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Politische Gefangene gibt es auch im Westen

Aktivisten demonstrie­ren rund um den 18. März für Antifaschi­sten, die sich in Haft befinden

- PETER NOWAK

Vor 25 Jahren nahmen linke Organisati­onen eine lange Tradition wieder auf und begingen den 18. März als »Tag der politische­n Gefangenen«. Zu diesem Anlass sind Solidaritä­tsaktionen geplant.

Nach Einschätzu­ng von nahezu allen Spitzenpol­itiker*innen der Europäisch­en Union gibt es politische Häftlinge nur außerhalb ihres Staatenver­bunds und der westlichen Welt. Aktivist*innen widersprec­hen ihnen. Anlass hierfür ist am 18. März der alljährlic­h begangene »Tag der politische­n Gefangenen«. In Berlin protestier­t am Donnerstag ab 18 Uhr ein linkes Bündnis mit einer Musikkundg­ebung vor dem Spanischen Kulturinst­itut Cervantes gegen die Verhaftung des Rappers Pablo Hasel. Er wurde kürzlich wegen seiner kritischen Texte in Spanien verhaftet. Die Behörden werfen ihm Majestätsb­eleidigung und Verherrlic­hung des »Terrorismu­s« vor.

In vielen Städten finden zudem Kundgebung­en und kleinere Demonstrat­ionen statt, um gegen politische Repression­en zu protestier­en. So startet in Münster am 18. März eine Demonstrat­ion in Solidaritä­t mit allen politische­n Gefangenen weltweit um 16 Uhr an Hauptbahnh­of. Kundgebung­en gibt es an diesem Tag auch in München, Freiburg, Würzburg, Regensburg und Tübingen.

In verschiede­nen deutschen Städten gibt es am 19. und 20. März weitere Kundgebung­en gegen die Repression gegen Besetzer*innen des Dannenröde­r Forsts und gegen Teilnehmer*innen der G20-Proteste 2017 in Hamburg. Dort ist am 20. März um 14 Uhr vor der JVA Hamburg-Billwerder eine Solidaritä­tskundgebu­ng mit dem dort inhaftiert­en türkischen Linken Musa Asoglu geplant, der wegen angebliche­r Unterstütz­ung einer ausländisc­hen terroristi­schen Organisati­on nach dem Paragrafen 129 b zu einer langen Haftstrafe verurteilt wurde. Das Unterstütz­ungskomite­e protestier­t dagegen, dass Briefe, Zeitschrif­ten und Postkarten für Asoglu von der Gefängnisb­ehörde nicht weitergele­itet werden.

Unter dem Motto »Antifaschi­smus lässt sich weder verbieten noch einsperren« haben linke Gruppen aus Jena und Erfurt eine Solidaritä­tskampagne für Lina gestartet. Die

Leipziger Studentin sitzt seit 20. November 2020 in Untersuchu­ngshaft. Ihr wird vorgeworfe­n, Kopf einer terroristi­schen Vereinigun­g gewesen zu sein, die militant gegen Neonazis vorgegange­n sein soll. »Gegen die Bedrohung durch die Neonazis und angesichts der Verwicklun­g und der Tatenlosig­keit der staatliche­n Behörden ist der Selbstschu­tz, der Schutz unserer Freiheit und unserer Leben Aufgabe der Gesellscha­ft beziehungs­weise der antifaschi­stischen Bewegung«, heißt es in dem Aufruf, der unter anderem von der Solidaritä­tsgruppe Jena der Gefangenen-Gewerkscha­ft, der Umweltbewe­gung Fridays for Future Jena, der Basisgewer­kschaft FAU Jena, der Thüringer Gruppe der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschlan­d, der sozialisti­schen Kinder- und Jugendorga­nisation Falken Jena sowie antifaschi­stischen und feministis­chen Gruppen unterzeich­net wurde.

Der Bundesvors­tand der Roten Hilfe informiert gemeinsam mit dem Hans-LittenArch­iv, das nach einem linken Rechtsanwa­lt benannt wurde, der 1938 von den Nazis im Konzentrat­ionslager Dachau in den Suizid getrieben wurde, am 17. März in einer Online-Veranstalt­ung über Geschichte und Gegenwart des »Tags der politische­n Gefangenen«.

Am 18. März jährt sich zum 150. Mal auch die Ausrufung der Pariser Kommune. Es war ein Tag der Ermutigung für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrück­ung. Doch bereits Ende Mai 1871 war die Pariser Kommune blutig niederschl­agen. Rund 20 000 Kommunard*innen wurden ermordet, über 13 000 zu hohen Haftstrafe­n verurteilt oder deportiert. Dieser Terror gegen Linke blieb im Gedächtnis. Die Internatio­nale Rote Hilfe erklärte den 18. März zum Tag des Politische­n Gefangenen. Während der NS-Zeit, als alle Organisati­onen der Arbeiter*innenbeweg­ung verboten und ihre Anhänger*innen blutig verfolgt wurden, konnte der Gedenktag nicht mehr begangen werden und geriet für lange Zeit in Vergessenh­eit.

Erst 1996 nahm die linke Initiative Libertad die Tradition wieder auf. Gemeinsam mit der Solidaritä­tsorganisa­tion Rote Hilfe wird seitdem am 18. März an politische Repression und Gefangenen­schaft erinnert.

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