Wo ist die Kanzlerin?
Stephan Fischer über die auffällige Abwesenheit von Frau Merkel
Was macht eigentlich die Kanzlerin? Angela Merkel, immer noch Regierungschefin, scheint vom politischen Bühnenboden verschluckt. Eine gewisse Zurückhaltung wäre verständlich: Merkel hatte sich auf die Wissenschaft gestützt, die die dritte Pandemiewelle vorhersagten. Die von den Länderchefs forcierten Öffnungsschritte trug sie mit – gegen ihren Willen. Dann macht mal euren Mist alleine, sagte einst sinngemäß ein sächsischer König. Aber erst, als er abdankte. Die Bundeskanzlerin amtiert aber voraussichtlich noch ein halbes Jahr. Und sie hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen – auch und gerade angesichts der abschmierenden Performance ihres Kabinetts, das auch schon vor der Pandemie einige Problemkandidaten durchschleppte. Und auch angesichts einer Partei, die am Beginn eines ähnlich schweren Bebens steht, das sie einst ins Amt der CDU-Vorsitzenden brachte.
Es muss nicht gleich eine Osteransprache sein – aber ein Zeichen der Führung wäre angebracht. Politisch ist sie frei von allen Zwängen, sie könnte sogar das Kabinett umbilden. Aber: Jeder Tag Merkel’scher Abwesenheit lässt Spekulationen ins Kraut schießen – in jede Richtung. Das wäre ein Kontrollverlust, der Angela Merkel überhaupt nicht schmecken kann.