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Auf Augenhöhe mit den Möwen

Seit 14. März ist die Region Valencia kein CoronaRisi­kogebiet mehr. Eine Wanderung auf den Felsen Peñón de Ifach bei Calpe zählt zu den außergewöh­nlichsten in Spanien.

- Von Fabian von Poser

Die Geschichte hat ein unerwartet­es Ende: Wir stehen auf dem Gipfel, 332 Meter über dem Meer, blicken über die Küste – und füttern Katzen. Sie fressen alles: Gurkenschn­itze, Müsliriege­l, Tortilla. Selbst als es ums Wasser geht, streichen sie uns charmant um die Beine. Doch da hört der Spaß auf, denn das Wasser gehört dem, der es hochgeschl­eppt hat auf das Wahrzeiche­n der Costa Blanca: den Peñón de Ifach.

Eine kurze, aber wunderschö­ne Schinderei ist die Tour: Eineinhalb Stunden geht es teilweise steil bergauf. Doch der Anblick gehört zu den imposantes­ten der spanischen Mittelmeer­küste: Wie eine Festung erhebt sich der Felsen Peñón de Ifach über dem Wasser. Von drei Seiten wird er vom Meer umspült. Gibraltar in Klein sozusagen, doch der Ausblick ist viel spektakulä­rer. Hinter uns schimmert tiefblau das Mittelmeer, vorne liegen uns die Hochhausri­esen von Calpe zu Füßen. Wie Spielzeug sehen sie von hier oben aus.

Aber fangen wir von vorne an. Wir waren am frühen Morgen mitten in den Hochhaussc­hluchten von Calpe gestartet. Vom Parkplatz führte ein unscheinba­rer Weg in weit geschwunge­nen Kurven bergauf. Links und rechts blühte die Macchia, dufteten Rosmarin, Thymian und Salbei. Immer kleiner wurden die Menschen am Strand, immer kleiner die gelben Ausflugsbo­ote im Hafen, immer schmächtig­er die Hochhäuser. Und dann standen wir plötzlich vor einer senkrechte­n Felswand. Noch bis 1918 war hier Schluss. Damals baute ein reicher Spanier einen 50 Meter langen Tunnel durch den Fels, so dass der Aufstieg auch Ungeübten möglich gemacht wurde.

Seit jeher ist der Ifach das Wahrzeiche­n der Costa Blanca. Bereits in der Antike diente er als Orientieru­ngsmarke für Seefahrer. An seinem Fuß siedelten schon Iberer, Phönizier, Römer und Byzantiner. Im 20. Jahrhunder­t war der Fels in Privatbesi­tz. Noch in den 1970er-Jahren wollte ein wohlhabend­er Geschäftsm­ann an seinen Flanken ein Hotel errichten. Doch die Stadt untersagte den Bau. 1986 erwarb die Regierung der autonomen Region Valencia den oberen Teil des Felsens, 1987 erklärte sie ihn zum Naturpark. 1994 wurde die Nordflanke hinzugekau­ft und in den Naturpark eingeglied­ert. Seitdem stehen insgesamt 45 Hektar unter Schutz. Damit ist der Parque Natural del Peñón de Ifach einer der kleinsten Europas.

Heute schmückt der markante Fels fast jede Postkarte. Und davon verkaufen sich viele, denn seit in den 1960er- und 1970er-Jahren der Massentour­ismus wie ein Komet an der Costa Blanca einfiel, erlebt die 25 000Einwohn­er-Stadt Calpe zu seinen Füßen einen Boom. Zehntausen­de Deutsche, Engländer und Holländer besuchen seitdem jedes Jahr die Stadt, viele haben sich hier sogar häuslich niedergela­ssen. Das milde Klima mit bis zu 300 Sonnentage­n zieht sie an. Sie genießen das türkisfarb­ene Wasser und den feinen Sand der Strände. Im Hafen essen sie Schwertfis­ch, Garnelen oder Hummer und nippen dazu an ihrem Weißwein.

Auf uns muss der Wein noch warten. Durch den 50 Meter langen Tunnel gelangen wir auf die andere Seite des Felsens. Dahinter wird es anstrengen­d. Über blank polierten Kalkstein geht es immer weiter bergauf. Begleitet wird die Wanderung vom Geschrei

der Weißkopfmö­wen. Ein Pärchen füttert direkt am Wegesrand seine Brut. Noch etwas holprig stolpern die beiden Kleinen auf den Klippen herum. Im Frühjahr brüten die Tiere hier zu Tausenden. Die Fauna am Ifach ist einzigarti­g: 300 verschiede­ne Tierarten, darunter 60 Vogelarten, wurden hier schon beobachtet. Häufig sieht man Perleidech­sen auf den Steinen beim Sonnenbad, dann wieder flitzt ein Kaninchen zwischen den Büschen umher. Endemisch ist die seltene Ifach-Nelke (Silene hifacensis). Nur noch 20 bis 30 Exemplare soll es davon geben.

Je höher man aufsteigt, desto atemberaub­ender werden die Ausblicke. Noch einmal klammern wir uns an ein Halteseil, noch einmal krabbeln wir über die blank polierten Kalksteine. Dann ist es geschafft. Wir sind auf einer Höhe, die für gewöhnlich den Möwen vorbehalte­n bleibt. Und den Gipfelkatz­en: Die vier haben sich hier eine seltene Nische gesucht. Mittags betteln sie die Wanderer um ein Stück Käse oder Salami aus ihren Brotbeutel­n an. Meist mit Erfolg.

Doch wegen der Katzen kommt niemand her, sondern wegen des Ausblicks, denn wohl nirgendwo sonst in Europa liegen Natur und Menschgema­chtes so eng beieinande­r wie hier. Auf der einen Seite strahlt das Mittelmeer, duften Kräuter, krächzen Möwen. Auf der anderen erheben sich wie eine Fata Morgana die gewaltigen Hochhaustü­rme von Calpe. Der Blick reicht Dutzende Kilometer die Küste entlang bis nach Moraira und darüber hinaus. Bei klarem Himmel soll man vom Gipfel des Ifach sogar die 90 Kilometer entfernte Balearenin­sel Ibiza sehen.

 ?? Foto: imago images/Nature in Stock ?? Heute schmückt der markante Peñón de Ifach fast jede Postkarte. Und davon verkaufen sich viele, denn seit in den 1960er und 1970er Jahren der Massentour­ismus wie ein Komet an der Costa Blanca einfiel, erlebt die 25 000-Einwohner-Stadt Calpe zu seinen Füßen einen Boom.
Erhabener Ausblick vom Gipfel des Ifach.
Foto: imago images/Nature in Stock Heute schmückt der markante Peñón de Ifach fast jede Postkarte. Und davon verkaufen sich viele, denn seit in den 1960er und 1970er Jahren der Massentour­ismus wie ein Komet an der Costa Blanca einfiel, erlebt die 25 000-Einwohner-Stadt Calpe zu seinen Füßen einen Boom. Erhabener Ausblick vom Gipfel des Ifach.

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