Sportevent als Hotspot
Coronavirus: Mehr als 50 Leichtathleten haben sich bei den Hallen-Europameisterschaften infiziert
Zwei Wochen nach der Hallen-EM in Polen steigt die Zahl der Coronafälle täglich, auch das deutsche Leichtathletikteam hat es erwischt. Die Signalwirkung ist mit Blick auf Olympia in Tokio verheerend.
Die Europameisterschaften der Leichtathleten unter dem Hallendach von Torun könnten für den Sport dramatische Folgen haben: Dutzende Aktive sind mit einer Coronainfektion von den Wettkämpfen Anfang März in Polen zurückgekehrt. Ein einziges und angeblich hochsicheres Großevent schickt das Virus quer durch Europa – ein Schreckensszenario, auch mit Blick auf Olympia. »Wir haben ein sicheres Event mit über 700 Athleten aus 47 Nationen abgeliefert. Wir haben gezeigt, was in Zeiten einer Pandemie möglich ist«, hatte Dobromir Karamarinow, Interimspräsident des europäischen Leichtathletikverbandes, eine Woche nach dem Abschluss Titelkämpfe verkündet.
Jetzt fliegen Karamarinows Verband und den Veranstaltern immer mehr positive Coronatest um die Ohren. Täglich neue Medizinbulletins beteiligter Nationen lassen darauf schließen, dass in Torun etwas grandios schief gelaufen ist – oder dass eben ein »Superspreader« gezeigt hat, wie schnell aus einem Sportevent ein Hotspot werden kann.
Traurige Nationenwertung
»Mittlerweile sind uns sieben positive Fälle bekannt. Die positiven Testergebnisse stammen ausschließlich von Corona-Nachkontrollen in Deutschland«, teilte der Generaldirektor des deutschen Leichtathletikverbandes, Idriss Gonschinska, am Mittwoch mit. In dieser traurigen EM-Nationenwertung reicht das nicht einmal für das Podest: 15 Fälle meldete Italien, zehn Großbritannien, acht Fälle meldeten die Niederlande – mehr als 50 Infektionen waren am Donnerstagmittag insgesamt bereits aktenkundig. Dabei hatten auch die Deutschen das Hygiene- und Testkonzept in Torun überschwänglich gelobt und sich – auch vor dem Hintergrund der nationalen Meisterschaften zuvor in Dortmund mit mehr als tausend Tests und keinem Infektionsfall – absolut sicher gefühlt. »Noch sicherer geht es nicht, vielleicht in der Klinik«, sagte Kugelstoßerin Christina Schwanitz.
Was diese Erfahrungen für die Olympischen Sommerspiele in Tokio bedeuten könnten, wo mehr als 10 000 Aktive aus rund 200 Nationen zusammenkommen, wird nun die Sportpolitik ebenso wie die Experten umtreiben. Die Befürchtung, dass der Hallensport, der auch in Tokio einen großen Teil der Disziplinen ausmacht, ungleich gefährdeter ist als die Freiluftvarianten, scheint auf der Hand zu liegen. »Wir müssen uns die Frage stellen: Wollen wir das riskieren, als Sportler und als Gesellschaft: Veranstaltungen, bei denen Infektionen stattfinden?«, fragte der deutsche Fechter Max Hartung nach dem Weltcup am Wochenende in Budapest, wo es ebenfalls Positivfälle gab.