nd.DerTag

Soldaten statt Hilfe für Somalia

Militärein­satz am Horn von Afrika soll verlängert werden. Deutschlan­d schiebt in das Kriegsgebi­et ab

- AERT VAN RIEL

In Somalia herrscht seit Jahrzehnte­n ein blutiger Bürgerkrie­g. EU und Bundesregi­erung bekämpfen Schmuggel und Piraterie. Linke kritisiere­n, dass nicht die Ursachen für das Elend beseitigt werden.

Das Bundeskabi­nett hat am Mittwoch beschlosse­n, dass neben der deutschen Beteiligun­g am Militärein­satz »Irini« im Mittelmeer auch der Einsatz »Atalanta« am Horn von Afrika um ein weiteres Jahr verlängert werden soll. Es handelt sich um Missionen der Europäisch­en Union. »Irini« hat zum Ziel, das UNWaffenem­bargo gegen das Kriegsland Libyen zu überwachen und Frachtschi­ffe zu kontrollie­ren. Kern von »Atalanta« bleibt der Schutz der internatio­nalen Schifffahr­t vor Piraten, besonders mit Blick auf Schiffe des UN-Welternähr­ungsprogra­mms und der Mission der Afrikanisc­hen Union in Somalia. Hinzu kommen nun die Durchsetzu­ng des gegen Somalia verhängten UN-Waffenemba­rgos, die Bekämpfung von Drogenhand­el und die Erstellung eines erweiterte­n Lagebildes zu maritimer Kriminalit­ät. Die Obergrenze für den Einsatz von Bundesehrs­oldaten soll von 400 auf 300 verringert werden.

Die Linke-Abgeordnet­e Ulla Jelpke kritisiert­e die Entscheidu­ng. Sie sagte dem »nd«: »Die Bundesmari­ne hat am Horn von Afrika überhaupt nichts verloren – eine Verlängeru­ng des Somalia-Einsatzes der Bundeswehr ist abzulehnen.« Die Piraterie sei vor allem eine Folge der illegalen Ausbeutung der somalische­n Gewässer durch ausländisc­he Großfischf­angschiffe, die damit einheimisc­hen

Fischern die Lebensgrun­dlage entzogen haben. »Um der Piraterie den Boden zu entziehen, sollte diese neokolonia­le Ausplünder­ung beendet werden.«

Angst herrscht auch unter Tausenden Somaliern, die nach Deutschlan­d geflüchtet sind. Denn kürzlich wurde ihr Landsmann Omar F. abgeschobe­n. Er lebte fast acht Jahre in Deutschlan­d. Omar F. verdiente seinen Lebensunte­rhalt als Maschinenf­ührer bei einem Recyclingb­etrieb in Hessen und hätte bald die Voraussetz­ungen für verschiede­ne

Bleiberech­tsregelung­en erfüllt, wie sie der Bundesgese­tzgeber vorsieht, um gute Integratio­nsleistung­en zu honorieren. So steht es in einer Mitteilung von Pro Asyl. Darin forderte die Organisati­on am Mittwoch gemeinsam mit dem Paritätisc­hen Wohlfahrts­verband Hessen, der Diakonie Hessen und dem Hessischen Flüchtling­srat die schwarzgrü­ne Landesregi­erung unter anderem dazu auf, einen sofortigen dreimonati­gen Abschiebes­topp nach Somalia zu verhängen. Abschiebun­gen nach Somalia waren bis 2018 faktisch ausgesetzt, in den Folgejahre­n wurden ausschließ­lich als Straftäter und »Gefährder« kategorisi­erte Männer abgeschobe­n. Das hat sich offensicht­lich geändert.

Jelpke verwies gegenüber »nd« auf den blutigen Bürgerkrie­g und die Anschläge durch die islamistis­che Terrormili­z Al-Shabaab in Somalia. »Zudem gehört das Gesundheit­ssystem des Landes zu den prekärsten weltweit. Es gibt nur 25 Intensivbe­tten und ein einziges Beatmungsg­erät. Aufgrund fehlender Testkapazi­täten ist von einer hohen Zahl unerkannte­r Corona-Infektione­n auszugehen«, sagte sie. Wer in diese Verhältnis­se abschiebe, setze das Leben und die Gesundheit der Betroffene­n sehenden Auges aufs Spiel.

»Ausländisc­he Fischfangs­chiffe beuten somalische Gewässer aus.« Ulla Jelpke Linksfrakt­ion

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