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Vom Hooligan zum Helfer

Olaf Block ist ein Ehrenamtsp­reisträger – nach einer gewalttäti­gen Vergangenh­eit im Fußball und der rechten Szene.

- Von Volker Stahl, Hamburg

Es fing harmlos an. Als Kind begeistert­e sich Olaf Block für den Fußball und fing an zu kicken. Erst den ganzen Tag auf einem Dorfacker, später in der E-Jugend des emsländisc­hen ASV Altenlinge­n. Der Sport war ein Ventil für den kleinen Olaf. Zu Hause habe es keine Anerkennun­g gegeben und in der Schule sei er »nicht die hellste Kerze auf der Torte« gewesen, erzählt er beim Treffen auf dem Sportplatz an der Slomannstr­aße im Hamburger Stadtteil Veddel.

Er war 14, als er im Derby gegen »die Bauern« von Holthausen-Biene von der Ersatzbank in die Abwehr beordert wurde. Weil sein Gegenspiel­er ihm immer wieder auf die Socken trat, sann der Teenager auf Rache: Er sprang seinem Kontrahent­en von hinten in die Beine, trat dem sich auf dem Boden Wälzenden anschließe­nd mit voller Wucht aufs Fußgelenk und freute sich: »Der spielt nie wieder Fußball!« Olaf Block flog vom Platz und aus dem Verein.

Der Gewalt blieb er treu – als Fan des SV Meppen. Dort bekam er die ersehnte Anerkennun­g. In seiner Clique war er plötzlich der Held, als er im Emslandsta­dion die Fahne des dort gastierend­en FC Schalke 04 abfackelte und dafür von den Gelsenkirc­hener Fans brutal verprügelt wurde: »Der erste Nasenbeinb­ruch«, schreibt er lakonisch in seiner Autobiogra­fie »Mein Weg vom Hooligan zum DFB-Ehrenamtsp­reis«.

Block war einer der berüchtigt­en »XXXBoys«. Er absolviert­e eine Bäckerlehr­e und verpflicht­ete sich später bei der Bundeswehr. Weil er in Amsterdam stationier­t war, bekam er doppeltes Salär, das er in Unmengen Alkohol und Auswärtsfa­hrten seines Vereins investiert­e. Es gab unzählige Schlägerei­en mit rivalisier­enden Fangruppen: »Wenn die Polizei kam, hatten wir plötzlich einen gemeinsame­n Feind. Da waren wir uns einig.« Und es kam noch schlimmer. »In dieser Zeit wurde die Skinhaedsz­ene für mich interessan­t. Ich fing an, Tag und Nacht die Musik der Böhsen Onkelz zu hören.« Seine Vorbilder waren die ausländerf­eindlichen Skins aus Rostock. Er radikalisi­erte sich. Die Folge: Festnahme, Gerichtste­rmin, Schmerzens­geldzahlun­gen und Sozialstun­den.

Es hagelte weiter Anzeigen, die Bundeswehr schob ihn aufs Abstellgle­is, seine Freundin verließ ihn und er bekam eine zweijährig­e Bewährungs­strafe – wegen illegalen Waffenbesi­tzes und Sozialbetr­ugs. Von dieser Zeit verbrachte Block drei Monate im offenen Vollzug, die ihm psychisch stark zusetzten: Er fing an, sich zu ritzen und erhielt die Diagnose Borderline-Syndrom: »Ich bekam einen Knacks, merkte, dass ich mich nicht mehr spürte und war der Meinung, dass ich mich für meine Taten selbst bestrafen müsste.«

Zum ersten Mal an der Richtigkei­t seines Handels habe er während der FußballWM 1998 gezweifelt, als der französisc­he Polizist Daniel Nivel von deutschen Hooligans ins Koma geprügelt wurde und seinen Beruf wegen irreversib­ler Schäden aufgeben musste. Die Wende in Blocks Leben kam 2002, als er Andrea kennenlern­te. Das Paar heiratete. Er nahm den Nachnamen seiner Partnerin an, zwei Jahre später wurde die gemeinsame Tochter geboren. Seitdem wohnt die Familie auf der Veddel, die zu den sozial schwächste­n Stadtteile­n Hamburgs gehört. Der Migrations­anteil liegt dort bei 45,5 Prozent. Für den ehemaligen Hool ein »Kulturscho­ck«. Doch bald habe er sich auf der Elbinsel wohlgefühl­t.

Irgendwann hat es bei Olaf Block endgültig klick gemacht – er war plötzlich beseelt von dem Gedanken, alles gut machen zu müssen: »Als ich 2005 ein Fußballspi­el in der Kreisklass­e besuchte, kam ich mit der Platzwarti­n ins Gespräch.« Er lernte Spieler und Funktionär­e des Fußballver­eins Vatan Gücü kennen, wurde ehrenamtli­cher Betreuer

der Herrenmann­schaft. Block füllte ein Jahr lang Wasserflas­chen, pumpte Bälle auf, wusch Trikots. 2009 heuerte er beim neu gegründete­n Club Dynamo Hamburg an und stieg in kurzer Zeit vom Betreuer zum 1. Vorsitzend­en auf. Er gründete und trainierte jahrelang Jugendmann­schaften, besorgte Sponsoren und erledigte Organisato­risches. Zuletzt kümmerte er sich als Vorstandsm­itglied bei Veddel United um die Nachwuchsk­icker. Der Hamburger Fußballver­band verlieh ihm für sein Engagement einen Ehrenamtsp­reis.

Doch nun sei sein Akku leer, sagt der 50-Jährige: »Ich werde dem Verein zwar weiter als Berater zur Verfügung stehen, aber jetzt geht für mich eine lange Zeit mit dem Fußball zu Ende.« Auch ehrenamtli­ch will er sich weiter engagieren und seine Geschichte gerne in Schulen und Vereinen erzählen und den »Kids und Jugendlich­en« zeigen, dass man gewaltfrei leben und ohne Alkohol und Drogen etwas erreichen könne. Die soziale Kompetenz dazu besitzt er, denn in den vergangene­n zwei Jahren hat Block hauptberuf­lich in der Produktion­sschule Eimsbüttel als Anleiter in der Malerwerks­tatt gearbeitet – mit Schulschwä­nzern, Drogenabhä­ngigen, gewalttäti­gen Jugendlich­en.

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Foto: stahlpress Olaf Block – die Ehrennadel von Hamburgs Fußballver­band am Revers

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