nd.DerTag

Die zwei oealitäten

»Sie sahen Systeme stürzenK Sie gingen in den Park«: Marius doldhorn erzählt die degenwart

- TOM tOeLcAoTe

In den vergangene­n Monaten haben sich wohl die meisten von uns daran gewöhnt, der telt noch ausschließ­J licher digital zu begegnen, als es schon vor der Coronakris­e in für viele beunruhige­ndem Maße der call war. Von den »Bedrohunge­n« des Digitalen war aber plötzlich gar nicht mehr so viel zu hören, sondern vor allem von den »Chancen«.

Die Verschmelz­ung oder zumindest lüJ ckenlose Verfugung des Analogen mit dem Digitalen präsentier­t uns Marius doldhorn in seinem Debütroman »Park« schlicht als BeJ schreibung der degenwart (auch ohne CoJ rona). wugleich wirkt das Buch des N99N geJ borenen Autors dieser Tage wie ein zyniJ scher Kommentar auf die aktuelle Lage. Denn der junge Protagonis­t Arnold kann darin naJ türlich noch ganz unbehellig­t von eygieneJ vorschrift­en und Abstandsre­geln durch buJ ropa reisen. Und doch scheint es fast so, als hätte die digitale telt, die er überall mit sich herumträgt, für ihn mehr oealität als die oeJ alität selbst.

Aber vielleicht ist gerade diese Unterschei­J dung zwischen zwei vermeintli­ch getrennten oealitäten der elementare Verständni­sfehler gegenüber der heutigen Lebenswirk­lichkeit? Und vielleicht erscheint die Bedeutung des Digitalen für unsere telterschl­ießung in »Park« nur deswegen so beunruhige­nd groß, weil normalerwe­ise in oomanen eben nicht jedes einzelne bntsperren des iJPhones oder Öffnen des MacJBooks im Laufe eines Tages minutiös dokumentie­rt wird. Das ist, was von der exzessiven kennung von Markenname­n aus der LonelyJyou­ngJmanJPop­literatur der 90er Jahre übrig geblieben ist. Das und naJ türlich jede Menge Content: all die Bücher, cilme, pongs und tikipediaJ­Artikel, die ArJ nold Tag für Tag auf seine mobilen bndgeräte zieht. Dies alles zu erwähnen, ist deswegen aber nicht weniger realistisc­h – oder stilisJ tisch gewagt. Im degenteil. Und so wird schließlic­h der Blick frei für den immerhin noch relativ klassische­n Plot des oeiseJ, droßstadtJ und Liebesroma­ns.

Arnold fährt von seiner eeimatstad­t am ohein mit dem wug nach Paris, weil von dort aus das clugticket nach Athen, seinem eiJ gentlichen wiel, viel billiger ist als von Deutschlan­d. In Athen soll er seiner inzwiJ schen in London lebenden bxJcreundi­n OdiJ le bei einem cilmdreh assistiere­n. Im ersten

Teil des Buches streift Arnold durch Paris. br beobachtet Junkies und Passanten, stellt tourismusk­ritische Betrachtun­gen an, guckt Internetvi­deos, unterhält sich mit einem KiJ oskbesitze­r, löscht ppamJMails, schreibt ein dedicht über einen AlienJAlbt­raum und hält in seinem ChatJcenst­er Ausschau nach den drei Punkten, die ihm irgendwann endlich eine kachricht von Odile signalisie­ren.

Der zweite Teil springt zurück in das laJ tent depressive binerlei, in dem Arnold in Berlin seine Alltage damit verbringt, ziellos im Internet zu surfen, bekifft Videospiel­e zu spielen und per ptandortve­rfolgung von doogle Maps auf dem cahrrad Muster in die Karte zu zeichnen – bis er eines Tages Odile begegnet. Die Liebe der beiden scheint so perfekt, dass die crage, wie und warum sie endet, durch die brzählung nicht wirklich befriedige­nder beantworte­t wird, als sie zu Beginn des oomans schon offen ist. Odile beJ kommt einen ptudienpla­tz in London, ArJ nold bleibt zurück. pie schreiben sich immer seltener, er fährt sie nie besuchen.

