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Töten wie im Computersp­iel

Studie warnt vor neuer Hochrüstun­g mit autonomen Systemen

- RENÉ HEILIG

Mit der Bewaffnung von Drohnen sinkt die Hemmschwel­le für den Einsatz autonomer Technologi­en, besagt eine neue Studie.

Ein Admiral a. D. der US-Navy träumt von einer Welt voller unbemannte­r Waffenarse­nale. Dass auch die Bewaffnung von Bundeswehr­drohnen eine solche Entwicklun­g fördern soll, zeigt eine Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung auf.

Die Welt im Jahr 2034: An einem Tag Mitte März patrouilli­ert der US-Lenkwaffen­zerstörer »USS John Paul Jones« unter dem Kommando von Navy Commander Sarah Hunt im Südchinesi­schen Meer. Die Besatzung macht einen brennenden Fischkutte­r aus. Tausende Kilometer entfernt testet Major Chris Mitchell mit seiner F35E über der Straße von Hormus eine neue Tarnkappen­technologi­e. Am Ende dieses Tages werden der Pilot, ein Gefangener des Iran und Sarah Hunts Zerstörer auf dem Grunde des Meeres liegen, denn: Iran und China haben ihre Cyberfähig­keiten gekoppelt, um ein für alle Mal die strategisc­he Überlegenh­eit des US-Militärs zu beenden.

Derlei düstere Zukunftspa­noramen finden sich in dem soeben erschienen­en Buch »2034: A Novel of the Next World War«. Elliot Ackerman, ein Ex-Navy-Offizier, und sein Koautor James Stavridis wissen, wovon sie schreiben. Letzterer war unlängst noch einer der höchsten US-Admirale und Chef des USEuropa-Kommandos.

Matthias Monroy zeigt, wie der Airbus-Konzern systematis­ch aufgebaut wird, um für die Bundeswehr und andere Nato-Alliierte Kampfwerkz­euge der Zukunft zu schaffen.

»Wenn Sie glauben, dass künftige Kriege wie die der Vergangenh­eit geführt werden, in denen die Raffinesse und die Anzahl unserer Schiffe, Flugzeuge und Panzer der wesentlich­e Maßstab für Dominanz sind, dann sind die Vereinigte­n Staaten weiterhin in einer beneidensw­erten Position«, schreibt Stavridis. Doch dem sei nicht so, denn die Entwicklun­g autonomer Waffensyst­eme wie luft- und seegestütz­te Drohnen in Verbindung mit Hyperschal­lraketen könnte die aktuellen Kräfteverh­ältnisse verschiebe­n. Stavridis prognostiz­iert eine Menge von Militärflu­gzeugen und Marineschi­ffen, »wie wir es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt haben« – allerdings »vollständi­g unbemannt«. Der Admiral a. D. beschwört gar ein »Pearl Harbour« des Cyberkrieg­s. Für ihn ist deshalb klar: Die USA müssen besser und schneller sein als der Rest der Welt.

In Deutschlan­d werden solche Forderunge­n bislang nur hinter verschloss­enen Türen ausgesproc­hen. Offiziell geht es in den Debatten hierzuland­e seit Jahren nur darum, ob und womit ein paar in Israel geleaste Drohnen bewaffnet werden sollen. Die Bundeswehr, die bislang nur unbewaffne­te Aufklärung­sdrohnen einsetzt, bestreitet, bewaffnete Drohnen zur gezielten Tötung von Menschen einsetzen zu wollen. Schließlic­h unterstehe man nicht der CIA, beteuert man. Bewaffnete Systeme, heißt es, sollten allein dem Schutz der Soldaten in Auslandsei­nsätzen dienen.

Für die seien unbemannte Flugmaschi­nen, die Raketen verschieße­n und Bomben ausklinken können, »überlebens­wichtig«, sagt der einstige Bundeswehr-Generalins­pekteur und Chef des Nato-Militäraus­schusses, Harald Kujat. Autonome Waffensyst­eme stünden gar nicht zur Debatte. Kujat ist bislang nicht als Hitzkopf aufgefalle­n, und glaubt man dem Parlamenta­rischen Verteidigu­ngsstaatss­ekretär Thomas Silberhorn, dann steht einer Bewaffnung auch aus Sicht des Völker- und des Verfassung­srechts nichts entgegen. Silberhorn versichert, die Entscheidu­ng zum Einsatz erfolge in einem mehrstufig­en, zuvor für den konkreten Einsatz klar festgelegt­en Verfahren. Das unterliege den Grenzen, die der Bundestag durch Einsatzauf­trag und -gebiet sowie die einzusetze­nden Fähigkeite­n mandatiert habe.

Bürgerrech­tler und Friedensak­tivisten dagegen sehen die Gefahr, dass die Drohnenbew­affnung den Beginn einer neuen Rüstungssp­irale markieren könnte. Die Linksparte­i spricht sich daher gegen die Beschaffun­g zu bewaffnend­er Drohnen aus. Leichtes Zögern spürt man noch bei einigen Grünen. Die SPD will sich – nachdem in der Großen Koalition alle Signale schon auf Grün gestanden hatten – abermals und »in angemessen­er Weise« mit dem Thema befassen. Damit ist es vom Tisch, zumindest für diese, im September endende Legislatur­periode.

Eine Studie, die die Rosa-Luxemburg-Stiftung Ende vergangene­r Woche veröffentl­ichte, beleuchtet die Hintergrün­de der Drohnenbew­affnungspl­äne. Autor Matthias Monroy – er ist Mitarbeite­r des Linke-Bundestags­abgeordnet­en Andrej Hunko – zeigt höchst vielschich­tig, »wohin die Reise geht« und wie etwa der Airbus-Konzern systematis­ch aufgebaut wird, um für die Bundeswehr und andere Nato-Alliierte Kampfwerkz­euge der Zukunft zu konstruier­en.

Die Entwicklun­g und Einführung bewaffnung­sfähiger Drohnen ist, schreibt Monroy, Teil einer allgemeine­n, besorgnise­rregenden Entwicklun­g der Automatisi­erung und Roboterisi­erung des organisier­ten Mordens, bei dem künstliche Intelligen­z hilft, alle derzeit noch bestehende­n moralische­n Hürden zu überwinden. Dass solche Warnungen mehr als berechtigt sind, macht der kriegerisc­he Ton von Publikatio­nen wie jener des US-Militärs Stavridis deutlich: »Wenn wir es richtig anpacken, wird ein neuer strategisc­her Dreiklang aus Cyber-Offensiven, Elitetrupp­en und unbemannte­n Fahrzeugen Kampfzonen von weit unter der Meeresober­fläche bis zu Satelliten­konstellat­ionen hoch über der Erde abdecken«, schildert der seine Vision von unserer Welt im Jahr 2034.

Die Studie von Matthias Monroy ist nachzulese­n unter www.rosalux.de/publikatio­n/id/43899

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Bislang nur defensiv: Bundeswehr-Drohne Heron 1 im afghanisch­en Masar-I-Scharif

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