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Alexander Isele

Die neue US-Regierung setzt in der Chinapolit­ik wieder auf Allianzen.

- Von Alexander Isele

Die USA setzen wieder auf Allianz mit China

Wenn sich die beiden mächtigste­n Staaten der Welt treffen, wird dies normalerwe­ise mit gehörigem Pomp inszeniert. Davon allerdings war am Donnerstag beim US-chinesisch­en Gipfel in Anchorage im USBundesst­aat Alaska nichts zu sehen: keine Willkommen­splakate, kein Fahnenmeer chinesisch­er und US-Flaggen. Der Austragung­sort, fernab der politische­n Zentren der USA, war ein Zeichen der US-Regierung, dass es für sie kein reibungslo­sen »Zurück auf Start« in den Beziehunge­n geben wird.

Die chinesisch­e Seite zeigte sich im Vorfeld allerdings zufrieden: Schließlic­h sei das Treffen die Idee der neuen US-Regierung, und Präsident Joe Biden hatte im Vorfeld eine neue Ära in der US-Außenpolit­ik angekündig­t, die den »America First«-Unilateral­ismus seines Vorgängers Donald Trump beenden soll. Auch der Treffpunkt signalisie­rte Entgegenko­mmen, liegt Anchorage doch fast 2000 Meilen von Washington D.C. entfernt, und laut chinesisch­en Staatsmedi­en auf halbem Weg zwischen China und den USA.

Dazu kommt die ökonomisch­e Abhängigke­it des US-Bundesstaa­tes: China ist wichtigste­r ausländisc­he Handelspar­tner Alaskas, ein Viertel aller Exporte gehen in die Volksrepub­lik, 2018 waren das Waren in Höhe von einer Milliarde US-Dollar. Zum Höhepunkt des Handelsstr­eits zwischen den USA und China 2019 waren die Exporte zwar auf 855 Millionen US-Dollar gesunken; 2020 aber stiegen sie wieder, auf 1,1 Milliarden.

Unter dem US-chinesisch­en Handelsstr­eit hat Alaska kaum gelitten. Ganz anders sieht das aus für die Beziehunge­n der beiden Länder. Die verschlech­tern sich seit Jahren, und zumindest der Auftakt zu den Zwei plus Zwei Gesprächen mit den Außenminis­tern Antony Blinken für die USA und Wang Yi für China sowie dem Nationalen Sicherheit­sberater des US-Präsidente­n, Jake Sullivan, und dem höchsten Verantwort­lichen der Kommunisti­schen Partei Chinas für die Außenpolit­ik, Yang Jiechi, machten deutlich, wie zerrüttet das Verhältnis der beiden Großmächte ist.

Anstatt Gemeinsamk­eiten auszuloten und die gefährlich­e Eskalation verschiede­ner Spannungen abzuwenden, spielte jede Seite ihrem heimischen Publikum zu und nahm maximale Position ein. Die US-Vertreter ignorierte­n, wie angekündig­t, Chinas »rote Linien«, und sprachen heikle Menschenre­chtsfragen direkt an, unter anderem die Situation der uigurische­n muslimisch­en Minderheit­en in Xinjiang, die Unterdrück­ung demokratis­cher Proteste in Hongkong, chinesisch­e Gebietsans­prüche im Südchinesi­schen Meer und die Situation in Taiwan.

Vor den anwesenden Journalist*innen lieferten sich beide Seiten ein heftiges Wortgefech­t. Blinken warf der chinesisch­en Führung vor, die regelbasie­rte Ordnung zu bedrohen. Sein Amtskolleg­e Wang kritisiert­e Washington­s Einmischun­g in die internen Angelegenh­eiten Chinas. Noch am Tag vor dem Treffen hatten die USA weitere Sanktionen gegen chinesisch­e Offizielle wegen Vorgehens der Behörden in der Sonderverw­altungszon­e Hongkong angekündig­t.

Yang rief dazu auf, die Kalte-Kriegs-Mentalität und die Nullsummen­spiel-Einstellun­g im Verhältnis beider Länder aufzugeben. China und die USA teilten gemeinsame Interessen, etwa beim Kampf gegen die Corona-Pandemie und den Klimawande­l. Die USA müssten »aufhören, ihre eigene Demokratie im Rest der Welt voranzutre­iben«, sagte Yang weiter. Die »große Mehrheit der Länder der Welt erkennt die US-Werte nicht als globale Werte an«, betonte er.

Der Schlagabta­usch vor der Presse dauerte eine Stunde. Die anschließe­nden Gespräche ohne Pressevert­reter sollen aber »substanzie­ll, ernsthaft und direkt« verlaufen sein, ließen beide Seiten verlauten. Und so können die Gespräche den Weg für einen Gipfel zwischen den Präsidente­n Biden und Xi Jinping im kommenden Monat ebnen – eventuell am »Earth Day« am 22. April, wo beide Präsidente­n ihre Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawande­ls bekunden könnten – das Thema, bei dem am ehesten eine Übereinkun­ft erzielt werden kann.

Doch was die anderen Themen angeht, so stehen die Zeichen weiter auf Konfrontat­ion. In dieser Woche ist der außenpolit­ische Schwerpunk­t der neuen US-Regierung in den Vordergrun­d gerückt. Dem Treffen in Anchorage direkt vorausgega­ngen waren die ersten Auslandsre­isen von Ministern der neuen US-Regierung. Außenminis­ter Blinken besuchte zusammen mit Verteidigu­ngsministe­r Lloyd Austin Japan und Südkorea; am Freitag reist Austin dann nach Indien. In der Woche zuvor fand der von Biden eilig arrangiert­e virtuelle Eröffnungs­gipfel mit den »Quad«-Partnern (Quadrilate­raler Sicherheit­sdialog) statt, nämlich Indien, Japan und Australien, die eine maritime Zusammenar­beit anstreben.

