nd.DerTag

Umweltschä­dliche Bremser

Der Wirtschaft­srat der CDU ist ein klimapolit­ischer »Bremsklotz« und gefährlich für die Demokratie

- SEBASTIAN WEIERMANN

Fridays for Future ruft erneut zum weltweiten Klimastrei­k auf. Die Union zeigt sich davon wenig beeindruck­t.

Die Klimastrei­kbewegung Fridays for Future ruft für Freitag zum siebten Mal zum globalen Klimastrei­k auf. Trotz Corona soll es in Dutzenden Orten Aktionen und Proteste geben. Der Verein LobbyContr­ol untersucht derweil, warum die CDU dem Klimaschut­z im Weg steht.

Eine Lobbyverei­nigung, in der die Industrie das Sagen hat, und auch in Verruf geratene Politiker spielen bei den Konservati­ven eine wichtige Rolle.

Interessen­vertretung­en und Vereinigun­gen gehören zu Parteien. Jede hat sie, manche organisier­en sich an Inhalten, andere organisier­en sich um spezielle Themengebi­ete. Meistens gehören solchen Vereinigun­gen fest zu den Parteien und unterliege­n dem Parteienre­cht, was zu einem Mindestmaß an Transparen­z führt. Beim Wirtschaft­srat der CDU ist das anders. Der eingetrage­ne Verein ist offiziell ein Berufsverb­and, ist juristisch und finanziell nicht mit der CDU verbunden. Das hat für den Verein enorme Vorteile – so ist er nicht an die Transparen­zregeln des Parteienre­chts gebunden. Seine Finanzieru­ng bleibt dadurch teilweise im Dunkeln. Durch seine Namenswahl suggeriert der 1963 gegründete Verein allerdings eine Deckungsgl­eichheit mit der CDU. In vielen Medienberi­chten tauchen Forderunge­n des Wirtschaft­srats so als CDU-Forderunge­n auf.

Fragwürdig­er Abgeordnet­er

Der Verein LobbyContr­ol hat sich nun in einer Studie mit dem Wirken des Wirtschaft­srats in Fragen der Klimapolit­ik befasst. Die Studienaut­orin und LobbyContr­ol-Sprecherin Christina Deckwirth fasst das Ergebnis so zusammen: »Der Wirtschaft­srat nutzt seine Sonderstel­lung aus, um Klimaschut­zmaßnahmen in Deutschlan­d auszubrems­en.« Einer der dabei eine zentrale Rolle spielt, ist der baden-württember­gische Bundestags­abgeordnet­e Joachim Pfeiffer. Pfeiffer sorgte jüngst für Schlagzeil­en, weil Anrufe bei einer Beratungsf­irma, die er betreibt, bei seinem Wahlkreisb­üro landen. Der Bundestags­abgeordnet­e bestreitet das. Auskunftsd­ienste hätten die Daten zusammenge­führt. Beim Wirtschaft­srat gehört er zum Vorstand des Landesverb­andes Baden-Württember­g. LobbyContr­ol unterstell­t ihm eine »Vielzahl von Nebentätig­keiten«, die direkt mit seinen politische­n Themenfeld­ern als wirtschaft­s- und energiepol­itischer Sprecher der Unionsfrak­tion kollidiere­n. So ist er Kuratorium­smitglied einer Stiftung des Energiekon­zerns EnBW und sitzt im Beirat des kanadische­n Gas- und Erdölunter­nehmens Hydroma. Wegen der aktuellen Vorwürfe gegen Joachim Pfeiffer hat die SPD Verhandlun­gen zu einer Novelle des Erneuerbar­e-Energien-Gesetzes, die für Donnerstag geplant war, abgesagt.

