nd.DerTag

Freibrief aus Brüssel und Berlin

Aert van Riel zum Vorgehen gegen die linke türkische Opposition

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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat einen Freibrief aus Brüssel und Berlin. Er kann mit seiner Armee und islamistis­chen Milizen Regionen im Irak und in Syrien angreifen, ohne Konsequenz­en für diesen Bruch des Völkerrech­ts fürchten zu müssen. Das gilt auch für das Vorgehen des autokratis­chen Herrschers gegen die linke Opposition im eigenen Land. Deren Vertreter verschwind­en nacheinand­er in türkischen Gefängniss­en. Nun droht ihnen auch die Zerschlagu­ng der wichtigste­n Parteistru­kturen. Die türkische Staatsanwa­ltschaft will die Linksparte­i HDP verbieten lassen. Angeblich soll sie in »terroristi­sche Aktivitäte­n« verstrickt sein. Damit meint die Justiz die verbotene kurdische Arbeiterpa­rtei PKK, von deren Gewalt sich HDP-Spitzenpol­itiker wie der inhaftiert­e Ex-Parteichef Selahattin Demirtaş distanzier­en, aber auch zurecht betonen, dass Kurden unter dem Staatsterr­or der Türkei leiden.

Wenn anderswo auf der Welt demokratis­ch gewählte Politiker in dieser Form verfolgt werden, wie das in der Türkei geschieht, drohen EU und Bundesregi­erung nicht selten Sanktionen an. Doch nun herrscht Schweigen. Nur wer das richtige Parteibuch hat, kann auf Hilfe aus Berlin und Brüssel hoffen. Linke zählen in der Regel nicht dazu. Es ist also zu befürchten, dass die Europäer das Regime in Ankara nur ermahnen und keine konkreten Schritte einleiten werden.

Zumal Erdoğan bisher als Partner funktionie­rt hat. Seit genau fünf Jahren gilt der Türkei-EU-Deal. Der Vertrag besagt, dass sich die Türkei dazu verpflicht­et, Geflüchtet­e an der Weiterreis­e nach Europa zu hindern und dafür Geld von der EU kassiert. Hinzu kommt, dass die Türkei ein wichtiger Wirtschaft­spartner für westliche Staaten und Mitglied der Nato ist. Daran dürfte sich auch dann nichts ändern, wenn Erdoğan sein Land komplett in eine Diktatur verwandelt hat.

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