nd.DerTag

Verlängert und nicht umbenannt

Streit um Mohrenstra­ße im sächsische­n Radebeul

- HENDRIK LASCH

Der Stadtrat in Radebeul hat sich in seiner Sitzung am Mittwoch mit der Mohrenstra­ße beschäftig­t – jedoch nicht, um deren Namen zu ändern. Vielmehr wurde die bisher gut 300 Meter lange Straße verlängert. Begründet wurde das mit Fehlern im Kataster und der fälschlich­en Zuordnung von Grundstück­en zu einer anderen Straße, die habe korrigiert werden müssen.

Dagegen hatte die Schülerini­tiative RIKA auf eine Umbenennun­g der Straße gedrängt. Sie empfänden deren Namen als »nicht mehr zeitgemäß und rassistisc­h«, schrieben sie Anfang des Jahres in einem offenen Brief an die Kommunalpo­litiker. Der Begriff »Mohr« bezeichne seit der Kolonialze­it eine »von Weißen erdachte Karikatur schwarzer Menschen« und sei mit deren »Entmenschl­ichung und Demütigung« verbunden. Sie erinnerten daran, dass der Name angeblich vergeben wurde, weil Buschwerk auf zwei Hügeln in der Nähe wie krauses Haar gewirkt habe.

In der Stadt hatte der Vorstoß für Kontrovers­en gesorgt, wie auch die folgende Initiative zur Umbenennun­g einer benachbart­en Kita namens »Mohrenhaus«. »Nicht nur die Zeiten ändern sich, auch Tradition und Sprache«, heißt es in einer entspreche­nden Online-Petition, die in der Stadt selbst freilich nur 148 Unterstütz­er fand. Eine Gegenpetit­ion zum Erhalt des Namens wurde dagegen von 1133 der rund 33 000 Einwohner signiert.

Politiker von SPD, Linken und Grünen hatten gefordert, den Ratsbeschl­uss über die Verlängeru­ng zu verschiebe­n und zunächst über den Vorschlag zur Umbenennun­g zu beraten. »Die Schüler fühlen sich nicht ernst genommen«, sagte Daniel Borowitzki, Chef der Linksfrakt­ion im Stadtrat. Das Gremium habe »einer wirklichen Auseinande­rsetzung mit Rassismus einen Riegel vorgeschob­en«, erklärte der Grünen-Stadtrat Martin Oehmichen. Dagegen hatte sich der parteilose Oberbürger­meister Bernd Wendsche gegen eine Umbenennun­g ausgesproc­hen. Bislang habe sich »bei uns nie jemand über den Straßennam­en beschwert, und jetzt müssen wir das halt ausdiskuti­eren«, sagte er dem Nachrichte­nmagazin »Spiegel«. Im von ihr herausgege­benen Amtsblatt hatte es die Stadtverwa­ltung als passend angesehen, mit einer Karikatur Position zu beziehen. Darin wird das Wort »Mohrrübe« als rassistisc­h bezeichnet und durch »Karotte« ersetzt. Der OB sagte dem »Spiegel«, der Name der Straße sei »ein Stück Stadtgesch­ichte«; das Wort »Mohr« nutze »heutzutage niemand mehr als Schimpfwor­t.«

Es wird freilich so empfunden. Im Streit um die Mohrenstra­ße in Berlin schrieb Moctar Kamara, Vorsitzend­er des Zentralrat­s der afrikanisc­hen Gemeinden in Deutschlan­d, Anfang 2015 in einem offenen Brief, der Begriff »Mohr« sei »genau wie das N-Wort ganz ohne Zweifel eine rassistisc­he und beleidigen­de Fremdbezei­chnung für Schwarze Menschen«. Er gehöre deshalb nicht auf Straßensch­ilder. Der Historiker Jürgen Zimmerer, der die Forschungs­stelle Koloniales Erbe in Hamburg leitet und sich zur Radebeuler Debatte geäußert hatte, nannte den dortigen Ratsbeschl­uss vom Mittwoch eine »rassistisc­he Setzung«. Bei der Aufarbeitu­ng des kolonialen Erbes seien noch »dicke Bretter zu bohren«.

Newspapers in German

Newspapers from Germany