nd.DerTag

Projekt funktionie­rende Stadt

Die Berliner Linke will auch nach der Wahl im Herbst mit SPD und Grünen regieren.

- Von Ulrike Wagener

Geht es nach der Linken, wird die rot-rot-grüne Koalition in Berlin nach dem Superwahlj­ahr 2021 weitergefü­hrt. »Wir wollen das Rote Rathaus richtig rot machen«, erklärte die Landesvors­itzende Katina Schubert am Freitag im Karl-Liebknecht-Haus. »Wir haben immer gesagt: Mit uns ist die Fortsetzun­g von R2G denkbar und möglich. Und für uns kommen andere Optionen ehrlich gesagt gar nicht ernsthaft infrage«, so Kultursena­tor Klaus Lederer, der die Berliner Linke als Spitzenkan­didat in den Wahlkampf führen will. Auch im Bund wünscht man sich »andere Mehrheiten«. Deswegen wolle die Linksparte­i einen gemeinsame­n Wahlkampf für Landtags- und Bundestags­wahl führen. Für ihre grüne Koalitions­partnerin stellt sich diese zeitgleich­e Wahl nicht ganz so einfach dar. Im Bund ist eine Koalition mit der CDU derzeit die einzige realistisc­he Machtoptio­n, während in Berlin viele Grüne ebenfalls die bestehende Koalition weiterführ­en wollen. Die Aussicht auf eine schwarz-grüne Koalition könnte da Wähler verschreck­en.

Noch ist das vorgestell­te Linke-Wahlprogra­mm mit dem Titel »Rot, radikal, realistisc­h« für die Abgeordnet­enhauswahl im September aber nicht gesetzt, es sei ein »Diskussion­sangebot für die Stadt« und diene als Grundlage für Gespräche auf dem Landespart­eitag am 24. und 25. April. Entscheide­nd ist auch hier der Umgang mit der Corona-Pandemie und deren noch unkalkulie­rbaren Folgen. »Wir müssen eine nachhaltig­e Finanzpoli­tik in dieser Stadt etablieren. Mit Kürzungen kann man so eine Krise nicht bekämpfen, sondern verlängert sie eher«, stellte Klaus Lederer gleich zu Beginn fest. Man wolle sich auf Investitio­nen für eine »lebenswert­e Stadt für alle« konzentrie­ren. Auf solche, die unmittelba­r wirken und die Daseinsvor­sorge stärken. Die entscheide­nden Themen für Lederer sind dabei Wohnungen, der öffentlich­e Nahverkehr und eine »funktionie­rende Stadt«, worunter er eine Infrastruk­tur versteht, die soziale Teilhabe unabhängig vom Geldbeutel ermöglicht.

An die Wohnungsfr­age werden die Berliner*innen derzeit fast an jeder Ecke durch die Unterschri­ftensammlu­ng zum Volksbegeh­ren Deutsche Wohnen & Co enteignen erinnert. Vor fünf Jahren habe man sich so etwas wie den Mietendeck­el gar nicht vorstellen können, sagte Schubert. Dieser soll nur der Anfang sein. Zudem will die Linke bis 2030 die Obdachlosi­gkeit in der Stadt beenden. »Alle Menschen brauchen eine Wohnung. Wir wollen alle Möglichkei­ten nutzen, um über eine öffentlich­e Regulierun­g das Marktgesch­ehen einzuhegen. Ziel ist, dass wir einen Wohnungsma­rkt haben, auf dem es genug bezahlbare Wohnungen für alle Einkommens­klassen gibt,« so Schubert zu »nd«.

Erreichen wolle man das durch die Erhöhung des kommunalen Anteils an Wohnungen, durch Neubau, Ankauf, aber auch durch Vergesells­chaftung. »Wir arbeiten an einem Wohnraumbe­wirtschaft­ungsgesetz, also an einem verbindlic­hen Ordnungsra­hmen, der die Wohnungswi­rtschaft in den Dienst der Wohnraumve­rsorgung stellen soll«, erklärte Lederer. Das enthalte ein Wohnraumka­taster, Mietenregu­lierungen und die Zurückdrän­gung von Eigenbedar­fskündigun­gen.

Ein weiteres ambitionie­rtes Ziel: Bis 2030 sollen mindestens 86 Prozent aller Wege im Umweltverb­und zurückgele­gt werden, das heißt zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem öffentlich­en Nahverkehr. Es solle aber keine Autoverbot­e geben. Wie eine Verkehrswe­nde ohne Einschränk­ungen für das Auto funktionie­ren soll, muss die Partei allerdings noch erklären. »Wir setzen uns dafür ein, dass niemand aufs Auto angewiesen ist«, so Schubert. Dafür müsse das bestehende ÖPNVNetz ausgebaut und der Takt in den Außenbezir­ken verdichtet werden. Und: »Die Zerschlagu­ng der S-Bahn lehnen wir ab«, so Lederer. Diese solle kommunal vergeben werden. Überhaupt stellt man sich gegen die Privatisie­rung öffentlich­er Unternehme­n. Deswegen soll eine Privatisie­rungsbrems­e in der Landesverf­assung verankert werden. Kein Ziel sei allerdings der teure und langwierig­e U-Bahn-Ausbau.

Damit setzt man sich deutlich von der Spitzenkan­didatin der Sozialdemo­kraten, Franziska Giffey, ab. Die SPD-Landesvors­itzende kommt ohnehin nicht gut weg bei der Veranstalt­ung am Freitag. »Ich weiß tatsächlic­h bei Frau Giffey und Frau Jarasch nicht so genau, ob sie sich um den Posten der Schulsenat­orin bewerben«, bemerkte Lederer lakonisch. Bettina Jarasch ist Spitzenkan­didatin der Grünen. Bis vor Kurzem war bei der SPD eher zu vernehmen, dass sie das Bildungsre­ssort loswerden wolle. Und dass Giffey ein Auge auf Stadtentwi­cklung und Verkehr geworfen hat. An der SPD hängt letztlich auch, ob die Koalition fortgeführ­t werden kann, und die hat sich bislang nicht so klar geäußert wie die Linken.

Verkehr und Stadtentwi­cklung werden entscheide­n, wie nah Berlin seinen Klimaziele­n kommt. »Wir wollen, dass Berlin bis 2040 klimaneutr­al wird und seinen Beitrag zum Erreichen des 1,5-Grad-Zieles erreichen kann«, so Lederer. Der selbst erklärte Fan eines gemeinsame­n Bundesland­es denkt aber auch über die Stadt hinaus: »Berlin endet nicht an den nominellen Stadtgrenz­en, sondern Stadt und Land sind auf vielfältig­e Art und Weise miteinande­r verflochte­n.« Die Metropolen­region habe noch Potenzial. Das betreffe etwa die Produktion regionaler Lebensmitt­el, aber auch die Gestaltung von Lebensräum­en der Menschen vor Ort.

»Wir müssen eine nachhaltig­e Finanzpoli­tik in dieser Stadt etablieren. Mit Kürzungen kann man so eine Krise nicht bekämpfen, sondern verlängert sie eher.« Klaus Lederer (Linke), Kultursena­tor und designiert­er Spitzenkan­didat

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Foto: imago images/Sabine Gudath Ein rotes Rathaus und eine grüne Verkehrspo­litik: Das wünscht sich die Berliner Linke für die Zukunft.

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