-Lives-Matter-Demonstrat­ionen im letzten Sommer in den USA mehr als 93 Prozent friedlich und es waren vor allem Polizisten, die durch unverhältn­ismäßige Gewaltanwe­ndung gegen Demonstrie­rende auffielen. Der norwegisch­e Linken-Politiker Petter Eide hat die Black-Lives-Matter-Bewegung im Januar sogar für den Friedensno­belpreis vorgeschla­gen.

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Foto: AFP/Kerem Yucel

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