Irmtraud Gutschke
sucht mit Slavoj Žižek den neuen Kommunismus
In Schockstarre verfiel der Westen, als am 4. Oktober 1957 die UdSSR den ersten künstlichen Erdsatelliten, Sputnik 1, in die Umlaufbahn schickte. Vor allem in den USA sah man sich im antikommunistischen Fieber von den Russen bereits existenziell bedroht. Bürger suchten mit Ferngläsern angstvoll das Firmament ab. Vizepräsident Nixon rügte seinen Chef im Weißen Haus, Weltkriegsgeneral Eisenhower, den technologischen Rückfall hinter die »Russen« verschuldet zu haben. Das Trauma des »Sputnik-Schocks« währte über ein Jahrzehnt und gespensterte durch das restliche 20. Jahrhundert. Weshalb denn auch eine Jury deutscher Prominenz 1999 »Sputnik« zu einem der 100 einflussreichsten Wörter des vergangenen Säkulums kürte.
Droht nun ein neuer Sputnik-Schock? Die Ministerpräsidenten dreier ostdeutscher Länder wagen es, trotz der von Washington verordneten Sanktionspolitik nach dem russischen Impfstoff zu rufen. Die dreisten Drei glauben gar, dafür vernünftige Argumente zu haben. Haseloff: »Schon als Kind bin ich mit einem russischen Impfstoff gegen Kinderlähmung immunisiert worden.« Ramelow: »Ich will keine politische Zulassung. Aber ich will auch keine politische Ablehnung.« Kretschmer: »Russland ist ein großes Land der Wissenschaft.«
Der Sputnik-Schock von 1957 eröffnete nicht nur den Wettlauf ins All, er befeuerte auch das militärische Wettrüsten. Und hatte zugleich einen positiven Effekt: Der von seinem Vize gescholtene Eisenhower ordnete an, in US-Schulen das Hauptaugenmerk auf Mathematik, Physik und Chemie zu legen und auch Kindern unterer Klassen und Schichten verstärkt Bildung zu gewähren. Das erste Signal von Sputnik 1 hat übrigens ein Hobbyfunker in Bochum empfangen.