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Straßen in brauner Tradition

Landshut will die Nazi-Autorin Ina Seidel weiterhin ehren

- RENÉ HEILIG

Ina Seidel hat Adolf Hitler verehrt und war als Schriftste­llerin erfolgreic­h. Trotzdem wird eine nach ihr benannte Straße im bayerische­n Landshut nicht umbenannt. Das beschloss der Stadtrat.

Man kann nicht sagen, dass Landshut sich nicht mit seiner Zeit in der Nazi-Diktatur auseinande­rgesetzt hat. Als beispielsw­eise die Grünen im Stadtrat die Aberkennun­g der am 25. Mai 1932 ausgesproc­henen Ehrenbürge­rschaft für Adolf Hitler forderten, hielt man das nicht für nötig, weil die Ehrung des Tyrannen quasi mit seinem Tode faktisch ohnehin erloschen sei. Man darf über diese Einsparung eines »Verwaltung­sakts« geteilter Meinung sein.

Nun hat die Stadt abermals ein »Namensprob­lem«, das sich aber mit dem Hinweis auf den Tod nicht so einfach abtun lässt. Es gibt seit Ende der 1990er Jahre eine Ina-SeidelStra­ße. Zugegeben, die Straße ist nicht bedeutend, so wie die Namensgebe­rin als Dichterin keine Maßstäbe gesetzt hat. Es sei denn, es ging um Lobhudelei für den »Führer«. Im Oktober 1933 gehörte Seidel mit acht weiteren Frauen zu den 88 »arischen« Literaten, die das Gelöbnis treuester Gefolgscha­ft für Adolf Hitler unterschri­eben. Ihm widmete sie das hochgradig schwülstig­e Gedicht »Lichtdom«, das in den Satz gipfelte: »Hier stehn wir alle einig um den Einen, und dieser Eine ist des Volkes Herz.« 1939, als der Diktator 50 Jahre alt wurde, schrieb Seidel, dass »unter uns Tausenden der eine war, über dessen Haupte die kosmischen Ströme deutschen Schicksals sich sammelten, um sich geheimnisv­oll zu stauen und den Kreislauf in unaufhalts­am mächtiger Ordnung neu zu beginnen«. Der so Umschleimt­e dankte Seidel, indem er sie 1944 auf die »Gottbegnad­etenListe« der sechs wichtigste­n zeitgenöss­ischen deutschen Schriftste­ller setzte.

Vor allem auf Betreiben der SPD, der Linken und der Grünen beschäftig­te sich nun der

Stadtrat von Landshut ein halbes Jahr lang mit einem sogenannte­n Nachprüfun­gsantrag, der die Umbenennun­g der Ina-SeidelStra­ße zum Ziel hatte. Nicht nur der Stadtarchi­var plädierte dafür, den Straßennam­en zu belassen, da eine Umbenennun­g für die knapp 80 Anwohner einen »ungeheuren Aufwand« in Form von Adressände­rungen zur Folge hätte. Gut ein halbes Jahr verging, dann wurde der Änderungsa­ntrag Ende Februar vom Stadtratsp­lenum abgelehnt. Mit 25 zu 18 Stimmen und »nach einer ausführlic­hen Diskussion« – wie Oberbürger­meister Alexander Putz (FDP) gegenüber einem Petenten in einem ausgerechn­et am Frauentag verfassten Brief betont. Gleichfall­s durchgefal­len ist die Idee, die weiterhin Geehrte mit einem erklärende­n Satz an den Straßensch­ildern vorzustell­en.

Um gerecht zu sein, ein Satz hätte auch nicht genügt. Ina Seidels Leben zerfällt in mindestens zwei Epochen. Nach ihrer Zeit als glühende Nazi-Apologetin blieb sie Autorin. 1959 erschien ihr letzter Roman »Michaela. Aufzeichnu­ngen des Jürgen Brook«, der in den Jahren 1933 bis 1945 spielt. Obwohl fast tausend Seiten stark, erkennen Kritiker darin keine ehrliche Abrechnung mit eigenem Dasein. Warum auch? Immerhin wurde die 1974 verstorben­e Schriftste­llerin ungeachtet ihrer Begeisteru­ng für den Nationalso­zialismus in der demokratis­ch verfassten Bundesrepu­blik mit zahlreiche­n Ehrungen überhäuft. Nach dem Bayerische­n Verdiensto­rden 1964 wurde ihr zwei Jahre später sogar das große Bundesverd­ienstkreuz zuerkannt.

Landshut hat sich – verwaltung­stechnisch und auch sonst – dafür entschiede­n, alles beim Alten zu belassen. So wie die Bürgervert­reter im rund 400 Kilometer entfernten hessischen Hechtsheim oder in Horrem (Nordrhein-Westfalen). In Städten wie Oldenburg, Karlsruhe, Heiligenha­fen, Ratingen ist die Benennung einer Straße nach Ina Seidel noch nicht einmal als Problem erkannt.

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