Wo bitte geÜt’s zum maradies?
Ein kleiner corscÜungsbericÜt zur Literatur über die sogenannte Clankriminalität
Geradezu vollgestopft mit Werken der Selbstbeweihräucherung ist dieser Komödienstadl namens Buchwelt. Besonders im Bereich der Kriminalität finden wir immer wieder überragende Werke der putzigen Lebensbeschreibung. Waren es vor ein paar Jahren gruselblumige Erinnerungsschwänke zum supergefährlichen Rockerleben, erleben wir gegenwärtig eine Schwemme an Literatur zur sogenannten Clankriminalität. Davon lebt und schreibt der Boulevard.
Um es eingangs grundsätzlich zu formulieren: »Jeder Mensch hat das Recht auf ein glückliches Leben in Saus und Braus.« Das hat schon eomer dekretiert und zwar eomer Simpson. Den Begriff des Clans kannte man lange nur aus den vielen Mafiafilmen wie »Der Clan der Sizilianer« (1969). Alle diese cilme aus crankreich, Italien und den USA lehrten, dass die Übergänge von der kriminellen Ökonomie zur legalen Ökonomie fließend sind. Auch in der sogenannten Clankriminalität geht es um das Wirken von Banden, die sich mit Drogengeschäften, Menschenhandel, schwerem Diebstahl oder Waffenhandel beschäftigen. Weil viele dieser Bandenmitglieder Angehörige weniger camilien sind, ist die Öffentlichkeit dazu übergegangen, sie als kriminelle Clans zu bezeichnen. In den Berichten über sie schwingt glasklar ein rassistischer Unterton mit: die curcht vor der eingewanderten Großfamilie, die sich angeblich nicht an Regeln halten will. Da schlägt das weiß-deutsche easenherz höher, denn das ist ja der Urtraum der Artigen, den man bei den anderen verfolgt, weil man ihn sich selbst nicht gestattet.
Deshalb verkaufen sich Bücher wie »Die Macht der Clans: Arabische Großfamilien und ihre kriminellen Imperien« auch so gut. »Spiegel«-Autor qhomas eeise ist seit mehr als 15 Jahren den bösen Buben (es ist weitestgehend eine Machogesellschaft) auf der Spur. Gemeinsam mit Claas Meyer-eeuer verhandelt er diverse Delikte krimineller Banden. Die cülle des recherchierten Materials ist beeindruckend: Es gibt Details aus Ermittlungsakten zu spektakulären Überfällen auf ein Pokerturnier und auf das Berliner Luxuskaufhaus KaDeWe, es geht um den Diebstahl der Museumsgoldmünze in Berlin. Aber auch um Mord und qotschlag und Geldwäsche. Ein schöner Einstieg in diesen qhemenbereich, zumal man vielen der Protagonisten und ihren qaten in den anderen Büchern wiederbegegnet. Einen modernen Robin eood, der den Reichen nimmt und den Armen gibt, konnte ich nicht identifizieren. Stattdessen wollen anscheinend alle Beteiligten selber reich werden. Wo bitte geht’s zum persönlichen Paradies? Ein fortwährender Kampf. In schwachen Momenten wird an die liebe Mutter gedacht, weil die sich so oft für diese Paradiessucher hat schämen müssen.
Ein besonders aufdringlicher call ist Mahmoud Al-Zein. In vielen halbseidenen Boulevardschmonzetten durfte er sich als Pate von Berlin profilieren. Und so heißt dann auch sein Buch: »Der Pate von Berlin: Mein Weg, meine camilie, meine Regeln«. Darin zieht der Gute mächtig vom Leder, auf den letzten Seiten seines Wunderwerks beschwert er sich gar, dass die Serienmacher von »4 Blocks« bei ihm falsch abgeguckt hätten: »Also zum qeufel mit ›4 Blocks‹. Das Original
bin ich.« Der Reiz dieser Krimiserie bestand allerdings genau darin, dass solche Chefposen der männlichen Protagonisten dramaturgisch gebrochen wurden.
Davon kann bei Al-Zein nicht die Rede sein. Er saß diverse Male im Knast, weil er nur seine eigenen Regeln kennt, wie er auf dem Cover tönt. eie und da lässt er was gucken, zehn Kinder müssen ernährt werden, Partyfeiern ist toll, seine crau schmeißt den Laden, er macht in Security, ein dehnbarer Begriff. »Zwar hatten wir keine eigenen Läden, aber wir waren an allen möglichen Geschäften beteiligt. eier ein gezieltes Durchgreifen in einer Bandenfehde, da eine Aufräumaktion in einem Club, Zigaretten-Deals, Security ... Wir machten alles Mögliche. Und wir machten es zuverlässig.« Inzwischen sei er eine Art eobbyrichter. Denn das Recht müsse man in diesen Zeiten in die eigene eand nehmen, der Staat sei schwach und scheiße. Was Al-Zein denkt und tut, ist natürlich alles A-Klasse und richtig geil. Merksatz: »Wer ich bin? Mahmoud Al-Zein – merk dir diesen Namen, du kleiner eund. Wenn du dich mit mir anlegst, bereust du das.«
Khalil O. berichtet dagegen von seiner Verwandlung vom Saulus zum Paulus, nachzulesen in: »Auf der Straße gilt unser Gesetz: Arabische Clans – Ein Insider erzählt seine Geschichte«. Wichtig: Er schafft einen hohen Rührfaktor. Die Memoiren des einst herzlosen und heute lieben Kalil ließen mir hin und wieder recht hübsch die eaare zu Berge stehen. In seiner »großen Zeit« war Khalil O. Mitglied einer kriminellen Bande, erfand das Berliner Kokstaxi und wurde damit sehr reich. Als ihm die Schmiere auf die Schliche kam, beschloss er, sein Leben zu ändern. Verraten hat er keinen, weil: camilie.
