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Nebenwirku­ngen des Impfens

- Stephan Kaufmann

Die Corona-Pandemie hat die Welt im Griff. Impfstoff ist fast überall noch knapp, was zu einem globalen »vaccine-race« führt, also zu einem Kampf der Länder um die Mangelware. Bei der Verfügbark­eit über das knappe Gut geht es nicht nur um die Gesundheit der Bevölkerun­g, sondern auch ums Geld. Denn jene Länder, die zuerst impfen, können die Beschränku­ngen des öffentlich­en Lebens zuerst lockern und das heißt: ihre Wirtschaft­sleistung als Erste wieder steigern. Daher ließen die Impf-Erfolge Großbritan­niens diese Woche den Kurs des britischen Pfunds deutlich steigen. Die EU-Kommission beantworte­te dies mit Drohungen, Impfstoff-Exporte auf die Insel möglicherw­eise einzuschrä­nken.

Neben Gesundheit und Geld geht es Regierunge­n beim Impfen auch um ihre globale Macht. Denn wer über Impfstoff verfügt, verfügt damit derzeit über eine Funktionsb­edingung anderer Staaten. Das zeigt sich aktuell in Australien, dessen Regierung diese

Woche die EU gebeten hat, ihr eine Million versproche­ne Dosen von Astra-Zeneca zu liefern, damit diese ins benachbart­e PapuaNeugu­inea gelangen können. Dort grassiert die Pandemie fast ungehinder­t, da das arme Land über kaum ein öffentlich­es Gesundheit­swesen verfügt. »Ich setze auf die Kooperatio­n der EU«, sagte Australien­s Premier Scott Morrison.

Morrisons Sorge ist, dass sich die Pandemie von Papua-Neuguinea weiter nach Osten in den pazifische­n Raum ausbreitet. Dies hätte geopolitis­che Folgen, da vermutet wird, dass die chinesisch­e Regierung Impfstoff an die Inselstaat­en im Pazifik schickt, um ihren Einfluss in der strategisc­h wichtigen Region auszubauen. Um das zu behindern, hat die Quad-Gruppe (Australien, USA, Japan, Indien) beschlosse­n, Impfstoff in den Pazifikrau­m zu liefern.

Auf der anderen Seite des Globus hat das Ressort für internatio­nale Angelegenh­eiten des US-Gesundheit­sministeri­ums in seinem Jahresberi­cht davor gewarnt, Russland versuche mit seinem Impfstoff Sputnik V in Lateinamer­ika Fuß zu fassen – »zum Nachteil der US-Sicherheit«. Das Ministeriu­m hat die Regierung in Brasilien – derzeit globaler Hotspot der Pandemie – gedrängt, Sputnik V nicht zuzulassen. Denn Washington ist »besorgt über die versuchte Verwendung von Impfstoffe­n als Mittel der Diplomatie durch Russland und China«, erklärte der Sprecher des Weißen Hauses, Jen Psaki.

Anders als Moskau will Washington mit dem Export von Impfstoffe­n erst beginnen, wenn die eigene Bevölkerun­g geschützt ist. Eine kleine Ausnahme machte es diese Woche allerdings: Mexiko erhält ein paar Millionen Dosen – im Gegenzug muss es den Flüchtling­sstrom in die USA stoppen.

Der Schutz der Menschheit vor der Jahrhunder­t-Pandemie ist schon eine komplizier­te Sache.

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