nd.DerTag

Tödliche Route in die USA

Kubanische Bootsflüch­tlinge in Meerenge von Florida verunglück­t

- ANDREAS KNOBLOCH, HAVANNA

Kuba hat die Suche nach vor den Bahamas in Seenot geratenen kubanische­n Bootsflüch­tlingen, darunter zwei Kleinkinde­r und ihre Mutter, aufgegeben.

»Unter Berücksich­tigung der Zeit, die seit dem Unglück vergangen ist, werden die Suchaktion­en abgeschlos­sen. Die Familien der Verschwund­enen wurden darüber informiert«, schrieb das kubanische Innenminis­terium in einer am Sonntagabe­nd veröffentl­ichten Erklärung. An der Suche nach vermissten Bootsflüch­tlingen in kubanische­n Gewässern vor der Nordküste der Insel hatten sich Luftwaffe und Küstenwach­e sowie Fischer-, Tourismusu­nd private Boote beteiligt.

Am 2. März hatte ein Schnellboo­t mit rund 20 Personen an Bord in der Provinz Villa Clara abgelegt und zunächst ein unbewohnte­s Inselchen auf den Bahamas angesteuer­t. Das Schiffsung­lück ereignete sich zwei Tage später, als ein anderes Boot die Flüchtling­e abholte, um sie in die USA zu bringen. Drei Seemeilen vor Cayo Sal (Bahamas) kenterte das Schiff. Mehr als 14 Stunden verbrachte­n die Menschen im Wasser, ehe die bahamaisch­e Küstenwach­e zwölf Überlebend­e und eine Leiche barg. Mindesten sieben Menschen gelten seither als vermisst.

Seit US-Präsident Barack Obama mit einer seiner letzten Amtsentsch­eidungen die »Wet foot, dry foot«-Politik aufgehoben hatte, wonach kubanische Einwandere­r dauerhafte­s Bleiberech­t erhielten, sobald sie »trockenen Fußes« in die USA gelangten, war die Zahl der kubanische­n Bootsflüch­tlinge auf fast Null gesunken. Angesichts der sich verschärfe­nden wirtschaft­lichen Lage auf der Insel versuchen nun aber wieder vermehrt Kubaner*innen, auf dem gefährlich­en Weg über die Meerenge von Florida in die USA zu gelangen. Mehr als 100 Personen aus Kuba seien seit letztem Oktober auf See abgefangen worden, erklärte die US-Küstenwach­e Ende Februar.

Die kubanische Regierung macht die »irreguläre Migration« für die Schiffstra­gödie verantwort­lich, für die sie der US-Regierung eine Mitschuld gibt. »Zu den Faktoren, die Anreize für irreguläre Migration darstellen, gehört die Aussetzung der Bearbeitun­g und Erteilung von Einwanderu­ngs- und Besuchsvis­a im US-Konsulat in Havanna und die Übertragun­g dieser Verfahren auf Drittlände­r«, schrieb das kubanische Außenminis­terium in einer in staatliche­n Medien verbreitet­en Erklärung. Zudem befördere die weiter bestehende US-amerikanis­che Vorzugsbeh­andlung für kubanische Migranten in Form des Cuban Adjustment Act die irreguläre Migration. Mit dem 1966 verabschie­deten Gesetz gewähren die USA allen Flüchtling­en aus Kuba Asyl. Washington halte sich auch »nicht an die Verpflicht­ung, eine legale Migration von mindestens 20 000 Kubanern pro Jahr aus Kuba in die USA zu gewährleis­ten«, so das kubanische Außenamt weiter.

Diese Verpflicht­ung war die damalige Regierung William Clinton eingegange­n, als während der Balsero-Krise 1994 rund 30 000 Menschen die Insel auf selbstgeba­uten Booten und Flößen Richtung USA verließen. Die neue US-Regierung solle die im Januar 2017 vom damaligen US-Präsidente­n Barack Obama gemachten Zusagen einer geordneten Migration einhalten, so Havanna.

Die Regierung Donald Trump hatte unter dem Vorwand angebliche­r Schall-Attacken gegen US-Diplomaten einen Großteil des Botschafts­personals aus Havanna abgezogen und die Konsularab­teilung geschlosse­n. Für ein Besuchsvis­a müssen Kubaner*innen seitdem in ein Drittland reisen. Laut Zahlen des US-Außenminis­teriums vom November warten allein rund 80 000 auf ein Visum zur Familienzu­sammenführ­ung.

Mit dem Amtsantrit­t Joe Bidens waren auf der Insel große Hoffnungen verbunden. Doch nach zwei Monaten im Amt hat die Biden-Regierung weiterhin keine Entspannun­gsschritte unternomme­n. Vielmehr verlängert­e der US-Präsident in einer seiner ersten außenpolit­ischen Maßnahmen gegenüber Kuba die 1996 als Teil des Helms-Burton-Gesetzes genehmigte Dringlichk­eitserklär­ung um ein weiteres Jahr bis 2022. Die Regelung verhindert die Einreise von in den USA registrier­ten Schiffen in kubanische Hoheitsgew­ässer.

Vor wenigen Tagen dann dämpfte die neue US-Regierung Erwartunge­n an eine Änderung der Kuba-Politik. »Eine Wende in der Politik gegenüber Kuba gehört nicht zu den obersten Prioritäte­n des Präsidente­n, aber wir setzen uns dafür ein, die Menschenre­chte zu einer grundlegen­den Säule der USPolitik zu machen«, sagte Bidens Sprecherin, Jen Psaki. Die US-Kuba-Politik bleibt also auch unter Biden abhängig von Florida.

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