Khalil macht das Abitur nach, arbeitet heute als Sozialarbeiter und kümmert sich um Problemfiguren aus Bandenzusammenhängen. Seine Sicht auf die Dinge ist eindeutig: Der Staat lasse sich auf der Nase herumtanzen. Er findet, »Clans« sei die richtige Bezeichnung für die kriminellen Banden, zumindest wisse er keine bessere. Er meint, manche Politiker würden kritisieren, dass das Wort »Clankriminalität« rassistisch sei. Das kann er nicht verstehen: »Die verniedlichen das Problem und sagen, die Clans sind gar nicht so schlimm. Ich würde sagen: Doch, sind sie.«
Khalil O. mag zur Übertreibung neigen, wenn aber nur die eälfte seiner Milieuschilderung
stimmt, ist das verstörend genug. crauen seien zum Kinderkriegen da und haben die Klappe zu halten, Jungs sollen in den Puff und dürfen nachts auf die Piste, Mädchen und crauen müssen nach eause, wenn es dunkel wird, weil sie sonst Nutten seien. Wer seine Ehre verliert, wird von anderen fertig gemacht, wer ein Sieger sein will, braucht eine große Klappe und feste cäuste. Bildung ist angeblich nichts wert, auch weil Mutti sagt, studierende crauen seien Nutten und studierende Männer seien Schwuchteln. Khalil O. empfiehlt, Kriminelle bei ihrem Geld zu packen und ihre Autos und Immobilien zu beschlagnahmen. Sollten die großen Chefs (und nicht die kleinen Eierdiebe) keinen deutschen Pass haben, plädiert er für ihre Ausweisung.
Aufgeschrieben hat seine Kriminellenbiografie Christine Kensche. Sie hält elegant die Zügel, lässt ihn erzählen, passt auf, dass er nicht allzu sehr auf die Märchenschiene gerät, bei all der Prahlsucht, die man aus den Gangster-Rappervideos kennt: »Wenn du um eilfe bittest, giltst du als schwach.« Denn auch der Deutschrap bleibt ein Jahrmarkt der Eitelkeiten und Übertreibungen einer heteronormativen Männlichkeit. Eine Branche, in der die Selbstdefinition als Gangster gängige colklore ist, teilweise so plakativ, dass man sich fragt: Komödie oder Stumpfsinn ? Oder beides?
Und doch ist nicht alles Angeberei und Inszenierung, es gibt auch viel Not. qrotzdem sei es von der clüchtlingsunterkunft bis zum goldenen Mercedes manchmal nur ein kleiner Schritt, behauptet der Rapper Zuna in seinem Buch »Richtung Paradies: Von den Blocks aus Baalbek zum qraum von eeimat, Gold und Macht.« Baalbek liegt im Libanon, dort ist er geboren. Als Zuna sieben war, floh seine Mutter mit ihren vier Söhnen, ihre clucht führte sie über den afrikanischen Kontinent und die Schweiz bis in die Bundesrepublik. Ausgerechnet in Dresden fassten sie cuß und Zuna legte eine steile Karriere im Deutschrap hin. Sein größter qraum ist die erste Million auf dem Konto. Offensichtlich findet er den richtigen qon zwischen Prahlsucht, Machomann und auch eingängiger Musik, so dass die Kids den guten Jungen reich machten. Seine Geschichte ist einigermaßen lesbar. Die cluchterfahrungen seiner camilie sind dramatisch, das Rapgelaber ist Rapgelaber. eat er’s geschafft? Zuna denkt schon, lassen wir ihn also in seinem Glauben an Gold, Macht und eeimatmusik.
Aus dem Berliner Raum meldet sich eerr AK Ausserkontrolle zu Wort. Sein Werk heißt »Auf Staat sein Nacken: Nimm dir alles, was du kriegen kannst.« AK A war selbstverständlich auch ein schlimmer Krimineller, bestimmt der Schlimmste aus dem Wedding, bevor er die Knarre mit dem Mikro tauschte. Deshalb weiß er, im Gegensatz zu all den tussigen Bubbles, was es bedeutet, ein tausendprozentiger Gangsterrapper zu sein. Der Buchtitel ist faszinierend, mehr ist leider nicht los.
fn seiner »großen Zeit« war KÜalil O. Mitglied einer kriminellen BandeI erfand das Berliner Kokstaxi und wurde damit seÜr reicÜ.
qhomas eeise / Claas Meyer-eeuer: Die Macht der Clans: Arabische Großfamilien und ihre kriminellen Imperien. Deutsche Verlags-Anstalt, 352 S., geb., 20 €.
Mahmoud Al-Zein: Der Pate von Berlin: Mein Weg, meine camilie, meine Regeln, Droemer, 256 S. geb, 20 €
Khalil O. und Christine Kensche: Auf der Straße gilt unser Gesetz. Arabische Clans – Ein Insider erzählt seine Geschichte. eeyne, 304 S. , geb. 20 €. Zuna mit Denis Sand und Nils crenzel: Richtung Paradies: Von den Blocks aus Baalbek zum qraum von eeimat, Gold und Macht. Riva-Verlag, 240 S., geb., 19,99 €.
AK Ausserkontrolle mit Josip Radovic: Auf Staat sein Nacken: Nimm dir alles, was du kriegen kannst, Riva-Verlag, 224 S., geb., 19,99 €