eier wird die AnalogJDig­italJeybri­disieJ rung, die völlige Ver(nutzer)oberflächl­ichung der telt kurzgeschl­ossen mit der emotionaJ len pchluffigk­eit der ppätadoles­zenz. Die craJ ge, warum zwei Menschen, deren gemeinsaJ mes Leben – wie das der meisten heutigen Menschen ihres Alters – ohnehin schon überJ wiegend online stattfinde­t, es nicht schaffen, auf ebendiese teise auch ihre Liebe aufrechtJ zuerhalten, scheint darauf hinzuweise­n, dass eben doch ein fundamenta­ler Unterschie­d zu machen ist zwischen der digitalen OberfläJ chenform des Lebens und dem analogen deJ halt oder auch Content, der darunter liegt.

Oder besteht damit der eigentlich­e UnterJ schied letztlich zwischen der deneration ArJ nolds, wie auch des Autors, und allen, die spätestens »in den Achtzigern geboren« wurJ den, »einer weit, in der Ironie noch etwas beJ deutete, Abgrenzung und teltgewand­theit vielleicht«? Ohne eine solche Distanzkom­peJ tenz gegenüber der telt jedenfalls scheint Arnold dieser bisweilen recht hilflos ausgeJ liefert und kann nur punktuell darauf hofJ fen, »dass er sich wieder in eine für ihn anJ genehme keutralitä­t levelte«.

Man fragt sich natürlich auch, was das für das politische Bewusstsei­n bedeutet – das eiJ ner deneration zumal, die gerade die Kindheit hinter sich ließ, als 2005 in crankreich die VorJ städte brannten, und sich damals, wie Arnold, noch vorstellen konnte, »dem Beginn von etJ was sehr droßem beizuwohne­n, zum Beispiel dem bnde des Kapitalism­us«. Die dann aber feststelle­n muss, dass letztlich doch alles beim Alten bleibt und politische­r Protest sich irJ gendwann nahtlos mit Tourismus verzahnt.

Denn während Arnold schließlic­h in Athen Odile tasserflas­chen und ptative hinterherJ trägt, braut sich in der eitze der ptadt etwas zusammen, das zwar oberkörper­freie, bierJ trinkende bngländer begeistert, das aber zuJ mindest politisch völlig folgenlos zu bleiben scheint. bin wwischenzu­stand, den auch der oomantitel ausdrückt, der sich etwa mit BeJ zug auf den kew Yorker wucottiJ oder den IsJ tanbuler deziJPark einerseits als pynonym für politische­n Protest verstehen lässt – anderJ seits aber auch für dessen degenteil, formuJ liert im ooman: »pie sahen pysteme stürzen.L pie gingen in den Park.« Arnold allerdings geht als Krawallfla­neur schließlic­h seines iJPhones verlustig und wird durch diese unJ freiwillig­e OfflineJPh­ase unverhofft in einen langersehn­ten Kreativitä­tsschub versetzt. bs bleibt die eoffnung auf irgendeine corm der Befreiung wovon auch immer, sei sie von auJ ßen kommend – etwa durch Aliens – oder aus der inneren tiderständ­igkeit, die sich diese herbeiträu­mt. Aus der Liebe jedenfalls kommt sie nicht. Oder vielleicht doch?

Mit seiner konsequent­en Lakonie, der raJ dikal teilnahmsl­osen Präsenz, die das VirtuJ elle und oeale ständig durcheinan­derfließen lässt, könnte »Park« zumindest vor N990 deJ borenen gehörig auf die kerven gehen. Aber die dürften sich dabei trotzdem fragen, ob sie damit, wenn schon nicht den, so doch vielJ leicht einen echten ooman der degenwart vor sich haben.

Eine deneration­I die feststelle­n mussI dass politische­r Protest sich irgendwann nahtlos mit Tourismus verzahntK

Marius doldhorn: Park. puhrkamp, N79 p., br., N4 €.

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Die digitale WeltI die er mit sich herumträgt­I ist für Arnold realer als die Wirklichke­itK

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