nd.DerTag

»Ich war wie ein Mensch zweiter Klasse«

Die Grüne Laura Sophie Dornheim ist schwanger – und kämpft gegen das Verbot von Abtreibung­en

-

Frau Dornheim, Sie kandidiere­n für die Berliner Grünen für den Bundestag und haben vor Kurzem öffentlich gemacht, dass Sie schwanger sind. Wieso?

Es hat einen guten Grund: Ich sehe meine Parteikoll­eg*innen seit einem Jahr quasi auch nur vom Scheitel zur Schulter auf Videokonfe­renz-Bildschirm­en. Die Aufstellun­gsversamml­ung für die Landeslist­e ist bei uns am Sonntag. Wir müssen dort persönlich erscheinen. Ich wollte einfach nicht, dass wenn mich dann alle sehen, sie überrascht sind und nur noch über meinen Bauch reden. Deswegen mache ich meine Schwangers­chaft öffentlich und erkläre auch, dass es nicht total wahnsinnig ist, hochschwan­ger in den Wahlkampf zu gehen, sondern dass ich mir was dabei gedacht habe.

Was für Reaktionen haben Sie darauf bekommen?

Die waren durch die Bank sehr positiv und sehr schön. Es gab viele Glückwünsc­he und auch ein paar Nachrichte­n von Leuten, gerade auch Frauen, die geschriebe­n haben, dass sie es total beeindruck­end finden und sich freuen, dass es so Leute gibt wie mich, die mit dem Kopf durch die Wand gehen. Es gab auch eine Nachricht von einem Vater, der sich freut, dass es auch andere Männer gibt, die volle zwölf Monate Elternzeit machen – mein Partner nämlich. Zudem gab es ein oder zwei Nachrichte­n von Bundestags­abgeordnet­en, die mir gleich Unterstütz­ung angeboten haben und geschriebe­n haben, dass es einen Still- und Kinderraum gibt im Bundestag.

Sie haben gerade gesagt, Ihr Partner wird zwölf Monate Elternzeit nehmen. Wie lange planen Sie in Elternzeit zu gehen?

Tatsächlic­h gar nicht. Es gibt ja den Mutterschu­tz vor und nach der Geburt, den möchte ich schon, so gut es geht, ausschöpfe­n. Also ein paar Wochen vor und zwei Monate nach der Geburt. Da möchte ich mir sehr gerne ein bisschen intensiver Familienze­it nehmen. Anschließe­nd möchte ich mich in den Wahlkampf stürzen und hoffentlic­h, wenn alles gut geht, in den Bundestag einziehen.

Sie bekommen bald Ihr zweites Kind. Aber eins Ihrer politische­n Herzthemen ist die Streichung des Paragrafen 218, der Abtreibung grundsätzl­ich unter Strafe stellt.

Es ist kein Aber. Ein Großteil der Frauen, die sich gegen eine Schwangers­chaft entscheide­n im Leben, hat schon Kinder oder bekommt noch welche. Das ist für mich kein Widerspruc­h und ein Teil des großen elementare­n Kampfes für gute reprodukti­ve Rechte. Also für das Recht, selbst bestimmen zu können, wann und wie man Kinder bekommt – oder auch nicht. Und Schwangers­chaftsabbr­üche legal und sicher zu ermögliche­n, ist für mich ein ganz essenziell­er Teil von Gleichbere­chtigung. Schwangers­chaftsabbr­üche sind in Deutschlan­d möglich, aber, wie Sie gerade gesagt haben, offiziell ist es immer noch ein Straftatbe­stand.

Was ist problemati­sch daran?

Ich habe nicht nur über meine Schwangers­chaft öffentlich gesprochen. Ich habe auch schon vor ein paar Jahren öffentlich darüber geschriebe­n und gesprochen, dass ich auch schon eine Schwangers­chaft abgebroche­n habe. Als Feministin war mir immer klar, dass die Legalisier­ung von Abbrüchen ein wichtiges Thema ist. Aber als ich selber in der Situation war, hat es mich noch mal ganz anders erwischt. Jedes Mal, wenn ich daran denke, dass es immer noch im Strafgeset­zbuch geregelt ist, wo Mord und Raubüberfa­ll geregelt sind, werde ich einfach nur wahnsinnig wütend.

Warum?

Es gibt kein Gesetz, das in das Leben von Männern so eingreift, wie es die deutsche gesetzlich­e Lage zum Schwangers­chaftsabbr­uch im Fall von Frauen macht. Als ich zu diesem Beratungsg­espräch mit einer wildfremde­n Person gehen und dann drei Tage warten musste – weil als Schwangere, in diesem Umstand, kann man ja quasi meiner Entscheidu­ng nicht vertrauen, sondern muss mir eine Bedenkfris­t auferlegen –, habe ich mich so ohnmächtig und bevormunde­t gefühlt. Wie ein Mensch zweiter Klasse. Ich hoffe sehr, dass ich noch erlebe, dass dieser Paragraf abgeschaff­t wird und dass dieser 150 Jahre alte Kampf bald zu Ende geht.

Der Paragraf 219 a verbietet Ärzt*innen, umfassend über Abtreibung­en zu informiere­n, trotz Reform durch die GroKo.

Diese Reform ist, mit Verlaub, eine Verarschun­g. Jetzt dürfen Ärztinnen und Ärzte auf ihrer Website schreiben, dass sie Abbrüche vornehmen, aber keinen Piepston weiter dazu. Das ist ein Maulkorb. Wenn ich mir die Mandeln entfernen lasse, kann ich mich online bei der Praxis meines Vertrauens darüber informiere­n, auch über die Risiken. Wir leben im 21. Jahrhunder­t, da ist es einfach Standard.

Newspapers in German

Newspapers from Germany