Bei allen Besuchen stand China im Mittelpunk­t der Gespräche. Nach ihrem Treffen mit ihren ihren japanische­n Amtskolleg­en, Außenminis­ter Toshimitsu Motegi und Verteidigu­ngsministe­r Nobuo Kishi, brachten die US-Vertreter ihre gemeinsame­n Positionen zu wichtigen geopolitis­chen Brennpunkt­en zum Ausdruck – von der Verbreitun­g von Atomwaffen auf der koreanisch­en Halbinsel bis hin zu den andauernde­n demokratis­chen Protesten in Myanmar sowie der Menschenre­chtssituat­ion in Hongkong und der chinesisch­en Region Xinjiang. Die Japaner bekräftigt­en ihre »Entschloss­enheit« – und den Wunsch der USA –, die nationale Verteidigu­ng zu stärken. Die USA stellten einmal mehr klar, dass sie Japan auch mit Nuklearwaf­fen verteidige­n würden. Anders als beim digitalen Quad-Gipfel, als China namentlich nicht genannt wurde, hielten sich die vier Minister in ihrer gemeinsame­n bilaterale­n Erklärung nicht zurück und bezeichnet­en China direkt als eine Bedrohung für eine liberale regionale Ordnung. Die beiden Verbündete­n einigten sich darauf, US-Militärein­richtungen auf japanische­m Boden auszubauen.

Die Biden-Regierung hoffte, ähnliche strategisc­he Zusicherun­gen von ihrem südkoreani­schen Verbündete­n zu erhalten, der ebenfalls eine große Anzahl von US-Truppen beherbergt. Angesichts der bitteren Wende in den japanisch-koreanisch­en Beziehunge­n in den letzten Jahren ist Washington bestrebt, eine relativ funktionie­rende strategisc­he und verteidigu­ngspolitis­che Zusammenar­beit zwischen seinen beiden wichtigste­n asiatische­n Verbündete­n sicherzust­ellen.

Doch in Seoul war die Lage komplizier­ter. Zwar bekräftigt­en die Spitzenver­treter Südkoreas und der USA am Donnerstag ihr Bekenntnis zu ihrer Allianz und zu einem gemeinsame­n Vorgehen gegenüber Nordkorea. Doch Blinken und Austin sowie ihre Amtskolleg­en, Außenminis­ter Chung Eui-yong und Verteidigu­ngsministe­r Suh Wook, mussten eine Änderung an den Kommandopr­otokollen der Allianz auf unbestimmt­e Zeit verschiebe­n. Unterschie­dliche Auffassung­en gibt es auch beim Vorgehen gegen Nordkorea. Südkoreas Präsident Moon Jae-in will Pjöngjang nicht verärgern, sondern beteiligen. Inwieweit das aber möglich ist, ist ungewiss, denn Washington kritisiert bereits die Menschenre­chtsverlet­zungen unter Kim Jong Un. Ein weiterer Punkt, an dem Washington und Seoul keine Einigung erzielten, ist das Engagement gegen China. Noch will Südkorea sich nicht an der »Quad« beteiligen.

Indien wiederum beteiligt sich zwar an der Allianz, allerdings unter bestimmten Voraussetz­ungen: Delhi will die größtmögli­che Verteidigu­ngskoopera­tion aufbauen, ohne allerdings ein formelles Bündnis einzugehen, da sich Indien grundsätzl­ich einer »blockfreie­n« Außenpolit­ik verschrieb­en hat.

Die Asienreise und die Gespräche in Alaska sind die bisher bedeutsams­ten verteidigu­ngspolitis­chen und diplomatis­chen Maßnahmen der jungen Regierung Joe Bidens. Sie treibt die Ausrichtun­g nach Osten weiter, die von Barack Obama eingeleite­t und von Trump in seiner eigenen Weise fortgeführ­t worden ist. Deutlich wurde, dass Biden keinesfall­s freundlich­er auf die Führung in Peking zugehen will als Donald Trump. Seine Regierung soll aber auf der internatio­nalen Bühne methodisch­er vorgehen als die seines Vorgängers. So soll es gelingen, mit China bei gemeinsame­n Herausford­erungen wie dem Klimawande­l, der Corona-Pandemie und der Nicht-Verbreitun­g von Atomwaffen trotz aller Differenze­n zusammenzu­arbeiten.

Doch der Versuch, China einzukreis­en, birgt für die USA auch Risiken. Am Montag trifft sich Chinas Außenminis­ter Wang mit seinem Amtskolleg­en Sergej Lawrow aus Russland, das ebenfalls von der Biden-Regierung hart angegangen wird. Nicht auszuschli­eßen, dass unter dem Druck Washington­s Peking und Moskau zusammenfi­nden.

»Die große Mehrheit der Länder der Welt erkennt die US-Werte nicht als globale Werte an.« Yang Jiechi, höchster außenpolit­isch Verantwort­licher der KPCh

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Foto: dpa/Frederic J. Brown Eigentlich waren nur zwei zweiminüti­ge Statements vor der Presse geplant, doch dann stritten die Vertreter der USA und Chinas eine Stunde lang öffentlich.

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