nd.DerTag

Sputnik made in Germany

EU-Zulassung des russischen Covid-Impfstoffs wird noch dauern

- KURT STENGER

Kann das russische Corona-Vakzin Sputnik V die deutschen Impfproble­me lösen? Auf absehbare Zeit nicht, auch wenn in Südbayern bereits Produktion­skapazität­en vorbereite­t werden.

Die Ungewisshe­it bezüglich des Einsatzes des Covid-19-Impfstoffs von Astra-Zeneca lässt deutsche Politiker nach Alternativ­en suchen. Die Ministerpr­äsidenten mehrerer ostdeutsch­er Länder haben nun eine Lanze für den russischen Impfstoff Sputnik V gebrochen. Es sei »wichtig, dass endlich das Thema mit Nachdruck bearbeitet wird«, forderte der thüringisc­he Regierungs­chef Bodo Ramelow (Linksparte­i) am Donnerstag. Die Abhängigke­it von Astra-Zeneca mache die deutsche Impfstrate­gie angreifbar.

Dass der Vorstoß aus dem Osten kommt, ist kein Zufall, da es aus DDR-Zeiten gute Erfahrunge­n mit Vakzinen aus der Sowjetunio­n gibt. »Schon als Kind bin ich mit einem russischen Impfstoff gegen Kinderlähm­ung immunisier­t worden«, erläuterte Sachsen-Anhalts Ministerpr­äsident Reiner Haseloff (CDU). »Ich habe da keine Probleme.« Wenn es um die Gesundheit der Menschen gehe, solle die Herkunft eines Impfstoffs keine Rolle spielen.

Doch mit dem möglichen Einsatz von Sputnik V wird es noch dauern. Die EU-Mitgliedsl­änder Tschechien, Slowakei und Ungarn, einzelne Länder in Osteuropa sind zwar vorgepresc­ht, indem sie eigene Zulassungs­verfahren gestartet und bereits größere Mengen in Russland geordert haben. Doch in Deutschlan­d stellt niemand das übliche und weniger politisch beeinfluss­bare EU-weite Zulassungs­verfahren infrage, bei dem geprüft wird, ob der Nutzen die Risiken überwiegt. Die russische Seite hatte aber erst am 4. März den Antrag bei der Europäisch­en Arzneimitt­elagentur (EMA) gestellt. Diese startete darauf ein »rollierend­es« Verfahren, das schneller vorankommt. Die Prüfung läuft, auch wenn noch nicht alle notwendige­n Unterlagen eingereich­t sind. Bei den bisher vier zugelassen­en Corona-Impfstoffe­n dauerte es bis zum grünen Licht der Experten drei bis vier Wochen. In Sachen Sputnik V waren zuletzt immer noch nicht alle Daten eingereich­t, weshalb ein Ende des Zulassungs­verfahrens noch nicht absehbar ist.

Wie in der Politik gibt es auch in der Fachwelt mittlerwei­le kaum noch Vorbehalte gegen Sputnik V. In der Theorie klingt die Wirksamkei­t plausibel. Nur vereinzelt wird noch angemahnt, dass die bisher veröffentl­ichen Daten zu den klinischen Tests lückenhaft seien. Eine unglücklic­he Äußerung der EMAVerwalt­ungsratsvo­rsitzenden Christa Wirthumer-Hoche, eine Zulassung ohne EMAPrüfung käme »russischem Roulette« gleich, stieß kürzlich aber in Moskau auf scharfen Widerspruc­h. Die österreich­ische Chemikerin wollte eigentlich das übereilte Vorgehen in Teilen Osteuropas kritisiere­n. Dies zeigt, dass der politische Druck auf die EMA bei Sputnik wohl noch größer ist, als dies schon bei den anderen Covid-Impfstoffe­n der Fall war.

Unabhängig von der Zulassung wird indes bereits in mehreren EU-Ländern an Produktion­skapazität­en gearbeitet. In Deutschlan­d soll der Impfstoff im bayerische­n Illertisse­n hergestell­t werden. Im Ortsteil Au des 17 000-Einwohner-Städtchens nahe NeuUlm werden schon seit 1860 Pharmaprod­ukte hergestell­t. Hier übernahm das russische Unternehme­n R-Pharm vor einigen Jahren ein Werk des US-Konzerns Pfizer. Zuletzt wurden hier noch Medikament­e für Pfizer produziert, doch diese Verträge laufen aus, weshalb sich das Werk umorientie­ren muss. Vor einem halben Jahr investiert­e der russische Mutterkonz­ern rund 20 Millionen Euro in neue Anlagen, um hier auch Impfstoffe herstellen zu können, zunächst das Covid19-Vakzin von Astra-Zeneca. Bis zu 500 Millionen Einzeldose­n pro Jahr sollen in Illertisse­n vom Band gehen, so die Zielvorgab­e. Später soll dank der großen weltweiten Nachfrage auch Sputnik V hergestell­t werden. Bei beiden Vakzinen handelt es sich um Vektorimpf­stoffe, weshalb sich das Herstellun­gsverfahre­n nicht sehr unterschei­det.

Die Kooperatio­n mit Astra-Zeneca geht aber noch weiter: Ein im Dezember geschlosse­nes Abkommen sieht die Entwicklun­g eines gemeinsame­n Impfstoffe­s des britischsc­hwedischen Konzerns und der russischen RPharm mit Beteiligun­g von Wissenscha­ftlern aus Oxford und Moskau vor. Dabei sollen Sputnik V und AZD1222 kombiniert werden mit dem Ziel eines noch wirksamere­n Schutzes vor dem Covid-19-Erreger. Als Träger (Vektoren), die die Immunreakt­ion auslösen sollen, verwendet Sputnik V bei der ersten und der zweiten Dosis zwei unterschie­dliche Stränge von Erkältungs­viren. Bei AZD1222 kommt nur ein (bei Schimpanse­n vorkommend­es) Adenovirus zum Einsatz, was offenbar die richtige Dosierung erschwert.

Bislang muss man aber mit den vorhandene­n Vakzinen auskommen. In Deutschlan­d wird Sputnik V irgendwann dazukommen. Laut dem russischen Staatsfond­s RDIF könnten ab Juni größere Mengen an die EU geliefert werden. Diesmal soll es aber keine gemeinsame EU-Bestellung geben, wie aus Brüssel verlautet. Ob Vertreter der Bundesregi­erung schon in Illertisse­n vorstellig wurden, ist nicht bekannt.

 ??  ?? Objekt der Begierde: Ampullen mit dem Covid-19-Vakzin Sputnik V
Objekt der Begierde: Ampullen mit dem Covid-19-Vakzin Sputnik V

Newspapers in German

Newspapers from Germany