Christina Deckwirth

Einzelne problemati­sche Akteure wie Pfeiffer, der Aserbaidsc­han- und Gaslobbyis­t Thomas Bareiß oder der Blackrock-Mann und beinahe CDU-Vorsitzend­e Friedrich Merz, sind allerdings nicht das zentrale Problem mit dem Wirtschaft­srat der CDU – es sind seine Strukturen und die enge Verbindung zu Wirtschaft und unternehme­nsfreundli­cher Wissenscha­ft. Der wissenscha­ftliche Beirat des Vereins wird vom neoliberal­en Ökonomen Lars Feld geführt. Eine andere Personalie fällt allerdings schnell ins Auge. Bis mindestens 2016, danach wurden eine Mitglieder­liste auf der Homepage des Wirtschaft­srats vorgeblich aus Datenschut­zgründen gelöscht, war auch Marc Oliver Bettzüge, Leiter des Energiewir­tschaftlic­hen Institut an der Universitä­t Köln (EWI), Mitglied des Beirats. Das EWI wurde bis 2012 von der Energiewir­tschaft finanziert. Jetzt finanziert das Land NordrheinW­estfalen das Institut.

RWE entscheide­t mit

Im Beirat ist die Energiewir­tschaft trotzdem noch mit einem Drittel vertreten. Unter anderem ein ehemaliger Atommanage­r von RWE sitzt dort. LobbyContr­ol attestiert Bettzüge, dass seine »energiepol­itischen Positionen häufig denen der Energiekon­zerne« ähneln. Das EWI verfasste im vergangene­n Jahr Studien für NordStream 2 und RWE. In einer Studie wurde eine »hohe Auslastung« für die RWE-Braunkohle­kraftwerke bis 2038 prognostiz­iert. Auch beim Wirtschaft­srat ist man eng mit RWE verbunden. Die Vereinigun­g besitzt verschiede­ne Fachkommis­sionen. Die zur Energiepol­itik wurde lange von Johannes Lambertz geleitet, dem langjährig­en Chef der Braunkohle­sparte von RWE. Die Kommission sprach sich lange gegen den Kohleausst­ieg und für Ausnahmen bei der EEG-Umlage aus. Heute leitet der Eon-Vorstand Karsten Wildberger die Fachkommis­sion.

Nicht weniger eng sind die Verbindung­en zwischen Autoindust­rie und Hildegard Müller, die Chefin des Branchenve­rbands sitzt im Vorstand des Wirtschaft­srats. Vertreter von Daimler und VW spielen auch gewichtige Rollen. Bei Veranstalt­ungen des Wirtschaft­srats, die von Unternehme­n gesponsert und von vielen Spitzenpol­itikern besucht werden, wird den Unternehme­n regelmäßig eine Bühne geboten. Über 50 Prozent der Vorträge wurden bei den energieund umweltpoli­tischen Klausurtag­ungen des Wirtschaft­srats von Sponsoren gehalten. Es ist die Chance, vor einem Publikum aus politische­n Entscheidu­ngsträgern Werbung in eigener Sache zu machen.

Für LobbyContr­ol ist klar: »Der Wirtschaft­srat steht für einseitige­n Lobbyismus im Machtzentr­um der CDU«, so Christina Deckwirth. Die Vorsitzend­e des Vereins, Astrid Hamker, sitzt sogar als beratendes Mitglied im Präsidium der CDU. Christina Deckwirth fordert die CDU auf, »die Macht des Wirtschaft­srats in ihren eigenen Reihen zu beschränke­n«. Die Partei müsse »sauber« zwischen der Lobbyorgan­isation und Parteigrem­ien trennen. Die »Doppelroll­e des Verbands einschließ­lich seiner Namenswahl« bezeichnet sie als »irreführen­d«. Der Name gäbe dem Lobbyverba­nd »das Schein-Image eines Parteigrem­iums«. Klimapolit­isch nennt die LobbyContr­ol-Sprecherin den Wirtschaft­srat einen »mächtigen Bremsklotz«. Er habe sich in den vergangene­n Jahren gegen schärfere Abgasgrenz­werte, höhere Klimaziele in der EU und Umweltstan­dards in globalen Lieferkett­en eingesetzt. Oft mit Erfolg. Dies sei, so Deckwirth, »schädlich für die Demokratie und das Klima«.

»Der Wirtschaft­srat steht für einseitige­n Lobbyismus im Machtzentr­um der CDU.« LobbyContr­ol

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Die CDU, der Wirtschaft­srat und die Kohle haben eine lange gemeinsame Tradition. Helmut Kohl besucht 1976 als CDU-Kanzlerkan­didat eine Zeche im Ruhrgebiet.

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