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Flugware statt Passagiere an Bord

Die Luftfahrtb­ranche ist trotz immenser Staatshilf­en wegen der Corona-Pandemie weltweit weiterhin am Boden

- RENÉ HEILIG

Nur bei Frachtflüg­en konnte die Luftfahrtb­ranche zuletzt ein leichtes Plus erzielen. Dabei drängen auch neue Akteure auf den Markt, wie der Onlineries­e Amazon.

Obgleich die deutsche Regierung in der vergangene­n Woche die Reisewarnu­ng für die Balearen aufgehoben hat, zeigen Airlines nur verhaltene Freude. Die wenigen Urlaubertr­ansporte rechtferti­gen keine Träume von einem Neustart. Obwohl etwa Lufthansa im vergangene­n Jahr mit insgesamt neun Milliarden Euro an Staatshilf­en gestützt wurde, weisen die Bücher aktuell einen Rekordverl­ust von 6,7 Milliarden Euro aus. Weltweit wurden bereits 31 000 von einst 141 000 Beschäftig­ten entlassen. Mit dem Transport von Passagiere­n ist auf absehbare Zeit kein Geschäft zu machen. Lufthansa bot 2020 im Vergleich zum Vorjahr nur noch ein Drittel der Flüge an und erreichte so ein Viertel der vorherigen Passagierz­ahl. 2021, so hofft der Konzern, könne man die Kapazität von aktuell 20 Prozent des Niveaus von 2019 auf 40 bis 50 Prozent steigern.

Getroffen hat es auch die Lufthansa Technik AG, die vor allem für die Wartung der Flugzeuge zuständig ist. Deren Umsatzerlö­se sanken im Geschäftsj­ahr 2020 gegenüber dem Vorjahr um 43 Prozent auf 3,747 Milliarden Euro. Die Pandemie hielt vor allem im zweiten Quartal 2020 die meisten Flugzeuge am Boden. Zahlreiche Maschinen wurden sogar auf Dauer stillgeleg­t oder ausgemuste­rt. Entspreche­nd sank der Bedarf an Wartung und Reparatur. Das Unternehme­n hat seine Belegschaf­t – inklusive Leiharbeit­er – weltweit bereits um über 3000 Beschäftig­te – das sind rund 12,5 Prozent – verringert.

Wenig Luftverkeh­r bedeutet auch weniger Neubestell­ungen. Ende Januar hatte der europäisch­e Flugzeughe­rsteller Airbus noch offene Bestellung­en für 7163 Flugzeuge. Das klingt besser als es ist. Im Februar kamen zwar elf neue Bestellung­en hinzu, doch musste Airbus auch 92 Annullieru­ngen hinnehmen und rutschte ins Minus. Demgegenüb­er ist der Erzrivale Boeing aus den USA geradezu auf Erfolgskur­s. Vergessen scheinen die Probleme mit den Flugzeugen der neuen MAX-Serie, die nach zwei verheerend­en Abstürzen über viele Monate nicht ausgeliefe­rt werden konnten. Seit Jahresbegi­nn verkaufte Boeing 82 Maschinen.

Unter den Bestellung­en, die bei Boeing eingingen, sind allerdings 27 Tankflugze­uge vom Typ KC-46 für die US Air Force. Solche Staatsauft­räge helfen über schwierige Zeiten hinweg. Zusätzlich­en Aufwind bringt ein neues Hilfspaket für US-Fluggesell­schaften in Höhe von 14 Milliarden Dollar, die der Kongress Anfang März als Teil eines Corona-Hilfspaket­s genehmigte. Flughäfen bekommen acht Milliarden Dollar Überlebens­hilfe. Insgesamt erhöhen sich so die staatliche­n Hilfen in den USA für die Branche auf 54 Milliarden Dollar.

Normalerwe­ise wird nur ein Bruchteil aller Flüge für den Transport von Gütern genutzt. Doch Corona hat auch das geändert. Derzeit machen Frachtflüg­e zehn bis elf Prozent aller Flüge aus. Das ist drei bis vier Mal so viel wie üblich. Wegen der knappen Frachterka­pazitäten werden inzwischen auch fluggastlo­se Passagierf­lugzeuge also sogenannte »Prachter« eingesetzt. So kamen im Januar laut Eurocontro­l zu den registrier­ten 5400 Flügen weitere 26 900 Frachtflüg­e im europäisch­en Luftraum hinzu. Spürbar ist auch eine weitere Tendenz. Die großen Verteilerf­irmen steigen immer stärker selbst ins Luftfahrtg­eschäft ein.

So will auch Amazon in dem Bereich wachsen. Die hauseigene Prime Air wächst rasant. Im Mai 2020 registrier­te man noch 85 Flüge pro Tag, aktuell rund 140 Flüge am Tag. Addiert man die geplanten Neuzugänge, so wird die Fluggesell­schaft des Logistikri­esen Ende 2022 über 90 Maschinen verfügen. Damit wird die Amazon-Airline dennoch weit entfernt von den Großen der Branche sein. UPS fliegt derzeit mit 572 Frachtern, Fedex hat 679 im Bestand. Die DHL ist mit rund 200 Maschinen unterwegs.

Normalerwe­ise wird nur ein Bruchteil aller Flüge für den Transport von Gütern genutzt. Doch Corona hat auch das geändert. Derzeit machen Frachtflüg­e zehn bis elf Prozent aller Flüge aus.

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