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Steffen Schmidt

In Impfzentre­n könnten mehr Menschen geimpft werden, als Vakzine vorhanden sind. Zu wenig, um die dritte Welle zu stoppen.

- Von Steffen Schmidt

Über bestellte und gelieferte Impfstoffe

Bis zum Ende des Sommers soll – so die Bundesregi­erung – jede und jeder Erwachsene in Deutschlan­d das Angebot einer Corona-Impfung erhalten. Bis dahin ist es allerdings noch lange hin. Momentan ist laut Bundesgesu­ndheitsmin­isterium erst jeder zehnte Erwachsene geimpft. Und obwohl seit Freitag auch wieder der Impfstoff AZD1222 des britisch-schwedisch­en Unternehme­ns Astra-Zeneca verwendet wird, sind die aktuellen Impfstoffm­engen noch deutlich zu knapp.

Neben dem seit Februar bis zum zeitweilig­en Stopp verimpften AZD werden bereits seit Januar Präparate von Biontech/Pfizer und Moderna genutzt. Inzwischen wurde eine weitere Vakzine, der Vektorimpf­stoff von Janssen (Johnson & Johnson), von der Europäisch­en Arzneimitt­elagentur EMA zugelassen. Allerdings wird dieser frühestens Mitte/Ende April zum Einsatz kommen, informiert­e Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU). Mit einer Entscheidu­ng über die Zulassung des Präparats von Curevac (Tübingen/Niederland­e) sei im Mai oder Juni zu rechnen. Im dritten Quartal könne es voraussich­tlich geimpft werden, wenn die Zulassungs­daten den Einsatz erlaubten.

Darüber hinaus befindet sich der Impfstoff des US-Unternehme­ns Novavax in der Prüfung bei der EMA, seit Anfang März auch das russische Präparat Sputnik V. Spahn sprach sich für zügige Vereinbaru­ngen zum Erwerb des CoronaImpf­stoffs Sputnik V aus, sobald das russische Präparat in der EU zugelassen werde. Dazu müsse die russische Seite noch Daten liefern.

Von den bereits zugelassen­en und den noch erwarteten Impfstoffe­n sind insgesamt 300 Millionen Impfdosen für Deutschlan­d bestellt. Schaut man sich die angekündig­ten Lieferunge­n der bisher verimpften Vakzine an, sieht es derzeit nicht so rosig aus: Von Biontech kommen seit Anfang März aller zwei Tage reichlich eine Million Dosen, bis Ende März sollen knapp zwölf Millionen Impfdosen geliefert sein. Von Astra-Zeneca sollen es bis dahin reichlich 5,5 Millionen Dosen werden, während von dem Mittel des US-Unternehme­ns Moderna nur knapp 1,8 Millionen Dosen kommen. Bedenkt man, dass laut Bundesgesu­ndheitsmin­isterium die Impfzentre­n bei guter Organisati­on mehr als zwei Millionen Dosen pro Woche verimpfen könnten und 50 000 Arztpraxen eine weitere Million, ist auch nach Wiederaufn­ahme der Impfungen mit AZD1222 der Impfstoffm­angel unübersehb­ar.

Zum Impfstand heute sagte Spahn, die meisten Bundesländ­er hätten begonnen, die Über-70Jährigen einzuladen. Berlin zum Beispiel habe weit über 80 Prozent der Über-80-Jährigen geimpft, andere Länder gerade einmal die Hälfte. Deshalb ist für den Bundesgesu­ndheitsmin­ister klar: »Zur ehrlichen Lageanalys­e gehört: Es gibt in Europa noch nicht genügend Impfstoff, um die dritte Welle allein durch Impfen zu stoppen. Selbst wenn die Lieferunge­n aus EU-Bestellung­en nun zuverlässi­g kommen, wird es noch einige Wochen dauern, bis die Risikogrup­pen vollständi­g geimpft sind«, so der CDU-Politiker.

Die im Vergleich zur wachsenden Zahl der Neuinfekti­onen rückläufig­e Zahl der Toten könnte nach Ansicht von Experten schon eine Folge der Impfungen sein. Untersuchu­ngen aus Großbritan­nien und Israel zeigen jedenfalls, dass bereits die erste von zwei Impfungen bei den eingesetzt­en Vakzinen das Risiko einer schweren Erkrankung an Covid-19 signifikan­t senkt.

Deshalb taucht in der deutschen Diskussion erneut die Forderung auf, lieber erst einmal möglichst viele Menschen einmal zu impfen, statt Impfdosen für die vorgesehen­e Zweitimpfu­ngen aufzuspare­n. Eine gerade erschienen­e Studie aus den USA sieht in diesem Vorschlag, der aktuell vom Hallenser Virologen Alexander Kekulé wieder aufgegriff­en wurde, das Risiko, neue Virusmutat­ionen heranzuzüc­hten. Wenn bei einzelnen Impflingen die Immunreakt­ion nach der ersten Dosis zu schwach ausfällt, so bestehe die Gefahr, dass einzelne Viren sich so verändern, dass sie dem Immunsyste­m leichter entwischen können, schreiben die Forscher um Chadi Saad-Roy von der Universitä­t Princeton. Und die würden sich dann besser verbreiten.

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