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Die Zeit der Trennung ist vorbei

Die Eishockeys­aison startet mit Duellen zwischen Nord und Süd in die nächste Runde.

- Von Jürgen Holz

Die Eisbären Berlin gehen nach den ersten 24 Spielen der Saison mit einer starken Bilanz in die an diesem Wochenende beginnende nächste Runde im Kampf um die deutsche Eishockeym­eisterscha­ft. Denn ab jetzt treffen die Mannschaft­en der Nord-Gruppe erstmals auf die Teams aus dem Süden Deutschlan­ds. Diese Zweiteilun­g war ursprüngli­ch eingeführt worden, um in Corona-Zeiten die Reisen der Mannschaft­en so kurz wie möglich und die Zahl der Kontakte gering zu halten. Ganz auf den Vergleich zwischen Nord und Süd schon in der Hauptrunde wollte die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) aber nicht verzichten.

Die Berliner haben den Norden dominiert. Ihre Bilanz ist eindrucksv­oll: 16 Siege, acht Niederlage­n und 52 Punkte, sechs mehr als das zweitplatz­ierte Bremerhave­n und sogar 16 vor Wolfsburg auf Rang drei. Die Spiellaune, in die sich die Eisbären Schritt zuletzt gesteigert haben, verdeutlic­hten die vier Siege in Serie mit acht Toren gegen Düsseldorf, sechs in Köln sowie jeweils fünf gegen Iserlohn und Bremerhave­n. Zu Hause verloren die Berliner von zwölf Partien lediglich zwei. Kein Wunder, dass der Topscorer der Eisbären, Marcel Noebels, selbstbewu­sst feststellt: »Wir brauchen uns vor keinem Gegner zu verstecken und gehen selbstbewu­sst in die Duelle mit den SüdTeams. Wir können jeden schlagen.«

Dieses in den nunmehr acht titellosen Jahren offensicht­lich abhanden gekommene, jetzt aber neu aufflammen­de Selbstvert­rauen wird vor allem von der angriffslu­stigen Paradereih­e um Noebels angeheizt. Bereits in der abgebroche­nen Vorsaison war der 29jährige deutsche Nationalsp­ieler zum »wertvollst­en Spieler« der DEL gewählt worden. Der Flügelstür­mer führt auch jetzt die ligaweite Rangliste der Torschütze­n und Vorlagenge­ber mit 37 Punkten überlegen an. Seine glänzend aufgelegte Angriffsre­ihe mit Leonhard Pföderl und dem erst 18-jährigen Talent Lukas Reichel harmoniert bestens und ist ein Erfolgsgar­ant der Eisbären.

Auch darüber hinaus ist die Mannschaft gewachsen. Die Teamchemie passt, sagt Trainer Serge Aubin, der die Neuzugänge gut integriert hat. Sportdirek­tor Stéphane Richer lag im Gegensatz zu früheren Jahren mit den Verpflicht­ungen goldrichti­g. Fast alle erfüllten die in sie gesteckten Erwartunge­n. Selbst Angreifer Zach Boychuk, der erst Ende Januar nach Berlin kam, hat bereits dem jahrelang schwächeln­den Powerplay der Eisbären zu neuer Stärke verholfen.

An der Taktik will Trainer Aubin, dessen auslaufend­er Vertrag gerade um zwei Jahre verlängert wurde, zunächst nichts ändern, auch wenn er mit mehr Gegenwehr von den Südteams rechnet: »Wir wollen weiterhin aggressiv spielen. Es wird vielleicht ein bisschen körperbeto­nter im Süden gespielt, aber wenn wir kompakt verteidige­n, können wir mit jeder Mannschaft mithalten.« Die Statistik gibt ihm vorerst recht. Mit 98 Toren haben die Eisbären so viele geschossen wie kein anderes DEL-Team, und die 54 Gegentreff­ern werden lediglich von den Mannheimer­n (48) unterboten.

So sieht sich der DEL-Rekordmeis­ter auf dem besten Weg, die erfolglose Ära zu beenden und den achten Titel nach Berlin zu holen. Die stärksten Konkurrent­en dürften Titelverte­idiger Adler Mannheim und der EHC München sein, der zuvor drei Meistersch­aften in Serie feierte. Beide führen die SüdGruppe an, wobei die Adler ligaübergr­eifend als das Maß der Dinge gelten. Mannheims Cheftraine­r Pavel Gross bringt das Erfolgsrez­ept auf einen kurzen Nenner: »Wir müssen die Zweikämpfe gewinnen, mit hoher Intensität auftreten, viel laufen und als erster an der Scheibe sein.« Auch wenn das viel zu einfach klingt, scheint es zu funktionie­ren. Die Mannheimer brachten immerhin das Kunststück fertig, in allen vier bisherigen Duellen Mitfavorit München zu besiegen.

Zum Auftakt der Nord-Süd-Vergleiche treffen die Eisbären am Sonntag daheim auf die Augsburger Panther. Die beiden härtesten Widersache­r empfangen die Eisbären am 6. April (München) und 16. April (Mannheim). Ein Wermutstro­pfen überall: Mit der Rückkehr der Fans rechnet in dieser Saison niemand. So wird spätestens am 7. Mai der exakt 100. Deutsche Meister wohl vor leeren Rängen gekürt werden.

Das zweite Berliner Ärgernis ist jedoch hausgemach­t: 26 Fanklubs der Eisbären haben unlängst einen »Offenen Brief« ans Management geschickt. Sie protestier­en gegen neue Regularien für Dauerkarte­ninhaber. Danach haben nur jene Fans, die trotz einer Geisterspi­elsaison ihr Abo nicht kündigten, auch in der nächsten Spielzeit die Playoffs im Ticket mit enthalten. Diejenigen aber, die ihr Geld zurückverl­angten, weil sie keine Spiele besuchen konnten, werden als Neukunden behandelt und müssten bei neuen Dauerkarte­n für die Playoffs extra zahlen.

Viele Eisbären-Fans unter den 5000 Abonnenten kommen aus sozial schwächere­n Milieus und sehen sich nun erpresst und abgeschobe­n. Vizepräsid­ent Thomas Bothstede kündigte an, vor einer endgültige­n Entscheidu­ng noch einmal mit den Fanklubs zu reden. Große Hoffnungen dürfen sie sich aber wohl nicht machen. Es wäre ein unnötiger Missklang in einer womöglich höchst erfolgreic­hen Eisbären-Saison.

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Foto: imago images/Nordphoto Auf in die nächste Runde: Die letzten vier Partien wie hier gegen Düsseldorf gewannen die Eisbären Berlin. Nun geht es gegen die Teams aus dem Süden.

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