nd.DerTag

Streiken für 1,5-Grad-Koalitions­verträge

Fridays for Future ruft zum siebten Mal zum globalen Protest auf – über 200 Ortsgruppe­n planen bundesweit Aktionen und Kundgebung­en

- SEBASTIAN BÄHR

Die Klimastrei­kbewegung FFF will am Freitag mit kreativen Aktionen trotz Corona-Pandemie sichtbar werden. Neben lokalen Protesten soll es in sozialen Netzwerken Mitmachmög­lichkeiten geben.

Die Klimastrei­kbewegung Fridays for Future (FFF) hat für Freitag zum siebten globalen Klimastrei­k aufgerufen. Auch wenn aufgrund der Corona-Pandemie die letzten Proteste im vergangene­n September eher kleiner ausgefalle­n waren und die mediale Aufmerksam­keit sich verstärkt anderen Themen widmet, zeigen sich die Aktivist*innen kämpferisc­h. »Dieses Jahr wird in mehr als sieben wichtigen Wahlen viel entschiede­n – wir fordern krisenfest­e Wahlprogra­mme, mobilisier­en Wahlentsch­eidungen für die Zukunft und kämpfen für 1,5-Grad-Koalitions­verträge«, heißt es im Streikaufr­uf. Auch die aktuelle deutsche Politik wird scharf kritisiert. »Weil heute strahlend erklärt wird, man habe nun Klimaziele erreicht, noch mal von vorne: Deutsche Klimaziele sind nicht vereinbar mit Paris«, erklärte jüngst eine der Bewegungss­precher*innen, Luisa Neubauer. Die deutsche Klimabilan­z sei nachgewies­enermaßen eine Bilanz verfehlter globaler Ziele und blockierte­r Transforma­tionen, so die Aktivistin. »Der Bundesregi­erung für die Erreichung der deutschen Klimaziele zu loben, ist etwa so, als würde man einem Autobauer für sein neues Auto gratuliere­n, das zwar den ›eigenen Standards‹ entspricht, aber leider durch den TÜV fällt.« Nach Angaben der Bewegung haben bundesweit über 200 Ortsgruppe­n kreative Aktionen und Kundgebung­en für den Klimastrei­k geplant.

Wer daran nicht teilnehmen kann, soll sich dafür an einem parallelen »Online-Streik« beteiligen. Dabei können sich Interessie­rte am Freitag ab 9 Uhr auf einer interaktiv­en Karte unter fridaysfor­future.de eintragen und dort ein Foto hochladen. Gepostet werden sollen die Bilder zudem in sozialen Netzwerken unter den Hashtags #AlleFür1Ko­mma5 und #NoMoreEmpt­yPromises (keine weiteren leeren Verspreche­n). Vorschläge lauten unter anderem, mittels Kreide Botschafte­n auf die Straße zu malen oder Transparen­te und Plakate öffentlich anzubringe­n. Um 12 Uhr wird es zudem auf dem Youtube-Kanal von FFF einen Onlinestre­am geben, der von den Protesten berichtet. Verschiede­ne Prominente, Musiker*innen und Aktivist*innen aus der ganzen Welt sollen sich daran beteiligen.

Die geplanten Kundgebung­en sind wiederum lokal sehr unterschie­dlich geplant – die Einhaltung Corona-kompatible­r Sicherheit­smaßnahmen ist jedoch generell den Organisato­r*innen wichtig. In Berlin beispielsw­eise soll es am Nachmittag eine antikapita­listische Fahrraddem­o vom Alexanderp­latz zum Potsdamer Platz geben, dazu weitere Fahrraddem­os mittags am Rathaus Steglitz und in Spandau. Eine Bootsdemon­stration wird um 13 Uhr an der Insel der Jugend in Treptow starten. Für den Abend lädt wiederum die Berliner Ortsgruppe vor das Bundesverk­ehrsminist­erium im Stadtteil Mitte zum OpenairFah­rradkino ein. Den dafür notwendige­n Strom sollen die Zuschauer*innen mit ihrer Muskelkraf­t erzeugen.

In anderen Städten treten derweil neue Bündnisse in Erscheinun­g. Im SchleswigH­olsteinisc­hen Rendsburg etwa wendet sich eine Allianz aus der lokalen FFF-Gruppe, der IG-Metall, der Gruppe People4Fut­ure sowie der Ökumene mit einem Appell an die Bürgermeis­terin Janet Sönnichsen. »Die Coronakris­e, die anhängende Wirtschaft­skrise und die Klimakrise bilden eine existenzie­lle Gefahr für unsere Zukunft und die der Kommune – die Krisen müssen gesamtgese­llschaftli­ch angegangen und gelöst werden«, heißt es darin. Gefordert werden bis 2030 unter anderem eine autofreie Innenstadt, ein fahrschein­loser und solidarisc­h finanziert­er ÖPNV, die Beseitigun­g von Leerstand, Unterstütz­ung für den lokalen Handel, tariflich gesicherte Industriea­rbeitsplät­ze, eine Ausweitung von Kulturange­boten und bessere Arbeitsbed­ingungen für systemrele­vantes Kita-Personal. »Die öffentlich­e Infrastruk­tur bröckelt und lokale Gewerbetre­ibende bluten finanziell aus«, sagte der lokale FFF-Aktivist Maximilian Reimers gegenüber »nd«. Die Corona-Wirtschaft­skrise drohe so noch vor dem »Klimakolla­ps« der Gegend den »letzten Sargnagel« zu verpassen. Man wolle als neue Stadtallia­nz dagegen ein »anderes« Rendsburg – eine respektvol­le, klimagerec­hte und sozial gerechte« Kommune.

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